Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 5.1909

DOI Artikel:
Kempf, Friedrich: Die Windfänge im Querschiff des Freiburger Münsters
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2635#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
60

Kempf, Die Windfänge im Quersciiiff des Freiburger Münsters

entfernt, das Holzwerk abgelaugt und der für „Echt-
heit des Materials" schwärmenden Zeitmode ent-
sprechend, im Holzton gebeizt und nur stellenweise,
z. B. an den Bandumschlägen, leicht getönt.

Schließlich hat man die Windfänge samt den
Decken mit einem dicken, grauen Ölfarbenanstrich
überzogen, welcher bis in die jüngste Zeit hinein
die schönen Zeichnungen stark beeinträchtigt und den
Blicken des Vorübergehenden nahezu entzogen hat.

Den Flachschnitzereien, wenigstens jenen der
Südseite, scheint ein tiefer symbolischer Sinn zu
Grunde zu liegen.

Sterne stehen und von der Dextra Dei ebenfalls
Strahlen ausgehen.

Weiterhin dürfte die Zeichnung als eine Äuße-
rung der Trinität in ihrem Wirken unter der Mensch-
heit aufzufassen sein. Das wunderbar verschlungene
Band, dessen Ende zum Anfang zurückkehrt, be-
deutet wohl: Ich bin der Anfang und das Ende, das
Alpha und Omega, also die Wirksamkeit Gottes unter
den Menschen, deren Lebenswege so labyrinthisch-
rätselhaft und unbegreiflich sind. Der ganze Zweck
dieses Heilswerkes ist also die Rückführung der
Menschen zu Gott, von dem sie ausgegangen sind.

Decke des nördlichen Windfangs.

Vielleicht ist die Darstellung ein Symbol des
Schöpfungs- und Erlösungswerkes: Christus mit dem
Wundmale der Hand, dargestellt als Finger der Hand
Gottes (Digitus paternae dextrae) und beide zusam-
men mit den sieben Strahlen des hl. Geistes in
gleichem Maße am Schöpfungsakte beteiligt, weil
die sieben Gaben des hl. Geistes sich im Schöp-
fungswerke widerspiegeln, weshalb die Strahlen, die
schöpferische Emanation, die Bandrolle durchbohren.

Die Mondsichel im Wolkenkranz mag das Ant-
litz des Himmels oder Firmaments versinnbilden, so
wie auf dem Taufbecken in Lüttich, wo in einer
ganz ähnlichen Darstellung statt des Mondes drei

Das Band ist auch vergleichbar mit dem Laby-
rinth, dem sicherlich, nach sonst vielfach angebrachten
Inschriften und besonders schon seiner Gegenüber-
stellung zum Sündenfall und dessen Sühnung wegen,
ein ethisch-religiöser Sinn zukommt1.

Dass der Bildschnitzer, dem die Darstellung zur
Ausführung aufgetragen war, sie selbst speziell für
den vorliegenden Zweck entworfen und dabei so
tiefsinnige symbolische Gedanken zum Ausdrucke
hat bringen wollen, scheint indes nicht recht wahr-

1 Vgl. Jos. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes und seiner
Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters. Freiburg i. Br.
1902 S. 350.
 
Annotationen