und so schließlich auch die Zögernden davon zu
überzeugen, daß die Schule auf dem richtigen Wege
ist, ließ sich nun leider nicht mehr erfüllen. Das ist
tief zu bedauern, — nicht nur, weil hier wieder ein-
mal eine Lebensarbeit vorzeitig abgebrochen wird,
sondern auch, weil die Entscheidung darüber, ob es
möglich ist. auf diesem Wege zum Ziele zu kom-
men, von größter kultureller Bedeutung wäre. Und
wahrscheinlich wird sich niemand finden, der bereit
ist, diesen gefahrvollen Weg weiterzugehen, und
man wird sich entschließen, der Schule ein beschei-
deneres, leichter zu erreichendes Ziel zu stecken.
W. Riezler
KUNSTSCHUTZ UND NEUE SACHLICHKEIT
ERNST WOLLENBERG
Wir bringen diese Zuschrift des Vorsitzenden der Preußischen Künstlerischen Sachverständigen-Kammer und weisen darauf hin, daß wir unsere
Stellungnahme zu dieser Frage in Heft 5/1930 niedergelegt haben. Die Frage des Kunstschutzes und die Frage der Ausdehnung auf die
Entwürfe für industriell hergestelltes Gebrauchsgerät gewinnt immer mehr an Bedeutung, und wir bitten unsere Leser, soweit sie entweder
als Fabrikanten oder als entwerfende Künstler Erfahrungen gesammelt haben, uns diese mitzuteilen und ihre Stellungnahme kurz nieder-
zulegen, damit wir, im Besitz dieses Materials, uns noch einmal mit dieser Frage auseinandersetzen können.
Der Aufsatz von Otto Baur: ,,Zum Kunstschutz-
gesetz" in Nr. 5 vom 1. März 1930 der Zeitschrift
„Die Form" behandelt schwerwiegende Erwägungen
gelegentlich der Beratungen der Preußischen Künst-
lerischen Sachverständigenkammer, der Otto Baur
als Mitglied angehört: Wieweit kommt einem moder-
nen Gebrauchsgegenstand der urheberrechtliche
Kunstschutz zu?
Die urheberrechtliche Gleichstellung der Werke
der freien Kunst mit den Erzeugnissen des Kunst-
gewerbes (§ 2 des Gesetzes betreffend das Ur-
heberrecht an Werken der bildenden Künste und der
Fotografie vom 9. Januar 1907) war eine Notwen-
digkeit. Denn ob ein Künstler seine zeichnende, ma-
lende oder Bildhauerarbeit frei und unabhängig von
irgendeinem Endzweck gestaltet oder ob er sie
einem Gebrauchsgegenstand zuwendet, ist bei ihrer
Bewertung im urheberrechtlichen Sinne offenbar völ-
lig gleich. Die Arbeit ist eben ein Kunstwerk oder sie
ist es nicht. Deshalb besteht seit dem angegebenen
Gesetz für Gebrauchsgegenstände, wenn sie in
ästhetisch wirkenden Formen auftreten, neben dem
Geschmacksmusterschutz des Gesetzes vom 11. Ja-
nuar 1876 regelmäßig auch der Kunstschutz des Ge-
setzes vom 9. Januar 1907. Daraus haben sich
Schwierigkeiten oder Bedenken früher nicht er-
geben. Anders erscheint indessen die Sach- und
Rechtslage in der Gegenwart, im Zeitalter der „neuen
Sachlichkeit". Während früher das Dekor, das Orna-
ment dem Gebrauchsgegenstand die künstlerische
Note geben konnte, wird heute die größte Einfach-
heit der Form, die Schmucklosigkeit des Gegenstan-
des bevorzugt. Dabei sind solche modernen Ge-
brauchsgegenstände oft außerordentlich fein und
künstlerisch erdacht und geformt. Es geht aber
nicht an, daß man diesen schlichten, jedes schmük-
kenden Beiwerks entbehrenden und doch künstle-
risch wirkenden Dingen den Kunstschutz versagt,
den man früher dem oft kitschigen (der Wert ist ja
nicht entscheidend!) Gegenstand zuerkannte. Aber
in der Praxis erheben sich gegen die Gewährung
eines solchen Schutzes sehr schwerwiegende Be-
denken. Denn diese einfachen Gebrauchsgegen-
stände können im Wirtschaftsleben gar nicht ent-
behrt werden. Man denke an die notwendigsten Ge-
räte, Apparate, Werkzeuge, wie sie bei jedem Bau-
werk Verwendung finden. Ein Kunstschutz schließt
für die lange Dauer seines Wirkens (bis 30 Jahre
nach dem Tode des Urhebers) diese Verwendung
aus. Etwaige kleine Abänderungen des Gegenstan-
des schaffen kein neues Werk, wenn sie das Wesen
des Vorwerks unberührt lassen.
Dadurch wird der Kunstschutz überspannt. Das
Kunstschutzgesetz hat eine solche Tragweite sei-
ner Schutzbestimmungen nicht beabsichtigt. Gleich-
wohl ist es de lege lata unmöglich, den Gegenstän-
den der neuen Sachlichkeit, wenn sie ästhetisch
wirken, den Kunstschutz zu versagen. Es bedarf
deshalb einer Gesetzesänderung in folgendem Sinn:
Der Schutz des Kunstschutzgesetzes kann nur an
solchen Gebrauchsgegenständen bestehen, „die
künstlerische Zwecke verfolgen". Diese Einschrän-
kung besteht bereits für Bauwerke (§ 2 Abs. 1 Satz 2
daselbst) und mit gutem Grund; denn das Wohn-
haus an sich eignet sich regelmäßig nicht für den
Kunstschutz; ein Museum, ein Theater, ein Dienst-
gebäude dagegen wird in der Regel nach künstle-
rischen Gesichtspunkten errichtet werden und soll
bestimmungsmäßig auch ästhetisch wirken. Die Fer-
tigung der gewöhnlichen und verbreiteten Ge-
brauchsgegenstände des täglichen Lebens verfolgt
indessen regelmäßig keine künstlerischen Zwecke.
Für sie genügt der Geschmacks- oder Gebrauchs-
musterschutz von wenigen Jahren seit ihrer Eintra-
gung in das Register nach den Gesetzen vom 11. Ja-
nuar 1876 und 1. Juni 1891, und mehr kann ihnen im
Interesse des öffentlichen Verkehrs keinesfalls zu-
gebilligt werden.
Mitarbeiter dieses Heftes:
Dr. Justus Bier, Schriftsteller, künstlerischer Leiter der Kestner-
Gesellschaft E. V., Hannover
Roger Ginsburger, Paris, Architekt
Geheimer Regierungsrat Dr. Ernst Wo 11 e n b e rg , Berlin, Vorsitzender
der Preußischen Künstlerischen Sachverständigen-Kammer
80
überzeugen, daß die Schule auf dem richtigen Wege
ist, ließ sich nun leider nicht mehr erfüllen. Das ist
tief zu bedauern, — nicht nur, weil hier wieder ein-
mal eine Lebensarbeit vorzeitig abgebrochen wird,
sondern auch, weil die Entscheidung darüber, ob es
möglich ist. auf diesem Wege zum Ziele zu kom-
men, von größter kultureller Bedeutung wäre. Und
wahrscheinlich wird sich niemand finden, der bereit
ist, diesen gefahrvollen Weg weiterzugehen, und
man wird sich entschließen, der Schule ein beschei-
deneres, leichter zu erreichendes Ziel zu stecken.
W. Riezler
KUNSTSCHUTZ UND NEUE SACHLICHKEIT
ERNST WOLLENBERG
Wir bringen diese Zuschrift des Vorsitzenden der Preußischen Künstlerischen Sachverständigen-Kammer und weisen darauf hin, daß wir unsere
Stellungnahme zu dieser Frage in Heft 5/1930 niedergelegt haben. Die Frage des Kunstschutzes und die Frage der Ausdehnung auf die
Entwürfe für industriell hergestelltes Gebrauchsgerät gewinnt immer mehr an Bedeutung, und wir bitten unsere Leser, soweit sie entweder
als Fabrikanten oder als entwerfende Künstler Erfahrungen gesammelt haben, uns diese mitzuteilen und ihre Stellungnahme kurz nieder-
zulegen, damit wir, im Besitz dieses Materials, uns noch einmal mit dieser Frage auseinandersetzen können.
Der Aufsatz von Otto Baur: ,,Zum Kunstschutz-
gesetz" in Nr. 5 vom 1. März 1930 der Zeitschrift
„Die Form" behandelt schwerwiegende Erwägungen
gelegentlich der Beratungen der Preußischen Künst-
lerischen Sachverständigenkammer, der Otto Baur
als Mitglied angehört: Wieweit kommt einem moder-
nen Gebrauchsgegenstand der urheberrechtliche
Kunstschutz zu?
Die urheberrechtliche Gleichstellung der Werke
der freien Kunst mit den Erzeugnissen des Kunst-
gewerbes (§ 2 des Gesetzes betreffend das Ur-
heberrecht an Werken der bildenden Künste und der
Fotografie vom 9. Januar 1907) war eine Notwen-
digkeit. Denn ob ein Künstler seine zeichnende, ma-
lende oder Bildhauerarbeit frei und unabhängig von
irgendeinem Endzweck gestaltet oder ob er sie
einem Gebrauchsgegenstand zuwendet, ist bei ihrer
Bewertung im urheberrechtlichen Sinne offenbar völ-
lig gleich. Die Arbeit ist eben ein Kunstwerk oder sie
ist es nicht. Deshalb besteht seit dem angegebenen
Gesetz für Gebrauchsgegenstände, wenn sie in
ästhetisch wirkenden Formen auftreten, neben dem
Geschmacksmusterschutz des Gesetzes vom 11. Ja-
nuar 1876 regelmäßig auch der Kunstschutz des Ge-
setzes vom 9. Januar 1907. Daraus haben sich
Schwierigkeiten oder Bedenken früher nicht er-
geben. Anders erscheint indessen die Sach- und
Rechtslage in der Gegenwart, im Zeitalter der „neuen
Sachlichkeit". Während früher das Dekor, das Orna-
ment dem Gebrauchsgegenstand die künstlerische
Note geben konnte, wird heute die größte Einfach-
heit der Form, die Schmucklosigkeit des Gegenstan-
des bevorzugt. Dabei sind solche modernen Ge-
brauchsgegenstände oft außerordentlich fein und
künstlerisch erdacht und geformt. Es geht aber
nicht an, daß man diesen schlichten, jedes schmük-
kenden Beiwerks entbehrenden und doch künstle-
risch wirkenden Dingen den Kunstschutz versagt,
den man früher dem oft kitschigen (der Wert ist ja
nicht entscheidend!) Gegenstand zuerkannte. Aber
in der Praxis erheben sich gegen die Gewährung
eines solchen Schutzes sehr schwerwiegende Be-
denken. Denn diese einfachen Gebrauchsgegen-
stände können im Wirtschaftsleben gar nicht ent-
behrt werden. Man denke an die notwendigsten Ge-
räte, Apparate, Werkzeuge, wie sie bei jedem Bau-
werk Verwendung finden. Ein Kunstschutz schließt
für die lange Dauer seines Wirkens (bis 30 Jahre
nach dem Tode des Urhebers) diese Verwendung
aus. Etwaige kleine Abänderungen des Gegenstan-
des schaffen kein neues Werk, wenn sie das Wesen
des Vorwerks unberührt lassen.
Dadurch wird der Kunstschutz überspannt. Das
Kunstschutzgesetz hat eine solche Tragweite sei-
ner Schutzbestimmungen nicht beabsichtigt. Gleich-
wohl ist es de lege lata unmöglich, den Gegenstän-
den der neuen Sachlichkeit, wenn sie ästhetisch
wirken, den Kunstschutz zu versagen. Es bedarf
deshalb einer Gesetzesänderung in folgendem Sinn:
Der Schutz des Kunstschutzgesetzes kann nur an
solchen Gebrauchsgegenständen bestehen, „die
künstlerische Zwecke verfolgen". Diese Einschrän-
kung besteht bereits für Bauwerke (§ 2 Abs. 1 Satz 2
daselbst) und mit gutem Grund; denn das Wohn-
haus an sich eignet sich regelmäßig nicht für den
Kunstschutz; ein Museum, ein Theater, ein Dienst-
gebäude dagegen wird in der Regel nach künstle-
rischen Gesichtspunkten errichtet werden und soll
bestimmungsmäßig auch ästhetisch wirken. Die Fer-
tigung der gewöhnlichen und verbreiteten Ge-
brauchsgegenstände des täglichen Lebens verfolgt
indessen regelmäßig keine künstlerischen Zwecke.
Für sie genügt der Geschmacks- oder Gebrauchs-
musterschutz von wenigen Jahren seit ihrer Eintra-
gung in das Register nach den Gesetzen vom 11. Ja-
nuar 1876 und 1. Juni 1891, und mehr kann ihnen im
Interesse des öffentlichen Verkehrs keinesfalls zu-
gebilligt werden.
Mitarbeiter dieses Heftes:
Dr. Justus Bier, Schriftsteller, künstlerischer Leiter der Kestner-
Gesellschaft E. V., Hannover
Roger Ginsburger, Paris, Architekt
Geheimer Regierungsrat Dr. Ernst Wo 11 e n b e rg , Berlin, Vorsitzender
der Preußischen Künstlerischen Sachverständigen-Kammer
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