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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Flamm, Hermann: Hans Diesenberger von Graz, Werkmeister des Freiburger Münsterchors 1471-1491
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0074

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Flamm, Hans Niesenberger von Graz, Werkmeister des Freiburger Münsterchors 1471 —1491

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Niessenberger von Graz" gibt die Freiburger An-
stellungsurkunde von 1471 '. Die Identität dieser
beiden Meister von Graz hat Klemm durch Veröffent-
lichung einer Weissenauer Urkunde von 1477, die
von „Meister Hans Niissenberger, Steinmetz aus
Grätz" ausgestellt ist, unzweifelhaft festgestellt. Als
Heimat des Künstlers haben endlich Graus und
Peinlich Graz, die steiermärkische Hauptstadt im
Murtal, nachgewiesen. Dort kommen in den mit
den letzten Jahren des sechzehnten Jahrhunderts be-
ginnenden Kirchenbüchern eine Reihe von Trägern
dieses Namens vor2. Was an dieser Lokalisierung
wegen der großen Lücke von fast anderthalb Jahr-
hunderten vom ersten Auftreten Niesenbergers bis
gegen 1600 noch zweifelhaft sein könnte, behebt
vollends eine Notiz, die ich in
einem Aufsatz über die Pfarrei
St. Stephan im Murtal fand3.
Unter den zinspflichtigen Bauern
dieser Pfarrei erscheint schon
um 1300 als einer der reichsten
im Tal der Lobming, eines
kleinen Nebenflüsschens der
Mur, ein Niesenberger, und
noch um 1500 bewirtschaftete
dieselbe Familie den später ab-
gegangenen Hof am Niesenberg.
Nach einer Mitteilung von Herrn
Konservator Kanonikus Graus
in Graz, dem ich für mannig-
fache Förderung und liebens-
würdige Auskunfterteilung zu
danken habe, wird der Name
dieses Berges heute noch in der

alten Form gebraucht und ist i. Siegel Niesenbergers an
so in der topographischen Karte
von Steiermark eingetragen4. Nach ihm haben sich
offensichtlich die Vorfahren unseres Meisters benannt.

1893 Nr. 198 S. 1299 nachgewiesen. Ich zitiere diesen mir nicht
zugänglichen Aufsatz nach dem kurzen Referat von Beck, Hans
Niesenberger, der Klosterbaumeister von Weissenau, im Diö-
zesanarchiv von Schwaben, 10. Jahrg. (1893) S. 54 — 55. Auch
eine alte Abschrift des Hüttenbuchs von Admont in Steiermark
liest „item der maister von Grätz der Weissnaw", vgl. Luschin
von Ebengreuth, A., Das Admonter Hüttenbuch und die Regens-
burger Steinmetzenordnung von 1459, in den Mitteilungen der
k. k. Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der
Kunst- und Historischen Denkmale, XX (1894) S. 23G.

1 Zell, F., Beiträge zur Baugeschichte des Münsters. Frei-
burger Diözesanarchiv. Alte Folge Bd. 11 (1877) S. 303 f.

- Mitteilungen der k. k. Zentralkommission VIII (1882)
S. CXIII.

■' Schmutz, Jon., Geschichte der Ortsgemeinde und Pfarrei
St. Stephan ob Leoben. Mitteilungen des Historischen Vereins
für Steiermark XXXVIII (Graz 1890) S. 95 und 105.

1 Der Bergname Niesen findet sich auch in der Schweiz;
ebenda im Kanton Aarau ein Dorf Niesenberg.

Für die in den Quellen wechselnde Schreibweise
des Namens ergibt sich aus der Herkunft des Meisters,
solange ein eigenhändig von ihm geschriebenes Schrift-
stück nicht vorliegt und da auch das einzig von ihm
erhaltene Siegel infolge der Unleserlichkeit einzelner
Stellen (Abb. 1) keinen Aufschluss gibt, vorerst als die
richtigste die an den Namen des heimatlichen Berges
anlehnende Schreibart „Niesenberger". Ob der Name
mit Nießwurz, Christwurz zusammenhängt, wie für die
Erklärung des schweizerischen Bergnamens Niesen
versucht worden ist, bleibe dahingestellt.

Wann ein Niesenberger nach Graz übersiedelte
oder ob Meister Hans dies zuerst tat und am Grazer
Dom, der Bauinschriften von 1438 bis 1456 aufweist,
seine Lehrjahre zubrachte oder gar vor seinem Auf-
treten in der Weissenau in einer
maßgebenderen Stellung am dor-
tigen Dom tätig war, das ist alles
noch gänzlich unbekannt5. Von
allen Versuchen, um dies gleich
vorweg zu nehmen, Niesen-
berger mit dem Grazer Dom
in Beziehung zu bringen, darf
jedenfalls bis heute keiner als
gelungen gelten, ja es ist über-
haupt eine Tätigkeit des Meisters
in Steiermark bis jetzt nicht
nachzuweisen. Da er aber meist
als Hans von Graz oder Graz
erwähnt wird, darf trotzdem
wohl Graz als seine Geburts-
stadt gelten.

Über das ungefähre Jahr
{ der Geburt Niesenbergers gibt

seiner Urfehde von 1491. es nur wenige Indizien. Da
Meister Hans 1459 als Leiter der
Klosterbauten in der Weissenau an der erwähnten
Regensburger Versammlung der süddeutschen Stein-
metzmeister teilnahm, muss er wohl schon im Alter
von dreißig Jahren gestanden haben. Wie schon er-
wähnt, wird er in der Liste jener neunzehn Meister
erst an vorletzter Stelle genannt, ob wegen seines

5 Luschin von Ebengreuth a. a. O. S. 169 nennt den
Weissenauer, der 1459 in Regensburg die Hütte von Weissenau
vertrat, ohne weiteren Beleg den Meister des Grazer Doms.
Falls sich an diesem in der Tat ein Meister Weissenauer nach-
weisen ließe, so läge es verführerisch nahe, ihn mit Niesen-
berger zu identifizieren. Aber, wie mir Herr Konservator Graus
mitteilt, hält Herr Hofrat Luschin von Ebengreuth jene Ver-
mutung selbst nicht mehr aufrecht. Auch die Konjektur von
Dr. Joseph Pajek (Der Dom von Marburg, ein Bild der Glaubens-
treue seiner Bewohner. Marburg 1897 S. 12) hinsichtlich eines
Anteils des Meisters am Hoforatorium des Grazer Doms ist
nach einer freundlichen Mitteilung von Herrn Prof. Dr. Stegensek
in Marburg a. Dr. unhaltbar und entbehrt jeder urkundlichen
Stütze.
 
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