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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 23.1900

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Mayr, Karl: Heinrich Wolff
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https://doi.org/10.11588/diglit.4242#0098
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HEINRICH WOLFF

München ist doch ein wunderbarer Fleck. Soviel neue Kunststätten ringsum in deutschen
Landen erblühen — München wird darum nicht ärmer an jungen Begabungen. Aus den fernsten
Thälern kommen sie herangezogen und saugen sich hier fest. Das Geheimnis liegt gewiss nicht
in den Eigenschaften der Eingeborenen oder gar in den günstigen Verkaufsverhältnissen — du
lieber Gott! - ■ wohl aber findet das wachsende Talent kaum irgendwo sonst in Deutschland
so gesunden und kräftigen Nährboden. Man lobt ein Talentchen nicht gleich zu solcher Höhe
empor, dass es vor lauter Selbstbewunderung nichts mehr nöthig zu haben glaubt; das Publicum
wird auch nicht derart übersättigt, wie etwa in Berlin, wo man gegenwärtig wöchentlich gegen
800 Stück Primaware für den Kunsthunger bereit halten muss. Hingegen findet aber nach alter
Erfahrung fast jede Begabung, auch der merkwürdigste Zwickel, einen kleinen mehr oder minder
verständigen Kreis, der jedenfalls an ihn glaubt, der seine Arbeiten mitfühlend verfolgt, auf den
er sich stützen kann. Die einfache, offene, auf das Wesen und Können gerichtete Kritik der
strebenden Künstler unter einander hat es im allgemeinen unmöglich gemacht, dass halbe und
Viertel-Künstler, wie nicht selten anderwärts, Mode wurden.

In der Graphik hat sich die Anziehungskraft Münchens ebenso bewährt, wie in der Malerei.

Von unseren bedeutenden Radirern ist fast keiner ein geborener Bayer, Halm ist ein Mainzer,

Meyer-Basel ein Schweizer, Gampert gleichfalls, Pankok ein Westphale, um nur einige zu

nennen. Neuerdings gesellt sich zu den besten Namen ein junger aus Schlesien zugezogener

Künstler, Heinrich Wolf f. Seine ersten allgemeinen Unterweisungen genoss Wolff bei dem

merkwürdigen, weitschauenden Bräuer an der Kunstschule zu Breslau. Bräuer, der ja auch

Erlers Lehrer gewesen ist, zeichnete sich, abgesehen von seinen hervorragenden Eigenschaften

als geistiger Führer seiner bevorzugten Schüler von den meisten seiner Collegen dadurch aus,

dass er seine jungen Leute mit einem untrüglichen Gefühl für das auszustatten verstand, was

wirkliche Kunst ist. Wolff schwankte anfangs, ob er Maler oder Bildhauer werden sollte und widmete

sich auch wirklich einige Zeit in Berlin der Bildhauerei. Es dauerte aber nicht lange, so hatte er

mit Sicherheit gefunden, wohin ihn seine Naturanlage trieb. Im Jahre 1896 kam er nach München

und fieng an, bei Halm zu radiren. Die Schülerschaft hat sich zur Freundschaft entwickelt, obwohl

Wolff andere Pfade beschreitet als sein Meister. Bei seiner Jugend sind Wolffs Leistungen umso

erstaunlicher; es macht den Eindruck, als gelänge ihm alles, was er wolle. Die technische Behandlung

seiner Blättchen, die sich oft auf das kleinste Format beschränken, wird für den Kenner nicht

selten zum Fest. Fast jede Arbeit enthält ein neues Problem und wir wollen hoffen, dass es so bleibe.

Der Geschmack, die Sicherheit und vor allem die bewunderungswürdige Geschicklichkeit in der

Combination verschiedener Bearbeitungen der Platte geben seinen Arbeiten einen Vorzug vor vielen.

In der Schabkunst dürfte er gegenwärtig in Deutschland keinen Rivalen haben; mit der Roulette

erzielt er die feinsten malerischen Wirkungen. Seine Erfindungskraft scheint nicht sehr reizbar,
 
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