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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 7.1911

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Sauer, Joseph: Reste alter Wandmalereien im Freiburger Münster: 1. Die St. Peter- und Paulskapelle und ihre Wandgemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.2639#0025

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Sauer, Reste alter Wandmalereien im Freiburger Münster

Paul Teckinger denken, dessen Pfründestiftung nicht der Sammlung Lippmann in Berlin, die dem 14. Jahr-
näher bekannt ist, aber jedenfalls in die Zeit von 1364 hundert und dem französischen Süden angehören3,
und 1400 fällt. Die gewöhnliche Annahme über das Hier liegen nahe verwandtschaftliche Beziehungen
Alter der Malerei und in etwa auch ihren reiferen mit Werken wie dem Konstanzer Nikolauszyklus oder
Stil würde einer Beziehung auf diesen spätem Donator den großzügigen Einzelgestalten der Augustinerkirche
allerdings mehr entsprechen, aber die größere ge- bereits vor. Mit all diesen Werken hat aber unser
schichtliche Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass der Freiburger Bild nichts zu tun. Hier herrscht noch aus-
Donator unter dem Kreuz der St. Peter- und Pauls- gesprochene Trecentokunst und eine, wie schon be-
kapelle der Pfarrektor von Amoltern ist, der die erste tont, viel stillere, sanftere Art vor, die erheblich von
und bedeutendste Pfründe hier errichtet hat und nach der sonstigen Realistik am Oberrhein absticht. Ich
dem späterhin oft kurzerhand das Chörlein genannt wäre eher geneigt, an eine Mischung von burgundi-
wurde. Trifft das zu, dann ist das Wandbild schon sehen und kölnischen Einflüssen zu denken. Aber
rund um 1350 anzusetzen; es ist dann nahezu gleich- bei der Frage, wie sie hierher gelangt sind, befinden
zeitig mit dem Konstanzer Gemälde entstanden. Seine wir uns in undurchdringlichem Dunkel. Wir haben
größere stilistische Reife würde sich aus dem größern aus so früher Zeit weder in Freiburg noch in seiner
formalen Können des Künstlers erklären und böte nächsten Umgebung irgend ein Werk der Malerei,
ebensowenig Schwierigkeiten wie die entsprechenden das es ermöglichte, eine Entwicklungsreihe herzu-
Fortschritte des Klosterneuburger Tafelbildes über stellen und den Werdegang einer Lokalschule näher
das etwas spätere Konstanzer hinaus. Im allgemeinen zu verfolgen. Die Kreuzigung der St. Peter- und
hat man bisher das Freiburger Wandgemälde etwas Paulskapelle steht in einsamer Größe da und groß und
später angesetzt, wohl hauptsächlich, weil man die meisterhaft ist diese Schöpfung, so dass wir nur einen
Entstehung der ganzen Kapelle überhaupt erst in die ganz hervorragenden und in bester Schule durch-
zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts verlegte. Friedr. gebildeten Meister als ihren Urheber annehmen kön-
Kempf lässt es ganz allgemein im 14. Jahrhundert nen. Das Bild ist eine der vollendetsten
entstanden sein1; nach Gramm, der sich aber haupt- Proben süddeutscher Frühkunst und hat alles
sächlich nur mit der ikonographischen Seite des Wer- Anrecht darauf, in den kunstgeschichtlichen Zusam-
kes beschäftigte, fällt es „gegen 1400" -. Das deckt menhang eingereiht zu werden,
sich wohl indirekt mit der Auffassung von Geiges, Die Hauptbeschädigungen der Malerei rühren
der die Glasmalereien der Kapelle an „die Wende wohl größtenteils aus der allerneuesten Zeit nach
des 14. Jahrhunderts" verlegt. Ist das Bild erst so spät Beseitigung des Altars, der nach der Buckeisenschsn
entstanden, dann weist es einen solchen stilistischen Chronik 1790 entfernt wurde4, her. Nach der Weg-
Abstand von den von Gramm publizierten Wand- nähme des Lettners vom Choraufgang und seiner ge-
malereien in der Silberkammer des Münsters und trennten Aufstellung in den beiden Querschiffarmen hat
denen der Augustinerkirche in Konstanz auf, dass er man den jetzt als Musikchor in Verwendung genom-
unmöglich durch die zeitliche Entfernung von 10 bis menen, im nördlichen Querschiff aufgestellten Teil
20 Jahren, die man annehmen müsste, sich erklären durch eine Treppe zugänglich machen müssen. Das
ließe. Diese Werke des zweiten und dritten Jahr- dürfte noch Ende des 18. Jahrhunderts geschehen sein,
zehnts des 15. Jahrhunderts verraten eine kräftige jedenfalls ist der Treppenaufstieg bereits im Plan des
Plastik in der Modellierung, eine sichere Individuali- Schreib ersehen Führers vom Jahre 1820 eingezeichnet,
sierung und eine Lebendigkeit des Ausdrucks, die Es ist eine gewöhnliche Holztreppe, deren Anlage
man kaum in den allerprimitivsten Versuchen in dem aber doch manche bedenkliche Wirkungen in der
Freiburger Gegenstück finden kann. Zur Kennzeich- Kapelle gehabt hat. Denn sehr wahrscheinlich ist erst
nung des Stilcharakters der genannten Konstanzer ihr der Altar zum Opfer gefallen; ebenso wurden
Schöpfungen hat man auf böhmische und indirekt die Basen der östlichen Wanddienste abgemeißelt,
italienische, hauptsächlich aber auf burgundische Ein- Offenbar ist auch zur bessern Beleuchtung des Treppen-
flüsse aufmerksam gemacht. Ich würde namentlich aufgangs der größere Teil der Glasgemälde beseitigt
die letzteren unbedingt betonen und sie allgemein als worden; die schlimmste Folge aber hatte das Wand-
Einflüsse der neuen französischen Richtung charak- bild zu tragen. Durch die oft nassen Kleider der
terisieren. Zum Beweis dessen wären Werke heran- die enge Treppe begehenden Sänger und Sänge-
zuziehen wie die auf der Exposition des primitifs
français 1904 in Paris ausgestellten Tafeln einer An-
betung der drei Könige und eines Todes Maria aus

Kempf und Schuster, Das Freiburger Münster S. 126.
A. a. O. S. 27.

3 Abbildung in Les Arts 1904 Nr. 28 p. 3.

1 Freiburger Adresskalender 1897 S. 23. „Bei dieser Ge-
legenheit kamen folgende Altäre hinweg . . . Peter und Paul-
Kappel nebst dem Altar, wo jezund die hölzerne Stieg auf den
neu gebauten Seiten-Chor geht."
 
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