Kamakura: Japanische Schulmädchen in abendlän-
discher Kleidung / Ecolieres japonaise en costume Occi-
dental Japanese schoolgirl in Western clothing
Mädchenhaus Yoshiwara, Tokio. Muster traditionellen
Leichtholzbaustiles
Type traditionnel du style de construction legere en bois
Typical traditional style of light building, employing wood
Waschküche auf dem Dach für 8 Kleinwohnungen
der Gemeinde Tokio
Buanderie installee sur le toit pour huit petites habitations
Wash-house on the roof, for use by inhabitants of 8 small
dwellings
JAPANISCHE WOHNUNG. ABLEITUNG.
SCHWIERIGKEITEN
RICHARD J. NEUTRA
Das Alte, mit dem man bricht, ist manchmal etwas
ungemein subtil aus dem Gebrauch und unter den
Einflüssen von hundert Wesentlichkeiten Entwickel-
tes. Aber einige von diesen Wesentlichkeiten fan-
gen an, in ihrer Bedeutung zu schrumpfen. Gerade
in Ostasien wird das deutlich, das von allen zivili-
sierten Gebieten den schnellsten Sprung vorwärts
gemacht hat und dabei in allen materiellen Dingen
der Technik, der Organisation, der Erziehung von
dem amerikanischen Vorbild zehrt.
Während vor drei Generationen der Feudaladel
des Shogunats die amerikanische Aktion haßte* die
durch diplomatischen Druck die Öffnung der Insel-
häfen erzwang, hat die junge Generation nicht nur
den handelnden Personen jener Aktion, Admiral
Perry und I. I.Tairo, Denkmäler gesetzt, sondern was
mehr ist, trägt amerikanische Strohhüte, tanzt in
amerikanischen Tanzhallen, sieht amerikanische
Filme, trinkt an Bars drinks, die in U. S. verboten
sind, nicht von Imitation auf kommerziellem und
industriellem Gebiete zu sprechen. Das junge Japan
fühlt sich selbst als amerikanisches Einflußgebiet.
„M o g a", modern girl, heißt der fortschrittliche
japanische „flapper", der gebobbtes Haar trägt,
wie die Kusinen in japanisch Los Angeles oder
Honolulu, und sich auf amerikanisch das Gesicht
herrichtet. Ein s o n g grassierte in Osaka und
Tokyo letzten Sommer, der ein altjapanisches Ge-
dicht veramerikanisiert und travestiert: „Sollen wir"
wird das japanische Girl gefragt, „make love" oder
sollen wir beim Teetrinken bleiben? Sollen wir uns
fortmachen zu einer „ride" auf dem Odiwara Elec-
tric Expreß? — Eben hebt sich in Shinjuku der be-
rühmte Mond der Musashiebene über die Dächer der
5- und 10-cent-stores.
Man kann so einen s o n g nicht ganz wörtlich ins
Deutsche übersetzen, sonst verschwindet das
amerikanische „flavor".
Wenn wir uns nun von diesen Americano-Ja-
panern, die Baumwollregenschirme und Lederschuhe
tragen, dem traditionellen japanischen Haus
und seinem Gebrauch zuwenden, so finden wir fol-
gendes:
Massenhafte Zusammenkünfte im geschlossenen
Raum gibt es außerhalb des Theaters nicht. In der
typischen Gastwirtschaft wie im Teehaus sitzen
kleine Gruppen in chambres particuliers, die das
Privathaus für exklusive Geselligkeit nachahmen.
Das Haus wie der einzelne Raum ist auf verklei-
nerte Menschenmaße abgestimmt. Die Präzision
der Kleidung und Gesichtsbehandlung der Frauen,
die Sauberkeit der Bauarbeit und Ausstattung, die
Exaktheit der Rollgemälde verträgt Betrachtung auf
geringste Distanz. Sehr viele Japaner sind
kurzsichtig.
Der Tanz ist statuarisch, nicht raumgreifend, son-
dern auf kleinsten Raum zugespitzt. Kein lärmender
Rhythmus wird getreten, kein Hartboden ist er-
forderlich noch vorhanden. Die Mädchen tanzen
in den Stoff„tabis".1) Gemischt-geschlechtlich wird
nicht getanzt, kein Platz ist hierfür vorgesehen^
1) Stoffschuhe.
92
discher Kleidung / Ecolieres japonaise en costume Occi-
dental Japanese schoolgirl in Western clothing
Mädchenhaus Yoshiwara, Tokio. Muster traditionellen
Leichtholzbaustiles
Type traditionnel du style de construction legere en bois
Typical traditional style of light building, employing wood
Waschküche auf dem Dach für 8 Kleinwohnungen
der Gemeinde Tokio
Buanderie installee sur le toit pour huit petites habitations
Wash-house on the roof, for use by inhabitants of 8 small
dwellings
JAPANISCHE WOHNUNG. ABLEITUNG.
SCHWIERIGKEITEN
RICHARD J. NEUTRA
Das Alte, mit dem man bricht, ist manchmal etwas
ungemein subtil aus dem Gebrauch und unter den
Einflüssen von hundert Wesentlichkeiten Entwickel-
tes. Aber einige von diesen Wesentlichkeiten fan-
gen an, in ihrer Bedeutung zu schrumpfen. Gerade
in Ostasien wird das deutlich, das von allen zivili-
sierten Gebieten den schnellsten Sprung vorwärts
gemacht hat und dabei in allen materiellen Dingen
der Technik, der Organisation, der Erziehung von
dem amerikanischen Vorbild zehrt.
Während vor drei Generationen der Feudaladel
des Shogunats die amerikanische Aktion haßte* die
durch diplomatischen Druck die Öffnung der Insel-
häfen erzwang, hat die junge Generation nicht nur
den handelnden Personen jener Aktion, Admiral
Perry und I. I.Tairo, Denkmäler gesetzt, sondern was
mehr ist, trägt amerikanische Strohhüte, tanzt in
amerikanischen Tanzhallen, sieht amerikanische
Filme, trinkt an Bars drinks, die in U. S. verboten
sind, nicht von Imitation auf kommerziellem und
industriellem Gebiete zu sprechen. Das junge Japan
fühlt sich selbst als amerikanisches Einflußgebiet.
„M o g a", modern girl, heißt der fortschrittliche
japanische „flapper", der gebobbtes Haar trägt,
wie die Kusinen in japanisch Los Angeles oder
Honolulu, und sich auf amerikanisch das Gesicht
herrichtet. Ein s o n g grassierte in Osaka und
Tokyo letzten Sommer, der ein altjapanisches Ge-
dicht veramerikanisiert und travestiert: „Sollen wir"
wird das japanische Girl gefragt, „make love" oder
sollen wir beim Teetrinken bleiben? Sollen wir uns
fortmachen zu einer „ride" auf dem Odiwara Elec-
tric Expreß? — Eben hebt sich in Shinjuku der be-
rühmte Mond der Musashiebene über die Dächer der
5- und 10-cent-stores.
Man kann so einen s o n g nicht ganz wörtlich ins
Deutsche übersetzen, sonst verschwindet das
amerikanische „flavor".
Wenn wir uns nun von diesen Americano-Ja-
panern, die Baumwollregenschirme und Lederschuhe
tragen, dem traditionellen japanischen Haus
und seinem Gebrauch zuwenden, so finden wir fol-
gendes:
Massenhafte Zusammenkünfte im geschlossenen
Raum gibt es außerhalb des Theaters nicht. In der
typischen Gastwirtschaft wie im Teehaus sitzen
kleine Gruppen in chambres particuliers, die das
Privathaus für exklusive Geselligkeit nachahmen.
Das Haus wie der einzelne Raum ist auf verklei-
nerte Menschenmaße abgestimmt. Die Präzision
der Kleidung und Gesichtsbehandlung der Frauen,
die Sauberkeit der Bauarbeit und Ausstattung, die
Exaktheit der Rollgemälde verträgt Betrachtung auf
geringste Distanz. Sehr viele Japaner sind
kurzsichtig.
Der Tanz ist statuarisch, nicht raumgreifend, son-
dern auf kleinsten Raum zugespitzt. Kein lärmender
Rhythmus wird getreten, kein Hartboden ist er-
forderlich noch vorhanden. Die Mädchen tanzen
in den Stoff„tabis".1) Gemischt-geschlechtlich wird
nicht getanzt, kein Platz ist hierfür vorgesehen^
1) Stoffschuhe.
92