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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0009

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Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

Das Heiliggrabchörlein gewinnt einen doppelten Weise: der Münsterprokurator, der immer ein Geist-
Wert durch die Überreste seiner alten Bemalung licher war, schloss nach der Grablegungsfeier das
und Vergoldung (14.Jahrh.). Auf Grund dieser ist Gitter zum Heiliggrab ab und gab jedem der zwei
die farbige Ausstattung im Jahre 1891 erneuert wor- Münsterpfleger einen Schlüssel. Die Pfleger
den. Die Figuren haben bemusterte Gewänder: nahmen die Schlüssel im Namen des Rats in
Christus trägt ein rotes mit Goldmustern besetztes Empfang und verwahrten sie bis zur Auferstehungs-
Kleid, während die andern Figuren in weißen, gold- feier3. Zu dieser Feier händigten sie die Schlüssel
bemusterten Gewändern erscheinen. Die Haare sind dem Münsterprokurator wieder ein, der sie dann
vergoldet, wie auch alle ornamentalen Teile und die für das ganze Jahr bei sich behielt, so dass sie „von
hervortretenden Stäbe der Architektur, deren Glie- den Pflegern nicht mehr angerührt werden",
derungen im übrigen rot und blau gefasst sind. Diesen Gebrauch der Übergabe der Schlüssel

Trotzdem das Heiliggrabchörlein den Fährnissen zum Heiliggrab an die Stadt nahm im Jahre 1669*

der Vergangenheit nicht entging, darf es auch in dem jemand zur Veranlassung, um gegen den damaligen

überkommenen Bestand mit seinen künstlerisch her- Münsterpfarrer Dr. Balthasar Frey beim bischöflichen

vorragenden Skulpturen den schönsten und sehens- Generalvikariate Konstanz die Anklage zu erheben,

wertesten seiner Art beigezählt werden. als ob er die Bewahrung des Allerheiligsten Laien

Im Freiburger Münster besteht die Einrichtung, überlasse. Der Münsterpfarrer erhielt darüber Vor-

dass am Charfreitag das Allerheiligste im Heiliggrab halt von Konstanz mit dem Befehl, in der Sache

beigesetzt wird. Die Aufbewahrung desselben bis eine Änderung herbeizuführen unter schwerer kirch-

zur Auferstehungsfeier geschieht in der Art, dass licher Strafe (sub gravi censura).

die heilige Hostie in einem Gefäße verschlossen, Die Sache kam zur Kenntnis des Stadtmagistrats,

in dem steinernen Bildnisse des Leichnams Christi der am 15. April 1669 an den Münsterpfarrer ein

niedergelegt wird. Zu diesem Zwecke befindet sich entsprechendes Schreiben richtete. Nachdem im

in dessen Brust eine viereckige Aushöhlung mit Eingange desselben dargelegt war, in welcher Form

einem eisernen Deckel als Verschluss. die Übergabe der Schlüssel zum Heiliggrab an die

Die Heiliggrabkapelle selbst ist im Innern des Münsterpfleger erfolgt, führt der Rat aus, dass durch

Münsters vom Seitenschiffe durch ein eisernes Gitter diese Gewohnheit kein Recht über die heilige

abgeschlossen. Früher umfasste der Verschluss das Hostie ausgeübt werden soll; der Gebrauch

ganze Frauenchörle mit dem Heiliggrab. Wir kom- sei vielmehr „von gutem christlichen Eifer und son-

men darauf noch zurück. derer Andacht herfließend ad clericorum reprae-

Im Jahre 1669 ergaben sich einmal Auseinander- sentationem historiae evangelicae" seit unvordenk-
setzungen zwischen dem Münsterpfarrer und dem Rat liehen Jahren beobachtet worden, und zwar mit großen
wegen des Besitzrechtes der Schlüssel zum Heilig- jährlichen Unkosten, indem die bürgerlichen Zünfte
grab, das letzterer auf Grund alten Herkommens bei der Grablegung des Herrn und bei der Auf-
geltend gemacht hatte. Es erscheint die Erörterung erstehungsfeier „die 16 Lichter anzünden, die Stangen
dieses noch unbekannten Vorgangs, der, soweit unsere setzen, die betagten Häupter und Pfleger zu Tag und
Kenntnis reicht, eine anderwärts nicht zu treffende Nacht aufwarten" und den Herrn Pfarrer selber durch
Besonderheit zu sein scheint, so interessant und ihre Teilnahme an der Feier ehren. Diese äußere
wichtig, dass die Einschaltung eines kleinen Exkurses1 gottesdienstliche Entfaltung diene auch zur Erbauung
darüber an Hand der Archivalien gestattet sein möge, des Volkes und bringe in ihm eine andächtige Stim-

Seit unvordenklichen Zeiten bestand hier die mung hervor. Das Alles wäre nicht mehr zu hoffen,
Übung, nach Beisetzung des allerheiligsten Sakra- wenn eine Neuerung vorgenommen und die Stadt
mentes im Heiliggrabe die Schlüssel zu dem das durch Verweigerung der Übergabe der Schlüssel
Frauenchörle und das Heiliggrab abschließenden ei- zum Heiliggrab gekränkt würde. Der Magistrat gibt
sernen Gitter zwei Pflegern Unseres Lieben Frauen dann in seinem Schreiben dem Münsterpfarrer be-
Münsters2 zu übergeben. Das geschah in folgender kannt, daß ein Bericht im gleichen Sinne auch an

den Generalvikariat in Konstanz abgegangen sei mit

1 Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Ordinariats-Se-
kretär M. Keller, der mir bei der Behandlung der liturgischen
Frage dieses Gegenstandes freundliche Förderung erwiesen
hat, wärmsten Dank hiermit auszusprechen.

2 Im ersten Augenblick will die Mitwirkung des Rats bei
einer so erhabenen kirchlichen Handlung, wie sie die Verwaltung
und Verwahrung des Allerheiligsten darstellt, etwas merkwürdig
erscheinen. Sein Recht beschränkte sich indes nur auf die
Erfüllung einer Formalität

der Bitte, den Brauch auch fernerhin beizubehalten.

3 Im Münster fand damals die Beisetzung des Allerhei-
ligsten in der Heiliggrabkapelle am Gründonnerstage nachmittags
4 Uhr unter bestimmten Feierlichkeiten statt. Die Auferstehungs-
feier aber wurde nachts 1 Uhr vom Karsamstag auf den Oster-
sonntag abgehalten.

' Stadtarchiv: Kirchensachen, Münster.
 
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