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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0028

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24 Kerapf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

wegte, war daher eine eng begrenzte. Diese ein- durch sie ungünstig beeinflusst. Das Mittelalter kennt

seifige Hinneigung und Bevorzugung des Gotischen solche aufwändige Triforienabschlüsse nicht, vielmehr

hat, wie im einzelnen noch zu erörtern sein wird, war seine Tendenz darauf gerichtet, Fensteröffnungen

manche seltsame Blüten von extremer Befangenheit von möglichst großen Abmessungen für die farben-

zu Tage gefördert. Erwähnt möge noch sein, dass prächtigen Glasmalereien zu gewinnen, die ohnehin

der Klassizismus im Münster, abgesehen von einigen das Licht des Kirchenraumes stark genug dämpfen.

bescheidenen Denkmälern, nichts hinterlassen hat. Jedenfalls wäre es höchst bedauerlich wenn nach

Schon der 1789 erfolgte Abbruch des Renais-
sancelettners, „zu besserer ins Lichtsetzung des mitt-
leren Altars (Hochaltar) und zugleich diesen Tempel zu
verherrlichen", ist als eine von dem herrschenden

der eben im Gange befindlichen Wiederinstandsetzung
der Glasgemälde in den Seitenschiffen die in ihren,
zumeist mit den Wappen der Zünfte geschmückten,
unteren Fensterteile durch die vorgestellten Galerien
Zeitgeiste beeinflusste Maßnahme zu betrachten. Man die jetzt vorläufig zum Teil entfernt sind, unsichtbar
wusste indes seine Kunst zu schätzen, denn die blieben (Abbild. 13 und 14)

„Steine", so wird gesagt, „müssen sehr sorgsam ab-
getragen und wieder fleißig aufgesetzt werden, damit
von den so schönen und kostbaren Verzierungen nichts
verstoßen werde". Wir haben überhaupt den Ein-
druck, als ob man zu Ende des 18. Jahrhunderts
gegenüber der früheren Kunstrichtung viel weither-
ziger war als in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahr-
hunderts.

Im Innern1 des Baues sehen wir das früheste
Auftreten der neuen Richtung in den gotischen Maß-

Im Jahre 1876 war Peter Cuypers, zu jener Zeit
Dombaumeister von Mainz, hier, um sich über die
damaligen Restaurierungsarbeiten und die dabei ein-
zuhaltenden Gesichtspunkte zu äußern. In seinem
schriftlich niedergelegten Gutachten kam er auch
auf die vor den Fenstern befindlichen Bailustraden
zu sprechen, und es dürfte nicht ohne Interesse sein,
zu erfahren, wie er sich darüber ausließ: „Es wäre
von nicht zu unterschätzender Bedeutung" sagt er,
„wenn die vor den Fenstern angebrachten Bailustraden

werkbrüstungen vor den Fenstern der Seiten- könnten in Wegfall kommen. Dieselben liegen nicht

schiffe und des Obergadens. Sie sind im Jahre 1790
angebracht worden. Fünf Jahre später wurden von
den Münstersteinmetzen Joseph und Michael Schwan-
der die steinernen Wände im gotischen Stil zwischen
die inneren Chorpfeiler eingesetzt. Trotz aller
Schwächen und Mängel müssen diese Arbeiten als
eine erfreuliche Lebensäußerung der neuen Kunst-
richtung betrachtet werden. Sie befriedigen mehr
als die Leistungen aus den 50er Jahren des 19. Jahr-
hunderts. Ob es dagegen überhaupt notwendig und
zweckdienlich war, die Maßwerkgalerien anzubringen,
ist eine Frage, die entschieden zu verneinen ist.
Wir haben an anderer Stelle'2 schon auf die Über-
flüssigkeit der mit einem für eine verfehlte Sache
ungerechtfertigten Aufwand hergestellten Galerien
hingewiesen. Was die eigentliche Veranlassung war,
sie anzubringen, ist ungewiß. Es mag sein, dass sie
unter dem Gesichtspunkt hingekommen sind, um
einen Ausgleich der verschiedenen Höhenlage der
Fensterbänke zu bewirken. Vielleicht geschah ihre
Anbringung auch in der Absicht, um damit die da-
mals meistens blanken Verglasungen der unteren
Fensterfelder einigermaßen zu verdecken. Welcher
Grund auch immer zu dieser Neuerung geführt haben
mag, gerechtfertigt ist sie nicht, denn der großzügige

im Sinne der ursprünglichen Architektur, welche hier
nur einen Laufsteg für den nötigen Dienst bei Her-
stellungen von Schäden der Verglasung, Reinigung und
baulichen Erfordernisse vorsah, der keineswegs mit einer
so kostspieligen Brustwehr soilte abgeschlossen werden.
Es bleibt zu bedauern, dass man, wenngleich in bester
Absicht, eine so aufwändige Maßregel zur Ausführung
brachte, die in der Architektur nicht bedingt, in anderer
Hinsicht geradezu nachteilig wirkt."

Vor 1790 bildete die Brustwehr der Laufgänge
lediglich ein Balken, der zugleich zur Aufnahme der
Stangenkerzen diente, welche die Zünfte an ihren
Jahrtagen hier aufsteckten und anzündeten. Jeden-
falls stammte auch diese Einrichtung aus einer Zeit,
die den Glasmalereien nicht mehr die volle Würdi-
gung schenkte3. In diesem Zusammenhange muss
auch die hinten auf dem Gesimse über dem Haupt-
eingang und dem Blendmaßwerk angebrachte, von
Franz Glaenz im Jahre 1829 in Holz geschnittene
Maßwerkgalerie mit vier Fialen als eine höchst
überflüssige, den architektonischen Prinzipien zu-
widerlaufende, keineswegs in der Absicht des alten
Meisters gelegene Zutat betrachtet werden.

Was die, bis zu 4,30 m hohen, 1795 zur Aus-
führung gekommenen steinernen Wände zwi-
schen den Arkaden im Chor anbetrifft, so ist
auch deren Bestand nicht berechtigt, weil sie nicht

Eindruck des ganzen Systems des Innenbaues wurde .^ ^^ ^ ChoranIage gelegen sind. Sie engen

1 Am Äußern hat man sich schon früher, seit 1757 bei den Raum für das Auge ein und beeinträchtigen

den Aufsätzen auf die Pfeiler des Chorumgangs der neuen
Formen bedient, worauf wir noch zu sprechen kommen werden.

2 Siehe Allgem. Geschäftsbericht des Vorstandes des Frei-
burger Münsterbauvereins über das Jahr 1916 S. 8.

" Vgl. Fritz Geiges, Der alte Fensterschmuck des Freiburger
Münsters: „Schauinsland" 28 (1901) S. 85.
 
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