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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Kreuzer, Emil: Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0066

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Kreuzer, Der leitende Grundgedanke des Bildersehmucks am Münsterhauptportal

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deutung in der Vorhalle wieder als besonderes Wider- gerade auf die sieben freien Künste die törichten

spiel zu der des Gleißners, als Verkörperung des Jungfrauen mit den erloschenen Lampen ohne Öl,

„Vigilare", des Strebens nach Wahrheit durch An- den schlafbefangenen Augen, und die Synagoge mit

Spannung der geistigen Kräfte. Die Legende der der Binde um die Augen.

hl. Katharina erzählt, dass sie in den weltlichen Wenn auf der andern Seite der Gleißnerei, der

Wissenschaften so wohl unterrichtet war, dass sie in Verführung des Geistes, die sinnliche Begierde, die

öffentlicher Disputation vor dem Kaiser die heidni- Verführung des Herzens und der Sinne, als natür-

schen Philosophen siegreich widerlegte. Sie ist des- liehe Genossin und Gehilfin in den „Werken der

halb zur Patronin der philosophischen Fakultäten Finsternis" beigesellt ist, so fehlt hier auch deren

— auch der Freiburger — und der Universität Paris besonderes Widerspiel zur Seite der hl. Katharina

gewählt worden. An ihrem
Altare im Münster, ehemals
zwischen westlicher Sakristei-
tür und südlichem Hahnen-
turmdurchgang, pflegte die
Universität ihr Fest feierlich
zu begehen.

Wie sich der Gleißner an
den Geist wendet, um ihn zu
verwirren und zu „Werken
der Finsternis" zu verführen,
so erscheint sonach in St.
Katharina im Gegensatz dazu
die geistige Zucht, die Ver-
wendung der Wissenschaften
als „Waffen des Lichtes" zur
Unterscheidung von Irrtum
und Wahrheit, zur Entlarvung
von trügerischer Gleißnerei
und Versuchung, zur Begrün-
dung des Glaubens, zur Er-
kenntnis und Beschreitung
des Weges des Herrn. Darum
finden wir auf derselben Seite
die sieben „freien Künste",
die Profanwissenschaften, als
natürliche Hilfsmittel im
Dienste der Gotteserkenntnis,
der Erkenntnis und Apologie
der christlichen Wahrheit,
dargestellt. Sie sind die Hilfs-
wissenschaften der Theologie, wenn es sich darum

Abb. 10. Postament der Gruppe der Heimsuchung.
Martyrium des hl. Johannes Ev.

nicht. Es ist die hl. Marga-
reta von Antiochien'1. Nach
der Legende suchte, da sie
sehr schön war, der Präfekt
Olybrius sie für seine sinn-
liche Neigung zu gewinnen
und zu diesem Zwecke mit
allen Mitteln dem Christen-
tum abwendig zu machen. Der
Teufel selbst in Gestalt eines
Drachen suchte sie im Kerker
zu schrecken und der Verfüh-
rung zugänglich zu machen.
Aber sie überwand die Macht
der Hölle durch das Zeichen
des heiligen Kreuzes. Das
Zeichen des heiligen Kreuzes
aber versinnbildet das ver-
trauensvolle Gebet, die ver-
trauensvolle Hinwendung des
Herzens zu Gott. So erscheint
St. Margareta in höchst tief-
sinniger Weise als besonderer
Gegensatz zu der Voluptas,
als Überwinderin der Verfüh-
rung zur Sinnenlust und der
verkehrten Neigungen des
Herzens im Namen Christi,
die besondere Repräsentantin
der christlichen Hoffnung, des
„Orare".
Gegenüber den Bildern der „freien Künste", der

handelt, „die Wege des Herrn zu bereiten, gerade natürlichen Erkenntnis, finden wir nun Repräsen-

zu machen seine Pfade" (Evang. des dritten Advent-
sonntages Lk. 3, 3 ff.)1.

Aber ohne das Gebet führen sie nicht zum Ziel.
Dieses kann nur durch übernatürliche Erleuchtung er-
reicht werden; zum Vigilare muss das Orare, die Erhe-
bung des Herzens zu Gott, das Erflehen seines Gnaden-

tanten der göttlichen Offenbarung, der übernatür-
lichen Erkenntnis. Vor allem Johannes den Täufer,
von dem die Evangelien des zweiten, dritten und
vierten Adventsonntages und des Quatembersamstages
im Advent erzählen.

Im Evangelium des zweiten Adventsonntages sagt

beistandes, hinzutreten. Darum folgen zur Warnung Jesus (Mt. 11, 9 ff.) von ihm: „Fürwahr, ich sage euch,

einen, der mehr ist als ein Prophet" (seid ihr hinaus-
1 Bei dieser Gelegenheit sei die Vermutung gestattet, dass gegangen zu sehen). „Denn dieser ist's, von dem ge-

die vielumstrittene zweite dieser „Künste" von Margareta an
die „Astronomie" und die Palette, die sie infolge einer

späteren „Restauration" trägt, ein missverstandener Sextant ist. - Vgl. Bock a. a. O. S. 8.
 
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