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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 6.1910

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Münzel, Gustav: Der Dreikönigs-Altar von Hans Wydyz im Freiburger Münster (Fortsetzung)
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https://doi.org/10.11588/diglit.2638#0067

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Münzel, Der Dreikönig-Altar von Hans Wydyz im Freiburger Münster

Eine allgemeine Ähnlichkeit besteht auch in der
Körperbildung der Kinder.

Die Gleichheit des Meisters in beiden Darstel-
lungen ist unverkennbar, obwohl natürlich wegen
des hohen Standortes alle Formen in der Rosette
breiter angelegt und kräftiger herausgearbeitet werden
mussten.

Bei der zweiten Rosette mit dem schildtragenden
Engel wird die Umrahmung in sehr interessanter und
wirkungsvoller Weise dadurch gebildet, dass auf dem
schmalen, gotisch profilierten Rand der Rosette die
Außenseiten der Flügel nach innen so umgeschlagen
sind, dass sie den eigentlichen Rosettenrahmen bilden.
Der Engel selbst hält das Freiburger Wappenschild,
an das er beide Arme anlegt, am untern Rande ge-
fasst. Um das weiche, volle Gesicht sind die Locken
symmetrisch angeordnet, und ihre Auflösung in ein-
zelne Haarwellen erinnert an die Haarbehandlung
bei Melchior auf dem Dreikönig-Altar.

Die dritte Rosette zeigt in einem Lorbeerkranz
unter dem Herzogshut ein Wappen, dessen qua-
drierter Schild im ersten und vierten Felde das öster-
reichische Hauswappen, die silberne Binde auf rotem
Grund, und im zweiten und dritten Feld das Wappen
Niederösterreichs, fünf goldene Adler auf blauem
Grunde, hat.

Sehr ornamental wirkt die Geschlossenheit der
Komposition bei diesen drei Rosetten. Das Ver-
hältnis von Rahmen und Fläche wie ihre Füllung ist
ausgezeichnet gelungen. Besonders hervorzuheben
ist dabei die Anordnung der Flügel des Engels, deren
Gefieder, in verschiedenen Richtungen gelagert, den
ganzen Kreis bedeckt, bis auf einen freigelassenen
nimbusartigen Raum um den Kopf, wodurch dieser
um so mehr hervortritt.

Obwohl der Umfang der Rosetten eine monu-
mentale Auffassung erlaubt hätte, geht die beabsich-
tigte Wirkung bei Wydyz auf das Dekorativ-Orna-
mentale, welche Behandlung seiner Aufgabe dem
Charakter des Meisters entsprach.

Diese Rosetten sind es, durch deren Datierung
in den Rechnungsbüchern die Anwesenheit von Wydyz
in Freiburg für 1510 festgestellt werden kann1. —

1 In Freiburg selbst ist kein weiteres Werk bekannt, das
auf Wydyz zurückginge. Möglicherweise waren noch andere
Arbeiten von ihm im Münster vorhanden. Es liegt nahe, dabei
an den ursprünglichen Altar der Stürzelkapelle zu denken, da
der jetzige sicher nicht deren erster Altar gewesen ist. Von ge-
schätzter Seite wurde die Meinung ausgesprochen, dass auch
die Predella vom Hochaltar des Freiburger Münsters ein Werk
des Wydyz sei. Allein diese Predella mit der Darstellung
der Drei Könige (die Beschreibung dieser Predella siehe bei
Baumgarten: Der Freiburger Hochaltar S. 58ff. und Taf. 5)
gehört Wydyz nicht zu, sondern steht in Beziehung zu dem
Meister der Schnewlin-Madonna, wie eine Vergleichung er-
gibt. Es lag nahe, auch in Buchheim nach Werken des Wydyz

Einige andere Werke wurden schon auf Grund
der Stilvergleichung mit dem Altar von Burckhardt
dem Wydyz zugewiesen. Er nimmt an der erwähn-
ten Stelle vier Gruppen von Werken als Eigentum
des Wydyz an2. Es sind dies eine kleine Buchs-
baumgruppe Adam und Eva im Historischen Museum
in Basel, drei ebenfalls dort befindliche Kruzifixe,
das Martyrium des hl. Sebastian im Kaiser-Friedrich-
Museum, und eine Gruppe des gekreuzigten Christus
zwischen den beiden Schachern (Sammlung Clemens
in München) und den dazu gehörigen Figuren von
Maria und Johannes (Sammlung Reichenheim in
Berlin).

Nur einer von diesen Zuschreibungen kann im
folgenden beigetreten werden. Als Arbeit von Wydyz
wird die Buchsbaumgruppe Adam und Eva durch
eine Reihe von Momenten gesichert, während durch
die stilkritische Prüfung bei den übrigen Werken die
Annahme der Autorschaft des Wydyz als unzulässig
erscheint.

Zunächst besteht bei der ungefähr 15 cm hohen
Basler Gruppe von Adam und Eva eine weitgehende
Ähnlichkeit in der Körperbildung des Adam mit der
des Schmerzensmannes auf dem Aufsatz des Drei-
könig-Altars. Sehr bezeichnend ist die Gleichheit
der starken gedrungenen Beinform mit den nach innen
eingebuchteten Oberschenkeln, den kräftig heraus-
gearbeiteten Knieen und den langgestreckten Füßen.
Ungemein charakteristisch ist, dass bei dieser Bein-
form, worauf hier besonders hingewiesen werden soll,
die beiden Körper die gleichen schmächtigen Arme
zeigen. Ebenso haben beide Gestalten gleichartige
Faltenlinien der Haut. Die gleiche Art der Kopf-
haltung dient dem Künstler bei Joseph vom Drei-
könig-Altar wie bei Adam zur Unterstützung des
Empfindungsausdrucks; auch in der Gesichtsbildung
von Maria und Eva besteht einige Verwandtschaft,
namentlich in der Stirnform. Gleichfalls überein-
stimmend ist die technische Verbindung der Figuren

zu suchen, da Buchheim sich zur Zeit des Wydyz im Besitze
jenes Stürzel befand, der das Freiburger Werk für seine Stadt-
wohnung anfertigen ließ. Vielleicht hatte Wydyz auch für Buch-
heim gearbeitet. Doch findet sich heute in der Buchheimer
Kirche nur noch eine einzige Skulptur aus jener Zeit, eine in
Holz gearbeitete, modern polychromierte Anna Selbdritt mit
beiden Kindern auf dem Schoß (Die Kunstdenkmäler des Groß-
herzogtums Baden. 6. Bd. 1. Abt. 1904 S. 289. Die Figur ist jetzt
nicht mehr, wie dort steht, im Langhaus, sondern im Chor). Man
kann sie trotz einiger Übereinstimmung der Faltengebung nicht
als ein Werk des Wydyz ansehen, da sie einen konventionellen
Stil aufweist, der ohne besondere künstlerische Bedeutung ist.
2 Dort auch Abbildungen der besprochenen Werke, doch
fehlen dabei diejenigen der Figuren von Maria und Johannes
auf dem Freiburger Altaraufsatz, auf die Burckhardt nicht weiter
eingeht, und ebenso die Abbildungen der Kreuzigungsgruppe
bei Clemens in München mit den zugehörigen Figuren von
Maria und Johannes in Berlin.
 
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