übersehen werden, daß die Elektrizitäts-, Gas- und
Wasserleitungen kaum über das verbaute Gebiet
hinausreichen. Die gleichmäßige Verteilung der Neu-
bauten — anders wie in Rotterdam oder Amsterdam
oder in manchen Städten Deutschlands — erleich-
tert die gleichmäßige Verteilung der neuen Mutter-
beratungs- und Fürsorgestellen aller Art, der Kin-
dergärten usw., die man gerade in Neubauten unter-
bringt. Die Gemeinde Wien hat so bis jetzt nicht nur
ungefähr 45 000 Wohnungen gebaut, sondern auch
ein Netz von Fürsorgeeinrichtungen geschaffen.
Das ist die Leistung der Wiener Wohnbaupolitik,
daß sie ein Stück kommunaler Lebensgestaltung ist.
Wien hatte eine ungewöhnlich hohe Säuglings-
sterblichkeit: 15 von 100 Neugeborenen starben im
ersten Lebensjahr. Wenn diese Sterblichkeit auf
die Hälfte gesunken ist, so haben neben den be-
kannten Allgemeinbedingungen auch die Fürsorge-
einrichtungen der Gemeinde mitgewirkt. Das Le-
bensglück der Bewohner muß der Maßstab sein, den
wir an eine Wohnbaupolitik legen. Wie viel Leid hat
sie gelindert, wie viel neue Freude hat sie schaffen
helfen? Wie lebt es sich in der neuen Wohnwelt?
Wie sieht diese neue wirkliche Wohnung, wie sieht
dies neue wirkliche Leben aus?
Man könnte noch vielerlei ausdenken. Die Einzel-
küche ist sicher unrationell. Aber die Menschen hän-
gen an ihr, Gemeinschaftsküchen in Häusern erzeu-
gen noch Streit, besser wirken Bezirks- und Fabriks-
küchen. Zentralwäschereien wären rationeller, vor-
läufig ist Vereinigung der Einzelkojen unter den
besten technischen Bedingungen wohl das erfreu-
lichste für die Menschen. In vier Stunden erledigt
die neue Wiener Hausfrau die gesamte Wäsche.
Der moderne Mensch strebt nach gemeinsamem
Sport, gemeinsamem Leben, daneben wünscht er
Ruheorte, einen stillen Balkon, einen stillen Raum
für sich. Die Wiener Wohnhausbauten fördern sol-
ches Glück in erheblichem Maß. Gerade dadurch,
daß die Familie für sich sein kann, ist das Gemein-
schaftsdasein befreit von vielen Belastungen und
kann sich nun erfreulicher und stärker auswirken.
Was die Zukunft in dieser Richtung noch bringen
mag, kann auf die Gestaltung der Gegenwart nicht
einwirken. Die Gegenwart löst ihre Probleme und
bereitet die Zukunft vor.
Die Kindergärten sind dadurch notwendig gewor-
den, daß infolge der Geburtenreglung in den Fami-
lien nur ein oder zwei kleine Kinder sind, die see-
lisch durch die Isolierung gefährdet sind. Der mo-
derne Arzt fordert Gemeinschaftserziehung im In-
teresse seelischer Hygiene. Entstanden waren die
Kindergärten, um die Kleinen dem bedenklichen Ein-
fluß der Straße zu entziehen, also aus einem sehr
drängenden Grunde unmittelbarer Gegenwart. Es
muß daher in den neuen Wohnungsbauten für Kin-
dergärten gesorgt werden, es muß für geeignete
Bademöglichkeiten gesorgt werden, kurzum, für ein
Kinderland.
So gibt es Lebensprobleme verschiedenster Art,
die in umfassender Weise gelöst werden müssen.
Aber auch viele Einzelfragen können so behandelt
werden. Man kann Balkone in langen Reihen an-
ordnen, um so einen pompöseren, pathetischeren
Eindruck zu erzielen, man kann aber auch die Bal-
kone vereinzeln, um so die Familien gegeneinander
abzusondern und so Streitigkeiten zu verhindern.
Manche haben gegen die Balkone Bedenken, und
ziehen Loggien vor, auf denen man schlafen kann.
Wieder andere glauben, daß die Wiener Winde dem
Balkonleben überhaupt nicht günstig seien. Es kann
so einen sozialen Sinn haben, wenn nebeneinander
verschiedene Wohnungstypen bestehen. Aber all
das geht schon ins einzelne.
Die Wiener Wohnbaupolitik muß man als so-
ziale Gesamtleistung ins Auge fassen und
sich fragen, was sie für das wirkliche Leben breiter
Massen durch die wirkliche Wohnung geleistet hat.
Alle diese Bestrebungen haben ihre Schranken in
der heutigen Ordnung. Dies darf man weder im
Großen noch im Kleinen übersehen. Das hieße dem
Utopismus verfallen, mit dem der auf breitester
Lebensbasis ruhende kommunale Wohnungsbau in
Wien wahrlich nichts zu schaffen hat.
REICHSH El MST ATT ENS! EDLU NG DUSSELDORF-GERRESH El M
Wir haben in Heft 7 1930 Lageplan und Bau-
zustandsaufnähme von dieser Siedlung gebracht
und veröffentlichen jetzt die gegenüberstehenden
Bilder mit folgenden Angaben:
Trotz der verlängerten Bauzeit konnten die ver-
anschlagten Baukosten innegehalten werden, sämt-
liche 101 Familienhäuser sind seit Juli 1930 bezogen.
Was die Mieten betrifft, — die ja hier eigentlich
nicht so genannt werden können, da es sich um
Eigentumshäuser mit je 200 qm Gartenland han-
delt —, so benötigen z. B. die Besitzer der Häuser,
die an der langen einseitig nach Süden und Norden
gerichteten Straßenfront liegen, für den monat-
lichen Zins, einschließlich aller Abgaben und ein-
schließlich Amortisation, also auch einschließlich
Garten, Haus, Straßenbaukosten usw. 54,— M. Die-
ser Betrag sinkt ständig, da durch die steigende
Amortisierung die Restverzinsung naturgemäß ge-
ringer wird. Für die 101 Häuser waren etwa 360
Bewerber vorhanden, ein Beweis dafür, wie stark
das Bedürfnis oder der Wunsch nach Eigenheimen
in Form echten Besitzes in Wirklichkeit ist. Die
Feststellung dieser Tatsache dürfte nicht allein für
Düsseldorf Geltung haben.
Wie das Vogelschaubild zeigt, liegt die Siedlung
in einem Vorort von Düsseldorf, etwa 25 m über
einer stark ausgebauten Umgehungsstraße, der
Torfbruchstraße. Sie liegt also „in der Luft" und
ist besonders stark den Windanfällen, aber auch
den Niederschlagsmengen am Grafenberger Walde
ausgesetzt. Auf alle diese Tatsachen mußte na-
türlich bis in einzelne Details hinein besondere
Rücksicht genommen werden.
Das Innenfoto von der Nordseite der langen
Straße und den anstoßenden sechsräumigen Häu-
sern zeigt, daß durch die Anlage der Kurve im stei-
genden und fallenden Gelände am Morgen und am
Abend Sonne in diese Seite hineingebracht wird,
die also niemals als einseitige Nordseite in die Er-
scheinung treten wird. Auch ist der Block über die
Enden der Siedlungsanlage hinaus durch die Innen-
biegung der Kurve gut abgefangen.
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Wasserleitungen kaum über das verbaute Gebiet
hinausreichen. Die gleichmäßige Verteilung der Neu-
bauten — anders wie in Rotterdam oder Amsterdam
oder in manchen Städten Deutschlands — erleich-
tert die gleichmäßige Verteilung der neuen Mutter-
beratungs- und Fürsorgestellen aller Art, der Kin-
dergärten usw., die man gerade in Neubauten unter-
bringt. Die Gemeinde Wien hat so bis jetzt nicht nur
ungefähr 45 000 Wohnungen gebaut, sondern auch
ein Netz von Fürsorgeeinrichtungen geschaffen.
Das ist die Leistung der Wiener Wohnbaupolitik,
daß sie ein Stück kommunaler Lebensgestaltung ist.
Wien hatte eine ungewöhnlich hohe Säuglings-
sterblichkeit: 15 von 100 Neugeborenen starben im
ersten Lebensjahr. Wenn diese Sterblichkeit auf
die Hälfte gesunken ist, so haben neben den be-
kannten Allgemeinbedingungen auch die Fürsorge-
einrichtungen der Gemeinde mitgewirkt. Das Le-
bensglück der Bewohner muß der Maßstab sein, den
wir an eine Wohnbaupolitik legen. Wie viel Leid hat
sie gelindert, wie viel neue Freude hat sie schaffen
helfen? Wie lebt es sich in der neuen Wohnwelt?
Wie sieht diese neue wirkliche Wohnung, wie sieht
dies neue wirkliche Leben aus?
Man könnte noch vielerlei ausdenken. Die Einzel-
küche ist sicher unrationell. Aber die Menschen hän-
gen an ihr, Gemeinschaftsküchen in Häusern erzeu-
gen noch Streit, besser wirken Bezirks- und Fabriks-
küchen. Zentralwäschereien wären rationeller, vor-
läufig ist Vereinigung der Einzelkojen unter den
besten technischen Bedingungen wohl das erfreu-
lichste für die Menschen. In vier Stunden erledigt
die neue Wiener Hausfrau die gesamte Wäsche.
Der moderne Mensch strebt nach gemeinsamem
Sport, gemeinsamem Leben, daneben wünscht er
Ruheorte, einen stillen Balkon, einen stillen Raum
für sich. Die Wiener Wohnhausbauten fördern sol-
ches Glück in erheblichem Maß. Gerade dadurch,
daß die Familie für sich sein kann, ist das Gemein-
schaftsdasein befreit von vielen Belastungen und
kann sich nun erfreulicher und stärker auswirken.
Was die Zukunft in dieser Richtung noch bringen
mag, kann auf die Gestaltung der Gegenwart nicht
einwirken. Die Gegenwart löst ihre Probleme und
bereitet die Zukunft vor.
Die Kindergärten sind dadurch notwendig gewor-
den, daß infolge der Geburtenreglung in den Fami-
lien nur ein oder zwei kleine Kinder sind, die see-
lisch durch die Isolierung gefährdet sind. Der mo-
derne Arzt fordert Gemeinschaftserziehung im In-
teresse seelischer Hygiene. Entstanden waren die
Kindergärten, um die Kleinen dem bedenklichen Ein-
fluß der Straße zu entziehen, also aus einem sehr
drängenden Grunde unmittelbarer Gegenwart. Es
muß daher in den neuen Wohnungsbauten für Kin-
dergärten gesorgt werden, es muß für geeignete
Bademöglichkeiten gesorgt werden, kurzum, für ein
Kinderland.
So gibt es Lebensprobleme verschiedenster Art,
die in umfassender Weise gelöst werden müssen.
Aber auch viele Einzelfragen können so behandelt
werden. Man kann Balkone in langen Reihen an-
ordnen, um so einen pompöseren, pathetischeren
Eindruck zu erzielen, man kann aber auch die Bal-
kone vereinzeln, um so die Familien gegeneinander
abzusondern und so Streitigkeiten zu verhindern.
Manche haben gegen die Balkone Bedenken, und
ziehen Loggien vor, auf denen man schlafen kann.
Wieder andere glauben, daß die Wiener Winde dem
Balkonleben überhaupt nicht günstig seien. Es kann
so einen sozialen Sinn haben, wenn nebeneinander
verschiedene Wohnungstypen bestehen. Aber all
das geht schon ins einzelne.
Die Wiener Wohnbaupolitik muß man als so-
ziale Gesamtleistung ins Auge fassen und
sich fragen, was sie für das wirkliche Leben breiter
Massen durch die wirkliche Wohnung geleistet hat.
Alle diese Bestrebungen haben ihre Schranken in
der heutigen Ordnung. Dies darf man weder im
Großen noch im Kleinen übersehen. Das hieße dem
Utopismus verfallen, mit dem der auf breitester
Lebensbasis ruhende kommunale Wohnungsbau in
Wien wahrlich nichts zu schaffen hat.
REICHSH El MST ATT ENS! EDLU NG DUSSELDORF-GERRESH El M
Wir haben in Heft 7 1930 Lageplan und Bau-
zustandsaufnähme von dieser Siedlung gebracht
und veröffentlichen jetzt die gegenüberstehenden
Bilder mit folgenden Angaben:
Trotz der verlängerten Bauzeit konnten die ver-
anschlagten Baukosten innegehalten werden, sämt-
liche 101 Familienhäuser sind seit Juli 1930 bezogen.
Was die Mieten betrifft, — die ja hier eigentlich
nicht so genannt werden können, da es sich um
Eigentumshäuser mit je 200 qm Gartenland han-
delt —, so benötigen z. B. die Besitzer der Häuser,
die an der langen einseitig nach Süden und Norden
gerichteten Straßenfront liegen, für den monat-
lichen Zins, einschließlich aller Abgaben und ein-
schließlich Amortisation, also auch einschließlich
Garten, Haus, Straßenbaukosten usw. 54,— M. Die-
ser Betrag sinkt ständig, da durch die steigende
Amortisierung die Restverzinsung naturgemäß ge-
ringer wird. Für die 101 Häuser waren etwa 360
Bewerber vorhanden, ein Beweis dafür, wie stark
das Bedürfnis oder der Wunsch nach Eigenheimen
in Form echten Besitzes in Wirklichkeit ist. Die
Feststellung dieser Tatsache dürfte nicht allein für
Düsseldorf Geltung haben.
Wie das Vogelschaubild zeigt, liegt die Siedlung
in einem Vorort von Düsseldorf, etwa 25 m über
einer stark ausgebauten Umgehungsstraße, der
Torfbruchstraße. Sie liegt also „in der Luft" und
ist besonders stark den Windanfällen, aber auch
den Niederschlagsmengen am Grafenberger Walde
ausgesetzt. Auf alle diese Tatsachen mußte na-
türlich bis in einzelne Details hinein besondere
Rücksicht genommen werden.
Das Innenfoto von der Nordseite der langen
Straße und den anstoßenden sechsräumigen Häu-
sern zeigt, daß durch die Anlage der Kurve im stei-
genden und fallenden Gelände am Morgen und am
Abend Sonne in diese Seite hineingebracht wird,
die also niemals als einseitige Nordseite in die Er-
scheinung treten wird. Auch ist der Block über die
Enden der Siedlungsanlage hinaus durch die Innen-
biegung der Kurve gut abgefangen.
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