bei diesem Buch und wohl fast bei allen Lesebüchern
geschehen ist. Es sind einige Illustrationen darin, man
kann fast sagen die meisten, auf denen stofflich rein
gar nichts zu sehen ist, die lediglich durch die künstlerische
Handschrift des Zeichners einen geschmacklich geschulten
Beschauer interessieren. Ob das aber der Sinn der
Illustrationen von Schullesebüchern ist? Wir sind durchaus
nicht der Meinung, daß die moderne Fotografie das All-
heilmittel für jegliche Illustration ist, aber wäre es nicht
einmal angebracht, die Fotografie zur Illustration der
Schullesebücher heranzuziehen? Wir denken dabei vor
allem an die Bücher für etwas ältere Schüler, also über
10 Jahre, die sich für die Realität interessieren und denen
eine gute Fotografie mehr Wissen und auch im guten
Zusammenhang mit dem Text mehr Erleben und mehr
Blick für die Dinge anerziehen kann als eine Illustration
„ä la Slevogt". Wie stark interessieren sich die Schüler
etwa für die Fotos in den Büchern Bengt Bergs! Sicherlich
kann auch die Kunst in den Dienst des Schullesebuchs ge-
stellt werden, aber dann soll man lieber gute moderne
Bilder und Zeichnungen, oder auch gute alte, wieder-
geben als die krampfhaften Illustrationen des Textes.
Doch ist das eine Frage, zu der auch der ernsthafte
Pädagoge aus seiner Erfahrung heraus etwas sagen
müßte.
Interessant sind immer die Versuche, bei denen der
Schüler nicht nur Passivum in der Pädagogik ist, sondern
bei denen er selbsttätig mithelfen kann. Die moderne
Pädagogik versucht immer mehr beim Unterricht aus dem
duldenden und aufnehmenden Schüler ein Glied einer
Arbeitsgemeinschaft zu machen, die sich den Stoff und
das Können selbst erarbeitet. Eine Art Jahresveröffent-
lichung einer höheren Schule zeigt das Ergebnis einer
solchen pädagogischen Aufbauarbeit, bei der nicht nur
der Text von den Schülern verfaßt wurde, sondern auch
die Abbildungen von Schülern gefertigt wurden. Man
hat sich Mühe gegeben, auch die Typografie im Rahmen
des Möglichen gut zu halten. Leider ist die Fortsetzung
dieses Versuches durch den ministeriellen Sparerlaß
vorerst unmöglich gemacht worden. Von dänischen
Freunden wurde uns eine Zeitschrift gesandt, die von
älteren Schülern neben der Schule her ins Leben gerufen
wurde. Ursprünglich als Schülerzeitschrift gedacht, hat sie
mehr und mehr Abonnenten unter den Interessierten in
Dänemark gefunden. Die Zeitschrift behandelt ungefähr
die gleichen Gebiete wie auch unsere Zeitschrift. Ein
anderes Beispiel einer Zeitschrift, die als Instrument der
Erziehung gedacht ist und auch unter wesentlichem Anteil
der Zöglinge hergestellt wird, ist die Gefangenen-
zeitschrift der Strafanstalt Untermaßfeld. Dieses Blatt hat
die Aufgabe, die Beziehungen der Gefangenen zur
Außenwelt, soweit es nur möglich ist, zu fördern und
vor allem verständige Menschen außerhalb der Straf-
anstalt mit den Problemen des Strafvollzugs laufend in
Verbindung zu bringen. Die Mitarbeiter an dem Blatt
sind Gefangene, Beamte und freie Menschen. Der
Direktor dieser Anstalt, Dr. Albert Krebs, hat ein sehr
lebhaftes Interesse für all die farbigen und formalen
Werte, die psychologisch auf den Gefangenen ein-
wirken. Ich zitiere eine Briefstelle von ihm: „Das sprich-
wörtliche Grau in Grau der Anstalten muß ja überwunden
werden, wenn irgendwie Ersprießliches geleistet werden
soll."
Die durch die Untersuchung des Münchner Bundes
festgestellte Tatsache, daß es keine guten Schullesebücher
gibt, muß irgendwo ihre Ursache haben. Wo sie liegt,
kann von uns nicht entschieden werden. Nur eins können
wir uns kaum denken, daß die heutige Lehrerschaft schuld
daran sein soll.
Auf dem Gebiet der modernen Pädagogik geschieht
soviel, beinahe jede Lehranstalt ist eine Experimentier-
anstalt für sich. Uberall begegnet man leidenschaftlichen
Reformern und einem frischen Zug. Und dieses Experi-
mentieren auf dem Gebiet der Pädagogik geht wirklich
auch von der Erkenntnis sozialer, soziologischer, psycho-
logischer und berufspädagogischer Fragen aus, also von
Dingen, die wirklich aus dem heutigen Leben und aus der
heutigen Zeit kommen. Man erinnere sich nur der
Reformbestrebungen auf dem Gebiet des Zeichenunter-
richts. Vieles von diesen Dingen mag falsch gemacht
und falsch gedacht sein. Vieles ist sicher auch richtig;
jedenfalls ist Leben und Streben zu erkennen. An-
gesichts dieser Tatsachen versteht man nicht, warum das
Schullesebuch in seiner formalen Gestalt und Ausführung
nicht nur künstlerisch schlecht ist, sondern auch päda-
gogisch belanglos, wenn nicht falsch. Wir möchten dafür,
daß die heutige Lehrerschaft modern und fortschrittlich
denkt, einen nachdrücklichen Beweis liefern, und zwar
mit den Drucksachen, die wir von der Deutschen Lehrer-
versammlung in Dresden abbilden. Dieses Dresden-Buch
ist das erste Buch, das wirklich in einfacher und schönster
Weise die Physiognomie einer Stadt zeigt. Und zwar
nicht einseitig architektonisch, sondern bildhaft freudig
genossen, der Markt, die Kinder, die Tiere und noch
viele andere Dinge, die als Fragmente oder Episoden zu
dem Bild einer Stadt gehören. Die Drucksachen zur
Tagung sind so überaus gut, klar und so gar nicht mani-
riert typografisch, daß man seine Freude daran hat. Die
Bilder dieses Dresden-Buches — ein sehr großer Teil ist
von Renger-Patzsch, andere von Moholy-Nagy und noch
vielen anderen modernen Fotografen — sollten ein Vor-
bild sein für die Bebilderung der Schullesebücher!
W. L o t z.
Was wird aus der Tapete?
JUSTUS BIER
Wer in Versuchung kommt zu glauben, die unge-
musterte, nur durch Farbe, Oberfläche und allenfalls
durch aufgedruckte und aufgeprägte Strukturen belebte
Tapete habe sich als schlichte, unaufdringliche Wand-
bekleidung allgemein durchgesetzt, gibt sich einer ge-
linden Täuschung hin. Man lese z. B., was eine rheinische
Tapetenfabrik in ihren Anzeigen deklariert: „Die ab-
strakte Form, die jahrelang in Tapeten und allen Dingen
künstlerischer Produktion vorherrschte, ist überwunden.
Die Möglichkeiten sind erschöpft. Die Nüchternheit des
Gestern weicht dem Morgen, das uns Sonne und Be-
lebung bringt." Sonne und Belebung, d. h. der ganze
Blütenzauber auf die Wand gestreut, eine „neue Anti-
quität" nach einem Wort Josef Franks, Restauration der
alten Ornamenttapete. Amüsant, daß dieselbe Firma
die obige Verlautbarung erließ, als Konzession an die
moderne Richtung, von ihren Tapeten, deren Ornamente
doch gesehen und nicht übersehen werden wollen,
388
geschehen ist. Es sind einige Illustrationen darin, man
kann fast sagen die meisten, auf denen stofflich rein
gar nichts zu sehen ist, die lediglich durch die künstlerische
Handschrift des Zeichners einen geschmacklich geschulten
Beschauer interessieren. Ob das aber der Sinn der
Illustrationen von Schullesebüchern ist? Wir sind durchaus
nicht der Meinung, daß die moderne Fotografie das All-
heilmittel für jegliche Illustration ist, aber wäre es nicht
einmal angebracht, die Fotografie zur Illustration der
Schullesebücher heranzuziehen? Wir denken dabei vor
allem an die Bücher für etwas ältere Schüler, also über
10 Jahre, die sich für die Realität interessieren und denen
eine gute Fotografie mehr Wissen und auch im guten
Zusammenhang mit dem Text mehr Erleben und mehr
Blick für die Dinge anerziehen kann als eine Illustration
„ä la Slevogt". Wie stark interessieren sich die Schüler
etwa für die Fotos in den Büchern Bengt Bergs! Sicherlich
kann auch die Kunst in den Dienst des Schullesebuchs ge-
stellt werden, aber dann soll man lieber gute moderne
Bilder und Zeichnungen, oder auch gute alte, wieder-
geben als die krampfhaften Illustrationen des Textes.
Doch ist das eine Frage, zu der auch der ernsthafte
Pädagoge aus seiner Erfahrung heraus etwas sagen
müßte.
Interessant sind immer die Versuche, bei denen der
Schüler nicht nur Passivum in der Pädagogik ist, sondern
bei denen er selbsttätig mithelfen kann. Die moderne
Pädagogik versucht immer mehr beim Unterricht aus dem
duldenden und aufnehmenden Schüler ein Glied einer
Arbeitsgemeinschaft zu machen, die sich den Stoff und
das Können selbst erarbeitet. Eine Art Jahresveröffent-
lichung einer höheren Schule zeigt das Ergebnis einer
solchen pädagogischen Aufbauarbeit, bei der nicht nur
der Text von den Schülern verfaßt wurde, sondern auch
die Abbildungen von Schülern gefertigt wurden. Man
hat sich Mühe gegeben, auch die Typografie im Rahmen
des Möglichen gut zu halten. Leider ist die Fortsetzung
dieses Versuches durch den ministeriellen Sparerlaß
vorerst unmöglich gemacht worden. Von dänischen
Freunden wurde uns eine Zeitschrift gesandt, die von
älteren Schülern neben der Schule her ins Leben gerufen
wurde. Ursprünglich als Schülerzeitschrift gedacht, hat sie
mehr und mehr Abonnenten unter den Interessierten in
Dänemark gefunden. Die Zeitschrift behandelt ungefähr
die gleichen Gebiete wie auch unsere Zeitschrift. Ein
anderes Beispiel einer Zeitschrift, die als Instrument der
Erziehung gedacht ist und auch unter wesentlichem Anteil
der Zöglinge hergestellt wird, ist die Gefangenen-
zeitschrift der Strafanstalt Untermaßfeld. Dieses Blatt hat
die Aufgabe, die Beziehungen der Gefangenen zur
Außenwelt, soweit es nur möglich ist, zu fördern und
vor allem verständige Menschen außerhalb der Straf-
anstalt mit den Problemen des Strafvollzugs laufend in
Verbindung zu bringen. Die Mitarbeiter an dem Blatt
sind Gefangene, Beamte und freie Menschen. Der
Direktor dieser Anstalt, Dr. Albert Krebs, hat ein sehr
lebhaftes Interesse für all die farbigen und formalen
Werte, die psychologisch auf den Gefangenen ein-
wirken. Ich zitiere eine Briefstelle von ihm: „Das sprich-
wörtliche Grau in Grau der Anstalten muß ja überwunden
werden, wenn irgendwie Ersprießliches geleistet werden
soll."
Die durch die Untersuchung des Münchner Bundes
festgestellte Tatsache, daß es keine guten Schullesebücher
gibt, muß irgendwo ihre Ursache haben. Wo sie liegt,
kann von uns nicht entschieden werden. Nur eins können
wir uns kaum denken, daß die heutige Lehrerschaft schuld
daran sein soll.
Auf dem Gebiet der modernen Pädagogik geschieht
soviel, beinahe jede Lehranstalt ist eine Experimentier-
anstalt für sich. Uberall begegnet man leidenschaftlichen
Reformern und einem frischen Zug. Und dieses Experi-
mentieren auf dem Gebiet der Pädagogik geht wirklich
auch von der Erkenntnis sozialer, soziologischer, psycho-
logischer und berufspädagogischer Fragen aus, also von
Dingen, die wirklich aus dem heutigen Leben und aus der
heutigen Zeit kommen. Man erinnere sich nur der
Reformbestrebungen auf dem Gebiet des Zeichenunter-
richts. Vieles von diesen Dingen mag falsch gemacht
und falsch gedacht sein. Vieles ist sicher auch richtig;
jedenfalls ist Leben und Streben zu erkennen. An-
gesichts dieser Tatsachen versteht man nicht, warum das
Schullesebuch in seiner formalen Gestalt und Ausführung
nicht nur künstlerisch schlecht ist, sondern auch päda-
gogisch belanglos, wenn nicht falsch. Wir möchten dafür,
daß die heutige Lehrerschaft modern und fortschrittlich
denkt, einen nachdrücklichen Beweis liefern, und zwar
mit den Drucksachen, die wir von der Deutschen Lehrer-
versammlung in Dresden abbilden. Dieses Dresden-Buch
ist das erste Buch, das wirklich in einfacher und schönster
Weise die Physiognomie einer Stadt zeigt. Und zwar
nicht einseitig architektonisch, sondern bildhaft freudig
genossen, der Markt, die Kinder, die Tiere und noch
viele andere Dinge, die als Fragmente oder Episoden zu
dem Bild einer Stadt gehören. Die Drucksachen zur
Tagung sind so überaus gut, klar und so gar nicht mani-
riert typografisch, daß man seine Freude daran hat. Die
Bilder dieses Dresden-Buches — ein sehr großer Teil ist
von Renger-Patzsch, andere von Moholy-Nagy und noch
vielen anderen modernen Fotografen — sollten ein Vor-
bild sein für die Bebilderung der Schullesebücher!
W. L o t z.
Was wird aus der Tapete?
JUSTUS BIER
Wer in Versuchung kommt zu glauben, die unge-
musterte, nur durch Farbe, Oberfläche und allenfalls
durch aufgedruckte und aufgeprägte Strukturen belebte
Tapete habe sich als schlichte, unaufdringliche Wand-
bekleidung allgemein durchgesetzt, gibt sich einer ge-
linden Täuschung hin. Man lese z. B., was eine rheinische
Tapetenfabrik in ihren Anzeigen deklariert: „Die ab-
strakte Form, die jahrelang in Tapeten und allen Dingen
künstlerischer Produktion vorherrschte, ist überwunden.
Die Möglichkeiten sind erschöpft. Die Nüchternheit des
Gestern weicht dem Morgen, das uns Sonne und Be-
lebung bringt." Sonne und Belebung, d. h. der ganze
Blütenzauber auf die Wand gestreut, eine „neue Anti-
quität" nach einem Wort Josef Franks, Restauration der
alten Ornamenttapete. Amüsant, daß dieselbe Firma
die obige Verlautbarung erließ, als Konzession an die
moderne Richtung, von ihren Tapeten, deren Ornamente
doch gesehen und nicht übersehen werden wollen,
388