Gleichzeitig ist nun aber auch noch darauf hin-
zuweisen, daß der Geschmacksmusterschutz in der
Praxis für Gebrauchsgegenstände kaum von Wert
ist. Die Plagiatoren bringen ja stets eine unwesent-
liche Änderung an dem ursprünglichen Objekt an und
werfen diese Ware dann auf den Markt. Dies erfolgt
meist zu Preisen, die wesentlich unter denen liegen,
die von den Firmen, welche ihre Fabrikate im Zu-
sammenarbeiten mit den Künstlern herstellen, aufge-
wendet worden sind. Der Preisunterschied liegt ja,
worauf leider so wenig geachtet wird, nicht nur in
dem Fortfall der Bezahlung für den Künstler, son-
dern auch darin, daß diese Plagiatoren ja überhaupt
keinerlei Unkosten haben für neue Modelle, die oft-
mals geändert werden müssen, bevor sie ihre end-
gültige Form annehmen. Sie sind auch nicht mit
Kosten belastet für Entwürfe und Artikel, die, viel-
leicht künstlerisch hochwertig, beim Publikum nicht
ansprechen. Um einen künstlerisch wertvollen Arti-
kel zu produzieren, der Absatz findet, muß eine
große Anzahl von Modellen hergestellt werden, ohne
daß man vorher weiß, welches der richtige Treffer
ist. Selbstverständlich müssen diese Kosten bei
dem Schlager miteinkalkuliert sein, und es ist leicht,
wesentlich niedrigere Preise zu machen, wenn man
in der Lage ist, abzuwarten, welcher Artikel das
Publikum erobert, und sich dann lediglich auf die
Nachahmung dieses einen Artikels beschränkt. Ganz
besonders stark zeigt sich dies in der Textil-
industrie.
Die Künstlerische Sachverständigenkammer hat
ja in letzter Zeit des öfteren vor der Frage gestan-
den, wie weit Nachahmungen von Entwürfen bekann-
ter Künstler noch als solche anzusprechen sind,
wenn an ihnen Änderungen vorgenommen wurden,
die zwar der Künstler als Abweichungen erkennt,
dem normalen Käufer aber gar nicht ins Auge fal-
ten. Die Künstlerische Sachverständigenkammer hat
sich bei der Beurteilung dieser Frage dem Stand-
punkt genähert, den Herr Geheimrat Wollenberg
zum Ausdruck gebracht hat, d. h. sie tendierte da-
hin, die Nachahmungen im Sinne des Geschmacks-
mustergesetzes zu beurteilen und zu erklären, daß
der fragliche Artikel durch die daran angebrachten
Änderungen mit dem ursprünglichen nicht identisch
sei und daher als Nachahmung im Sinne des Kunst-
schutzgesetzes nicht angesehen werden könne. Tat-
sächlich befriedigt eine derartige Stellungnahme
weder den Künstler, der für Gebrauchsgegenstände
Entwürfe herstellt, noch den Fabrikanten, der diese
Entwürfe erwirbt; denn an sich hätten ja nur Ände-
rungen (nach § 16 des Kunstschutzgesetzes) dann
ein Recht auf Existenz, wenn bei der Benutzung des
Werkes eine eigentümliche Schöpfung hervorge-
bracht würde. Die Entscheidungen der Kunstschutz-
kammer verstoßen aber offentsichtlich gegen den
Standpunkt, den das Reichsgericht wiederholt ein-
genommen hat (Band 33/38 Strafsachen und Band
36/46 Zivilsachen). Hier wurde vom Reichsgericht
darauf hingewiesen, daß auch umfassende Verän-
derungen, die die Eigentümlichkeit des Originals im
wesentlichen unberührt lassen, nicht genügen, um
eine freie Benutzung nach § 16 zu rechtfertigen.
Wenn in der Praxis schon das Kunstschutzgesetz
den Fabrikanten und Künstler nicht wesentlich
schützt, dann muß derSchutz durch das Geschmacks-
mustergesetz aus den oben erwähnten Gründen
als völlig ungenügend bezeichnet werden. Es muß
dahin führen, daß Fabrikanten, die letzten Endes ja
ihre Betriebe zum Zwecke des Gelderwerbs be-
treiben, davon Abstand nehmen müssen, die Mäzene
für diejenigen Betriebe zu spielen, die sofort nach
Erscheinen die neuen Entwürfe der führenden
Firmen kopieren. Daß aber der Zusammenhang
zwischen künstlerischem Schaffen und dem Wirt-
schaftsleben hierdurch mehr geschädigt wird als
durch einen angemessenen Schutz der fraglichen
Künstler und Produzenten, erscheint mir, der ich die
Dinge von der praktischen Seite aus betrachte,
sicher. Wenn man nicht den Standpunkt Proudhons,
daß Eigentum Diebstahl sei, anerkennt, erscheint es
mir nötig, daß das Geschrei der Plagiatoren, die
Wirtschaft dürfe nicht durch übertriebene Rechte
von Künstlern an ihrer Entwicklung gehemmt wer-
den, energisch zurückgewiesen werden muß, beson-
ders wenn man sieht, daß ausgezeichnete Persön-
lichkeiten, die dem künstlerischen Schaffen nahe-
stehen, diesen Schlachtruf nicht als das ansehen,
was es ist, nämlich ein Manöver unlauterer Unter-
nehmen. Erich B. Ledermann
BAUPOLITIK UND BAU Wl RTSC HAFT
ALEXANDER SCHWAB
Berliner Ausstellungspolitik.
Die große Berliner Bau-Ausstellung wird, wenn
diese Zeilen erscheinen, eröffnet sein. Über das,
was sie zeigt, wird später berichtet werden müssen.
Es sind zweifellos große Anstrengungen gemacht
worden, denen eine gerechte Würdigung nicht ver-
sagt bleiben darf. Vorläufig allerdings kann und muß
schon auf einige ausstellungspolitische Gesichts-
punkte hingewiesen werden, die von der Qualität der
ausgestellten Einzelheiten unabhängig sind.
Als im Mai vorigen Jahres der damalige Stadtsyn-
dikus, jetzige Bürgermeister Lange die Ausstellung
„Altes Berlin" eröffnete, erklärte er, hiermit werde
eine neue Ära des Berliner Ausstellungswesens
eingeleitet. Tags darauf nahm Alfons Paquet in
Dresden in einer Rede vor einem großen Kreis maß-
gebender Wirtschaftsführer zu dieser Ankündigung
Stellung; er wies insbesondere darauf hin, wie be-
denklich es ihm scheine, durch die Ausstellungs-
politik der Stadt Berlin ein neues städtebauliches
199
zuweisen, daß der Geschmacksmusterschutz in der
Praxis für Gebrauchsgegenstände kaum von Wert
ist. Die Plagiatoren bringen ja stets eine unwesent-
liche Änderung an dem ursprünglichen Objekt an und
werfen diese Ware dann auf den Markt. Dies erfolgt
meist zu Preisen, die wesentlich unter denen liegen,
die von den Firmen, welche ihre Fabrikate im Zu-
sammenarbeiten mit den Künstlern herstellen, aufge-
wendet worden sind. Der Preisunterschied liegt ja,
worauf leider so wenig geachtet wird, nicht nur in
dem Fortfall der Bezahlung für den Künstler, son-
dern auch darin, daß diese Plagiatoren ja überhaupt
keinerlei Unkosten haben für neue Modelle, die oft-
mals geändert werden müssen, bevor sie ihre end-
gültige Form annehmen. Sie sind auch nicht mit
Kosten belastet für Entwürfe und Artikel, die, viel-
leicht künstlerisch hochwertig, beim Publikum nicht
ansprechen. Um einen künstlerisch wertvollen Arti-
kel zu produzieren, der Absatz findet, muß eine
große Anzahl von Modellen hergestellt werden, ohne
daß man vorher weiß, welches der richtige Treffer
ist. Selbstverständlich müssen diese Kosten bei
dem Schlager miteinkalkuliert sein, und es ist leicht,
wesentlich niedrigere Preise zu machen, wenn man
in der Lage ist, abzuwarten, welcher Artikel das
Publikum erobert, und sich dann lediglich auf die
Nachahmung dieses einen Artikels beschränkt. Ganz
besonders stark zeigt sich dies in der Textil-
industrie.
Die Künstlerische Sachverständigenkammer hat
ja in letzter Zeit des öfteren vor der Frage gestan-
den, wie weit Nachahmungen von Entwürfen bekann-
ter Künstler noch als solche anzusprechen sind,
wenn an ihnen Änderungen vorgenommen wurden,
die zwar der Künstler als Abweichungen erkennt,
dem normalen Käufer aber gar nicht ins Auge fal-
ten. Die Künstlerische Sachverständigenkammer hat
sich bei der Beurteilung dieser Frage dem Stand-
punkt genähert, den Herr Geheimrat Wollenberg
zum Ausdruck gebracht hat, d. h. sie tendierte da-
hin, die Nachahmungen im Sinne des Geschmacks-
mustergesetzes zu beurteilen und zu erklären, daß
der fragliche Artikel durch die daran angebrachten
Änderungen mit dem ursprünglichen nicht identisch
sei und daher als Nachahmung im Sinne des Kunst-
schutzgesetzes nicht angesehen werden könne. Tat-
sächlich befriedigt eine derartige Stellungnahme
weder den Künstler, der für Gebrauchsgegenstände
Entwürfe herstellt, noch den Fabrikanten, der diese
Entwürfe erwirbt; denn an sich hätten ja nur Ände-
rungen (nach § 16 des Kunstschutzgesetzes) dann
ein Recht auf Existenz, wenn bei der Benutzung des
Werkes eine eigentümliche Schöpfung hervorge-
bracht würde. Die Entscheidungen der Kunstschutz-
kammer verstoßen aber offentsichtlich gegen den
Standpunkt, den das Reichsgericht wiederholt ein-
genommen hat (Band 33/38 Strafsachen und Band
36/46 Zivilsachen). Hier wurde vom Reichsgericht
darauf hingewiesen, daß auch umfassende Verän-
derungen, die die Eigentümlichkeit des Originals im
wesentlichen unberührt lassen, nicht genügen, um
eine freie Benutzung nach § 16 zu rechtfertigen.
Wenn in der Praxis schon das Kunstschutzgesetz
den Fabrikanten und Künstler nicht wesentlich
schützt, dann muß derSchutz durch das Geschmacks-
mustergesetz aus den oben erwähnten Gründen
als völlig ungenügend bezeichnet werden. Es muß
dahin führen, daß Fabrikanten, die letzten Endes ja
ihre Betriebe zum Zwecke des Gelderwerbs be-
treiben, davon Abstand nehmen müssen, die Mäzene
für diejenigen Betriebe zu spielen, die sofort nach
Erscheinen die neuen Entwürfe der führenden
Firmen kopieren. Daß aber der Zusammenhang
zwischen künstlerischem Schaffen und dem Wirt-
schaftsleben hierdurch mehr geschädigt wird als
durch einen angemessenen Schutz der fraglichen
Künstler und Produzenten, erscheint mir, der ich die
Dinge von der praktischen Seite aus betrachte,
sicher. Wenn man nicht den Standpunkt Proudhons,
daß Eigentum Diebstahl sei, anerkennt, erscheint es
mir nötig, daß das Geschrei der Plagiatoren, die
Wirtschaft dürfe nicht durch übertriebene Rechte
von Künstlern an ihrer Entwicklung gehemmt wer-
den, energisch zurückgewiesen werden muß, beson-
ders wenn man sieht, daß ausgezeichnete Persön-
lichkeiten, die dem künstlerischen Schaffen nahe-
stehen, diesen Schlachtruf nicht als das ansehen,
was es ist, nämlich ein Manöver unlauterer Unter-
nehmen. Erich B. Ledermann
BAUPOLITIK UND BAU Wl RTSC HAFT
ALEXANDER SCHWAB
Berliner Ausstellungspolitik.
Die große Berliner Bau-Ausstellung wird, wenn
diese Zeilen erscheinen, eröffnet sein. Über das,
was sie zeigt, wird später berichtet werden müssen.
Es sind zweifellos große Anstrengungen gemacht
worden, denen eine gerechte Würdigung nicht ver-
sagt bleiben darf. Vorläufig allerdings kann und muß
schon auf einige ausstellungspolitische Gesichts-
punkte hingewiesen werden, die von der Qualität der
ausgestellten Einzelheiten unabhängig sind.
Als im Mai vorigen Jahres der damalige Stadtsyn-
dikus, jetzige Bürgermeister Lange die Ausstellung
„Altes Berlin" eröffnete, erklärte er, hiermit werde
eine neue Ära des Berliner Ausstellungswesens
eingeleitet. Tags darauf nahm Alfons Paquet in
Dresden in einer Rede vor einem großen Kreis maß-
gebender Wirtschaftsführer zu dieser Ankündigung
Stellung; er wies insbesondere darauf hin, wie be-
denklich es ihm scheine, durch die Ausstellungs-
politik der Stadt Berlin ein neues städtebauliches
199