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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

man ihn in jener Zeit der allmählichen Entartung
des Geschmacks, den Boden der alten Tradition in
der naiven köstlichen Art der Anordnung ver-
lassend, in einer, wie es scheint, mehr dem Natur-
gefühl entsprechenden Ausführungsweise, natürlich
unter Benutzung der alten Kapelle, verändert hat.
Wahrscheinlich kommt auch in Betracht, dass die
Figuren, denen ein Teil der Gliedmaßen früher
schon fehlte und ergänzt werden musste, wieder in
derart schadhafter Verfassung waren, dass man an
einen völlig neuen Aufbau, mit neuen farbigen Figuren
gedacht hat. Letztere waren nach Schreiber1 in ge-
branntem Ton geformt; er sagt: „Der Berg besteht
aus natürlichem Tuffstein, die bemalten tönernen
Figuren aber sind gegenwärtig alle mehr oder weniger
zertrümmert." Tönerne, mit farbigen Glasuren ver-
sehene Ölbergfiguren sind uns hin und wieder, bei-
spielsweise in der Kirche zu Friedenweiler auf dem
Schwarzwald zu Gesicht gekommen, was auf eine
ausgedehnte Herstellung dieses kunstgewerblichen
Gegenstandes schließen lasst. Am meisten wurde
auf diesem Gebiete im 17. Jahrhundert gearbeitet,
und es ist bekannt, dass dieser Kunstzweig besonders
in Süddeutschland eine hohe Blüte erreichte, und
dass vor allem auf dem Schwarzwald äußerst leistungs-
fähige keramische Werkstätten bestanden haben und
heute noch bestehen. Vermutlich kommt für die
Herkunft der hiesigen Tonfiguren' des früheren Öl-
berges der Schwarzwald in Frage.

Es liegen auch andere Nachrichten von immer
wiederkehrenden mutwilligen Zerstörungen am Öl-
berg vor. Einmal, es war im Jahre 1806, waren
Soldaten des Großh. Badischen Grenadierbataillons
beschuldigt, in der Nacht vom 29. auf den 30. August
einen solchen Unfug begangen zu haben. Der Kom-
mandant Obristlieutenant von Stetten beschwert sich
beim Magistrat gegen diesen beleidigenden Vorwurf
und ersucht um Beweise, weil dadurch nicht nur
das Bataillon, sondern das ganze Korps angegriffen
sei. Sofern sich der Verdacht bestätigen sollte, sagt
er, werde er augenblicklich bereit sein, die Betei-
ligten auf eine Art zu strafen, die der Größe eines
solchen beispiellosen Frevels geeignet sein wird.
Könne aber der Vorwurf nicht bewiesen werden, so
müsse er um eklatante Genugtuung bitten, ansonst
er gegen die gefährlichen Verleumder gerichtlich
vorgehen werde. Über den weiteren Verlauf dieses
Zwischenfalls enthalten die Akten nichts. Nur lässt
unterm 1. September 1806 Freiherr von Drais den
Stadtmagistrat wissen, dass die Großh. Hof-Kom-
mission um „die ärgerliche Verstümmelung, welche

1 Geschichte und Beschreibung des Münsters zu Frei-
burg S. 152.

an kirchlichen Bildern kürzlich verübt wurde" auf-
zudecken, drei Louisdor für die Ergreifung der
wirklichen Täter ausgesetzt habe.

Man schenkte dem Ölberg zu Ende des 18. und
Anfang des 19. Jahrhunderts keine besondere Be-
achtung und Pflege mehr und hat nichts getan, um
ihn vor gänzlichem Verfall zu bewahren. Dass die
in Ton hergestellten Figuren nicht geeignet waren,
eine lange Haltbarkeit zu gewährleisten, liegt auf der
Hand. Schreiber sah sie, wie wir gehört haben, in
einem mehr oder weniger zertrümmerten Zustand.
So ist es nicht zu verwundern, dass jede passende
oder unpassende Veranlassung willkommen war, den
Ölberg gänzlich verschwinden zu lassen.

Eine solche Gelegenheit sollte sich bald finden.
Als im Frühjahr 1829 nach der völligen Auflösung
des Klosters Tennenbach und nach dem Aussterben
der Klostergeistlichen Großherzog Ludwig den Be-
schluss fasste, die 'dortige romanische Zisterzienser-
Abteikirche abbrechen und in Freiburg für den pro-
testantischen Kultus wieder aufrichten zu lassen,
bestimmte er unterm 30. Juni 1829, dass die darin
befindlichen Denkmäler seiner Ahnen aus dem mark-
gräflich Hachbergischen Hause, des Markgrafen Otto
und der Markgräfin Agnes, Gemahlin Heinrichs III.
von Hachberg, sowie jenes des Grafen Egon I. von
Urach, des Stammvaters der Grafen von Freiburg
und der Fürsten von Fürstenberg, ins Freiburger
Münster zu verbringen seien. Auch den bei der
Erhebung dieser Gedenksteine vorgefundenen Über-
resten der Verstorbenen sollte eine neue, würdige
Ruhestätte darin bereitet werden. Was lag infolge
dieser Bestimmung näher, als dass man die Kapelle
des verwahrlosten Ölbergs für diesen Zweck nutzbar
machte? Die beiden Öffnungen gegen den Münster-
platz wurden bis auf Kämpferhöhe der Bögen ver-
mauert und die Kapelle im Innern des Münsters
geöffnet, zu welchem Zweck die Umfassungsmauer
des betreffenden Joches in vier Öffnungen zwischen
den Säulen der Blendarkatur, auf deren Erhaltung
man tröstlicher Weise Rücksicht genommen hatte,
durchbrochen worden ist. Mit der Leitung des Um-
baus, die Steinmetz Frei zur Ausführung brachte,
war der damals mit den Arbeiten der Hütte be-
traute Bildhauer Joseph Dominik Glänz befasst. Die
Verbringung der Überreste der Verstorbenen samt
deren Monumente von Tennenbach ins Münster am
10. Dezember 1839 geschah auf amtliche Anord-
nung, unter Beteiligung von Mitgliedern des Hof-
gerichts, des Kreisdirektoriums, des Stadtamts und
des Stadtrats. Für die Überführung war ein um-
fassendes, alle Einzelheiten berücksichtigendes Pro-
gramm aufgestellt, das dann in großer Feierlichkeit
sich abgewickelt hat.
 
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