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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Kempf, Friedrich: Das Freskogemälde über dem Triumphbogen im Freiburger Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0029

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Kempf, Das Freskogemälde über dem Triumphbogen im Freiburger Münster

deutschen Meister den höchst ehrenvollen, aber schwie-
rigsten Teil des Programms für die Deckenhilder
(1883—1887). Vorher waren zwei Italiener damit be-
auftragt gewesen, doch befriedigten diese Bilder den
Papst nicht, weshalb er sie entfernen ließ und Seitz
mit der Anfertigung und Ausführung ganz neuer Ent-
würfe beauftragte. Dieselben stellen die Hauptereig-
nisse unter Leos Pontifikat sowie den Triumph des
hl. Thomas dar, dessen sechs dem Lebenswerk des
großen Theologen entnommene Szenen zugleich das
kirchliche Programm des Papstes verherrlichen'.
Diese durch einfache, aber geistvolle Komposition,
starke Charakteristik, vornehme Zeichnung und herr-
liches Kolorit ausgezeichneten Schöpfungen stellen ein
vollendetes Meisterwerk dar, das dem Künstler den
wichtigen Posten eines Direktors der päpstlichen
Galerien und andere Ehrungen eintrug. Dass die
Italiener mit Neid auf diese Bevorzugung blickten,
liegt auf der Hand.

In seiner Eigenschaft als Direktor der vatika-
nischen Galerien hat sich Seitz mit der sehr deli-
katen Aufgabe zur Erhaltung und Wiederherstellung
der gefährdeten und beschädigten Malereien Pintu-
richios in den Appartamenti Borgias und der Sicherung
der Deckengemälde Michelangelos in der Sixtinischen
Kapelle befasst. Dank seiner eminenten kunsthisto-
rischen Kenntnisse hat er diese schwierigen und
keineswegs dankbaren Restaurierungsarbeiten wissen-
schaftlich und künstlerisch tief erfasst und in einer
Weise vollzogen, dass sie einstimmig von allen Kennern
gerühmt wurden und ihn weltbekannt gemacht haben.

Wohl sein bedeutendstes monumentales Werk ist
die auf Kosten der deutschen Katholiken erfolgte Aus-
malung der deutschen oder Chorkapelle der Basilika
von Loreto (1892 — 1902). Maria Vorherbestimmung,
Leben und Verherrlichung bildete den Vorwurf.
Dieses Lebenswerk, in das er seine ganze Kraft, die
ganze Reife seines Könnens gelegt hat, zeugt von
ebenso scharfsinnigem theologischem Wissen und tief-
gründiger Frömmigkeit, wie von deutscher Innigkeit
und starker künstlerischer Empfindung und Gestal-
tungsgabe.

Über diese Fresken von Loreto spricht sich der
große Architekt Graf Giuseppe Sacconi, der Schöpfer
des großartigen, imponierenden Nationaldenkmals für
König Viktor Emanuel II. in Rom, wie folgt aus:
„Was Ludwig Seitz in Loreto geschaffen, ist ein Riesen-
werk, dessen Bedeutung mit der Zeit noch zunehmen
wird."

Das viele architektonische Beiwerk des Bildes

kann uns jedoch nicht befriedigen. Wir möchten
glauben, dass die Bildwerke einen noch imposanteren
Eindruck gewähren würden, wenn sie nicht von so
reichen Architekturmotiven begleitet wären.

Die Enthüllung der Bilder im Oktober 1908 sollte
Seitz nicht mehr erleben; einen Monat zuvor hatte
der Tod seinem umfassenden und erfolgreichen
künstlerischen Wirken ein Ende gesetzt.

Das letzte ihm übertragene Werk, bestehend in
der Ausschmückung dreier Kapellen der St. Antonius-
kirche zu Padua mit Fresken, zu welchem Zweck der
verstorbene Senator Stefano Breda eine ansehnliche
Geldsumme hinterlassen hatte, war ihm nicht mehr
vergönnt zu vollenden; er vermochte es kaum über
die Anfänge hinauszuführen.

Endlich veröffentlichte Seitz auch mehrere theo-
retische, „Erörterungen über wichtige Kunstfragen"
sich betitelnde Schriften.

Anlässlich der Neuordnung der wunderbaren Ge-
mäldesammlunginder neuen Vatikanischen Pinakothek
sollte auch das Verklärungsbild Christi (Transfigu-
ration) von Raffael dahingebracht werden, um dem
Publikum die Besichtigung des kostbaren Kunstwerkes
ohne Berührung des Vatikans zu ermöglichen. Trotz
seiner schweren Erkrankung ließ sich Seitz nicht ab-
halten, die Überführung, welche wegen der Größe
des Bildes mit vielen Umständen verknüpft war, per-
sönlich zu überwachen. Seine Freunde in Albano,
wo er sich aufhielt, suchten ihn zu überreden, nicht
nach Rom zu reisen, um seinen Zustand nicht zu
verschlimmern. Er aber antwortete ihnen: „O meine
Freunde! Gewisse Ämter kann man nicht nur um
des Gewinnes und der Ehre willen bekleiden. Wie
wäre es denkbar, dass man die Transfiguration durch
eine Fensteröffnung herablässt, ohne dass der Direktor
der Vatikanischen Pinakothek dabei zugegen wäre?
Es gibt für den Menschen noch etwas, das mehr wert
ist als selbst das Leben: die Erfüllung seiner Pflichten.
Ich gehe nach Rom und wenn ich darob sterben
müsste." 2

Noch am Abend des gleichen Tages, an dem der
Transport stattfand, am 10. September 1908, kehrte
er nach seinem Landhaus zu Albano zurück. Hier
brach er am folgenden Morgen unter einem heftigen
Anfall seines schweren, unheilbaren Herzleidens
plötzlich tot zusammen.

Ludwig Seitz war ein hochbegabter, allgemein
geschätzter und beliebter Künstler, ein edler Mensch,
leutselig gegen jedermann, zurückhaltend und niemals
geringschätzig in seinen Urteilen über Menschen und

1 Beschrieben und erklärt von J. J. Berthier. Die Glorie 2 Giovanni Malinese, Die Wandmalereien von Prof. Ludwig

des hl. Thomas von Aquin, dargestellt in den Wandgemälden Seiiz in der Deutschen Kapelle der Basilika zu Loreto. Ein-

von Ludwig Seitz in der Galerie der Kandelaber im Vatikan. siedeln 1909. S. 80. Vgl. auch Alfred Liebig, Betrachtungen über

Einsiedeln 1893. Ludwig Seitz und seine Kunst: Deutsche Bauzeitung 1909 S. 155.
 
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