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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Schuster, Karl: Ein Entwurf zum Umbau des Lettners aus dem Jahre 1704
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0050

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Kleine Mitteilungen und Anzeigen



mittleren Joche des Lettners gewonnen werden sollte.
Von der als Musiktribüne dienenden Plattform wären
dadurch nur zwei weit auseinanderliegende kleine Reste
von geringer Verwendbarkeit übrig geblieben, auch wäre
das Fremdartige der Renaissancehallen durch die Auf-
hebung der Zusammengehörigkeit noch mehr aufgefallen.

Eine Schwierigkeit ergab sich bei der Neugestal-
tung der Treppe. Nach dem Grundriss wäre der Stuhl
der östlichen Säulen der neuen Seitenfacaden auf die
Stufen der Treppe zu stehen gekommen; im Aufriss ist
die Treppe hinter den Säulenstuhl gelegt. Keine der
beiden Darstellungen gibt eine genügende Lösung der
Aufgabe. Im Grundriss sind deutlich acht Stufen zu er-
kennen, während ich in dem obengenannten Aufsatze
nur fünf angenommen hatte. Der Boden des Chores
hat so mannigfaltige Veränderungen erfahren, dass an
dem Bau selbst der Zustand zur Zeit der Erbauung des
Lettners sich nicht mehr unzweifelhaft feststellen lässt.
Da der Boden des untern Chores bis zu den obern
Chorstufen jetzt etwa 50 cm ansteigt, würden sich auch
bei acht Stufen für meine Rekonstruktion des Lettners
keine Unzuträglichkeiten ergeben, wenn man annehmen
will, dass der Boden früher eben war, also vornen höher
lag. Ich hatte die Aussage Geißingers: „wo man bei
zehn Stapfen hoch in den Chor aufwärts steigen muss"
als für die untere und obere Chortreppe zusammen-
genommen verstanden, während er wohl für die untere
Treppe allein „bei" (im Sinne von etwa) zehn Stufen
meinte. Nach der Bluemschen Zeichnung ist nicht zu
bezweifeln, dass tatsächlich acht Stufen vorhanden waren.

Für den Aufgang zu den Plattformen über den
beiden Lettnergewölben sind keine Treppen eingezeichnet;
man wird annehmen dürfen, dass solche entweder schon
vorhanden waren, der von Altermadt projektierte Um-
bau also damals schon ausgeführt war, oder wenigstens
auf dieses Projekt zurückgegriffen werden sollte. Eine
zeichnerische Darstellung der Treppen auf dem Blatte
von 1704 konnte alsdann unbeschadet der Deutlichkeit
wegbleiben.

Die Zwickelfiguren, deren frühere Reihenfolge jetzt
nicht mehr festzustellen ist, sind leider nicht ein-
gezeichnet. Die Vierungspfeiler sind viel zu klein aus-
gefallen, es fehlt an jedem ein Dienst, auch fielen die
Achsen der beiden dargestellten Lettnerjoche nicht mit
der Achse des Vierungspfeilers zusammen. Die Ge-
wölbe sind im Grundriss als längliche Rechtecke dar-
gestellt, was jedenfalls falsch ist, denn wenn die Ge-
wölbe nicht quadratisch waren, so waren die Schild-
bögen und die Arkadenbögen an der längern Seite nicht
konzentrisch; eine so ungeschickte Anordnung dürfen
wir aber dem Erbauer des Lettners jedenfalls nicht
zutrauen.

• Einiges Neue erfahren wir aus der Bluemschen
Zeichnung über dekorative Einzelheiten. Das Netz der
Gewölberippen war reicher verschlungen, als die noch
erhaltenen Anfänger vermuten ließen; es waren Rippen
an den Schildbögen vorhanden und Maßwerk in den Mittel-
feldern. Die Postamente der Brüstung trugen Kugeln.
Das Maßwerk der Brüstung hatte die gleiche Zeichnung,
wie das noch jetzt vorhandene, doch kann letzteres nicht
das ursprüngliche sein, weil es roher gearbeitet und
aus anderem Material ist als der Lettner. Geißinger
gibt allerdings ein Maßwerk von anderer Anordnung,
doch dürfen wir uns jedenfalls in diesem Punkte eher
auf die neu gefundene Zeichnung verlassen.

Johann Christoph Rieher, der den vorliegen-
den Plan zum Umbau des Lettners im Münster aus-
geheckt und durch den Steinhauer Bluem zur bleiben-
den Darstellung hat bringen lassen, war kein Architekt
oder ein sonstwie fachmännischer Bauverständiger, son-
dern ein Laie und von Haus aus Apotheker, aber ein
großer Liebhaber des Bauwesens. Er ist ein Nach-
komme der mit einem gewissen Rudolf im Jahre 1526
zu Freiburg in den Besitz des Bürgerrechts gelangten
Familie Rieher, die auch anderweitig durch ihren Sinn
für Wissenschaft und Kunst vorteilhaft bekannt ist1.
Gleich dem ersten Freiburger des Namens war auch
Johann Christoph Rieher jahrzehntelang als städtischer
Rats-, Amts-, Vogt- und Bauherr tätig; in dem in Rede
stehenden Jahre 1704 war er Oberstzunftmeister und mit
dem Bürgermeisteramtsstatthalter Johann Stephan Bayer
Pfleger von U. L. Frauen Bau, 1715 bekleidete er
das Bürgermeisteramt. Aus dem Jahre 1679 ist im Stadt-
archiv eine Baurelation von seiner Hand vorhanden,
worin er seine bis dahin im städtischen Baufach bewie-
senen Dienste zusammenstellt. Diese Relation umfasst 33
Nummern und enthält außer andern das Münster be-
treffenden Ausführungen verzeichnet, unter 1) „Die
Brandwein-Häuslein vor dem Minster hinweggetan und
hingegen die zwei Gatter hingemacht"; unter 10) „Die das
ganze Minster zierende Altar darinen aufrichten lassen";
unter 11) „Die große Monstranz und den silbernen Joseph
in dem Minster angegeben"; unter 12) „Die so rüemblich
und zierlich vor dem Minster stehende Säulen erfunden";
unter 13) Den Carolum Borromeum zue groser Zierde auf-
setzen lassen"; unter 26) „Das Model von der grosen
Orgel wie auch von dem Lethner im Minster auf
meine Kosten machen lassen, davor bezahlt mehr als
60 fl." usw. Was unter diesem Modell des Lettners zu
verstehen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

1 Vgl. P. Albert, Die Geschichtschreibung d. Stadt Frei-
burg i. Br. in alter und neuer Zeit. Freiburg i. Br. 1902 S. 33f.
Anm. 1.


 
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