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DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE
AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG 1878.
Von Oskar Berggruen.


SCHLUSS.
»SPANIEN scheint auf die Leistungen seiner reproducirenden Künstler nicht stolz gewesen zu sein, da
#39§| dieselben von der Ausstellungscommission thunlichst versteckt und zum Schutze gegen etwaige glückliche
wm^mSM Entdecker in eine, jede nähere Besichtigung ausschliessende Höhe gehängt worden sind. Gewiss sehr mit
Unrecht. Denn die zwischen allerhand Industrieerzeugnissen verstreuten zwei Dutzend Radirungen von J. M. Galvan
y Candela in Madrid nach Fresken von Goya waren viel interessanter, als manche Bilder, die sich auf den best-
beleuchteten Wänden der Kunstabtheilung breit machten. Von F. Navarrete y Fos in Valencia waren mit
bewafsnetem Auge einige recht gute Porträtstiche zu sehen. Ganz unvermuthet stiessen wir in einem Winkel auf ein
halbes Dutzend Original-Radirungen von Antonio Casanova, ssott behandelte und prickelnd vorgetragene Genre-
skizzen jener heiteren, leicht geschürzten Gattung, welcher auch die Ölbilder des Künstlers zumeist angehören.
Mariano Fortuny, die interessanteste und bedeutendste Erscheinung auf dem Gebiete der modernen spanischen
Kunst seit Goya, war als Radirer ganz übersehen worden, obschon seine dreissig Gemälde eine great attraclion
nicht bloss der spanischen Abtheilung, sondern auch der ganzen Ausstellung bildeten. Das gütige Entgegen-
kommen seiner aus der berühmten Künstlerfamilie de Madrazo in Madrid slammenden Witwe setzt uns in die
erfreuliche Lage, von den durch das Haus Goupil publicirten 18 Original-Radirungen des in der Blüthe seiner
Jugendkraft dahingegangenen Meisters eine anziehende Probe zu geben: das Porträt des bekannten, mit Fortuny
innig befreundet gewesenen Malers Zamacois. In den geistreichen, virtuosen Zügen der Nadel und in der spielend
hervorgebrachten Lichtwirkung ist eine frappante Analogie zur viel bewunderten Malweise Fortuny's nicht zu
verkennen; ohne Übertreibung kann man sagen, dass in dem Werke des Meisters dessen Radirungen ein charak-
teristisches Parergon bilden, welches besondere Beachtung verdient. Die stiefmütterliche Behandlung der repro-
ducirenden Fünste in der spanischen Abtheilung zeigt sich auch darin, dass von den guten Holzschnitten, welche
die Zeitschrift La llluflracion Espanola y Americana zu bringen pssegt, keine Proben ausgestellt waren, sondern
nur die scharf und lebendig gezeichneten Vorlagen von J. L. Pellicer aus Barcelona zu Illustrationen aus dem
letzten russisch-türkischen Kriege.
FRANKREICH^ Ausstellung imponirte nicht nur durch die Qualität, sondern auch die Masse dessen, was zu
sehen war, obgleich der Kundige manches bedeutende Talent, ja manchen gefeierten Namen auf dem Gebiete
der vervielfältigenden Künste gar nicht vertreten fand. So vermissten die Freunde des classischen Linienstiches mit
lebhaftem Bedauern dessen Altmeister L. P. Henriquel-Dupont, welcher durch seinen Lehrer Bervic mit einer
Glanzepoche des Kupferstiches in Frankreich zusammenhängt und deren Traditionen ruhmvoll aufrecht erhalten
hat. Der erst nach der Pariser Ausstellung von 1867, im Salon von 1869, veröfsentlichte Stich des Hauptes der
französischen Stecherschule Les Disciples d' Emmaüs nach Paolo Veronefe zum Mindesten hätte von staatswegen
exponirt werden sollen, damit der Name Henriquel- Dupont im Kataloge, dem dauerhaftesten Denkmale der
Ausstellung, nicht in der Folge vergeblich gesucht werde. Auch sein Schüler A. Francois, nun selbst ein hoch-
berühmter Meister, war leider mit keinem Blatte vertreten. Unbegreissich ist Serner, daSs nicht daran gedacht
wurde, das Werk des kurz vor der Ausstellung verstorbenen höchst begabten Rousfeaux, dessen kostlicher Stich
nach einem Pastellbildnisse der Madame de Sevigne von Nanteuil an die hesten Zeiten des SranzösiSchen Porträt-
Stiches erinnert, der Welt ebenSo vorzuführen, wie dies bezüglich der Arbeiten von A. L. Martinet geschehen, der
leider ebenSalls die Ausstellung nicht erlebt hat. Hievon abgeSehen, konnte man mit dem GeSammtbilde der
modernen SranzösiSchen Stecherschule wohl zufrieden sein und aus demselben die Beruhigung Schöpfen, dass die
guten Traditionen des französischen Linienstiches noch nicht verloren sind, und ein tüchtiger Nachwuchs dieselben
aufrecht zu erhalten die Fähigkeit wie den guten Willen besitzt. Allerdings ist für die Zukunst das Schicksal des
 
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