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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Zum Thema Kunstschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0210

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Er führt aus, daß es zur Zeit de lege lata nicht
möglich sei, Gegenständen der neuen Sachlichkeit,
wenn sie eine ästhetische Wirkung haben, den
Kunstschutz zu versagen. Er ist der Meinung, es
wäre richtig, derartige Dinge, wenn sie keinen aus-
gesprochen künstlerischen Zweck verfolgen, vom
Kunstschutz in Zukunft auszuschließen, weil das Ge-
schmacks- oder Gebrauchsmusterschutzgesetz zum
Schutze derartiger Werke genüge.

Ich möchte mir als Fabrikant von Gebrauchs-
gegenständen (Bauteilen), der in dauernder Verbin-
dung mit Künstlern deren Entwürfe verwertet, ge-
statten, zu diesen Ausführungen Stellung zu nehmen.

Es ist ja heute vielfach die Meinung verbreitet,
daß der Anspruch auf Kunstschutz überspannt wird.
Diese Ansicht wird von Personen zur Geltung ge-
bracht, die der modernen künstlerischen Arbeit fern-
stehen und demzufolge in den Gegenständen, die
heute in schlichter Form auf den Markt kommen, die
künstlerische Leistung nicht erkennen. Aber auch
von anerkannten Persönlichkeiten des Kunstlebens
ist in dieser Zeitschrift schon darauf hingewiesen
worden, daß derartige Schutzrechte in früheren Zei-
ten nicht existierten, daß vielmehr früher die Lei-
stung der Handwerker und handwerklich tätigen
Künstler, aus dem Zeitgeist geboren, stets ähnliche
Motive hervorbrachte, ohne daß damals Kunstschutz
verlangt worden wäre, ja, man hätte diese Idee des
weitgehenden Schutzes gar nicht verstanden. Diese
Ansicht beruht auf einem Irrtum. Es ist uns bekannt,
daß bereits im 15. Jahrhundert in Flandern Kunst-
schutzgesetze existierten und daß im Jahre 1766
in Frankreich sehr weitgehende Bestimmungen erlas-
sen wurden, um die verschiedenen Handwerker und
Künstler, insbesondere auch Metallgießer in ihrem
künstlerischen Schaffen vor Kopisten zu schützen.
Wir sehen hieraus, daß also auch schon in früheren
Zeiten ein derartiger Schutz notwendig war und daß
die unseres Erachtens aus dem allgemeinen Zeit-
geist entsprungene, sich oft wiederholende Leistung
von Handwerkern und Künstlern anderer Stilperioden
oftmals auch nichts anderes war als das Plagiieren,
wie wir es heute haben.

Herr Geheimrat Wollenberg meint nun, der weit-
gehende Schutz des Kunstschutzgesetzes vom
9. Januar 1907 kann einfachen Gebrauchsgegen-
ständen darum nicht zuerkannt werden, weil diese
oftmals im Wirtschaftsleben nicht entbehrt werden
können. Mir erscheint dieser Einwand nicht genü-
gend begründet. Die Verwendung von Tischlam-
pen, Tintenfässern oder Türklinken wird ja keines-
wegs dadurch unmöglich gemacht, daß bestimmte
Formen, die einen ästhetischen Einschlag haben, vor
Nachahmungen geschützt sind. Und wenn das Ge-
setz ausdrücklich vorsieht, daß es keineswegs etwa
auf die künstlerische Leistung ankommt, sondern
auf die individuelle schöpferische Tätigkeit, der
Grad des Kunstwerks also keine Rolle spielt, so ist
nicht einzusehen, warum ein wohldurchdachter,
ästhetisch völlig befriedigender Entwurf, zum Bei-
spiel einer Tischlampe, einen geringeren Schutz ge-
nießen soll als eine schlechte Plastik des „Trom-
peters von Säckingen", der nicht gleichzeitig Zahn-
stocherhalter ist.

Wenn im § 2, Abs. 2 des Kunstschutzgesetzes der
Schutz von Bauwerken, „soweit sie künstlerische
Zwecke verfolgen", ausgesprochen ist, so ist doch

damit lediglich gemeint, daß bei dem Entwurf seitens
des Architekten oder Maurermeisters nicht nur die
Absicht bestehen darf, irgendeine Behausung oder
ein Zweckgebäude zu errichten, also ohne den Ehr-
geiz, auf den Beschauer auch eine ästhetische Wir-
kung zu erzielen. Nur derartige Bauwerke sind dann
auch von dem Kunstschutz ausgenommen, nicht aber
Privatbauten, bei denen der Architekt auch auf eine
ästhetische Wirkung ausgeht. Jedenfalls aber sind
stets die Teile, bei denen die ästhetische Wirkung
beabsichtigt ist, geschützt. Insofern kann also die
Einschränkung bezüglich der Bauwerke nicht als
Präzedenzfall für eine mangelnde Kunstschutzfähig-
keit von Gebrauchsgegenständen angesprochen
werden; denn Bauwerke haben bis auf Denkmäler
fast immer auch einen Gebrauchswert.

Es sei nun noch darauf hingewiesen, daß das Ge-
schmacks- oder Gebrauchsmustergesetz den Anmel-
denden nicht genügend vor Nachahmungen schützt.
Es erstreckt sich dieser Schutz ja nur auf 6 Jahre.
Lediglich Geschmacksmuster können unter erheb-
lichem Kostenaufwand auch auf 12 Jahre oder 15
Jahre angemeldet werden. Wir sehen aber in der
Praxis, daß gerade für die wertvollsten Entwürfe von
Künstlern sich ein öjähriger Schutz als zu kurz er-
weist. Gerade die bahnbrechenden Künstler, also
diejenigen, die ihrer Zeit vorauseilen, würden durch
ein derartiges kurzes Schutzrecht außerordentlich
leiden. Es existieren beispielsweise Entwürfe von
Professor Walter Gropius, die im Jahre 1922 zum
ersten Male verwendet wurden und die damals noch
keineswegs ein allgemeines Interesse erweckten,
sondern mehr als Kuriosa betrachtet wurden und
erst im Jahre 1925/26 und später langsam Eingang
gefunden haben. Das Gefühl für diesen neuen Stil,
den Gropius und seine Freunde, sei es geschaffen,
sei es vorausgefühlt haben, hat sich erst wesentlich
später entwickelt. Daher wäre ein Schutz an den
fraglichen Gebrauchsgegenständen, der auf die ver-
hältnismäßig kurze Zeit von 6 Jahren beschränkt
geblieben wäre, kein Schutz für die Künstler oder
die Fabrikanten gewesen, die es unter erheblichen
Opfern gewagt haben, diese Gegenstände in ihre
Fabrikation aufzunehmen. Den Nutzen hätten viel-
mehr nur diejenigen, die die fraglichen kunstgewerb-
lichen Gegenstände dann, als sie allgemein verlangt
wurden, kopierten. Ein weiterer wichtiger Nachteil
des Geschmacksmusterschutzes und Gebrauchs-
musterschutzes gegenüber dem Kunstschutz liegt
in dem Umstände, daß nach dem Kunstschutzgesetz
§ 31 bereits eine fahrlässige Verletzung der Rechte
eines Dritten, die dieser aus dem Kunstschutzgesetz
geltend machen kann, bestraft wird, während bei
Verletzung von Musterschutzrechten nach § 9 des
Gebrauchsmusterschutzes die Strafe nur denjeni-
gen trifft, der grob fahrlässig handelt, was juri-
stisch ein sehr großer Unterschied ist. Beim Ge-
schmacksmusterschutz kann nach § 14 allerdings
auch die einfache Fahrlässigkeit zu Entschädigungs-
forderungen führen. Es richtet sich aber diese For-
derung nur gegen den unberechtigten Hersteller,
nicht aber gegen denjenigen, der ein Geschmacks-
muster widerrechtlich verbreitet. Das heißt also,
daß es sehr schwer ist, einen Händler, der Kopien
von geschmacksmusterlich geschützten Gegenstän-
den verkauft, zur Verantwortung zu ziehen, wenn
man ihm den Vorsatz nicht nachweisen kann.

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