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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 44.1921

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Weixlgärtner, Arpad: Ein halbes Jahrhundert: 1871-1921 Zur Erinnerung an die Feier des 50jährigen Bestandes der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4138#0008
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on einem Gipfel aus einen Weg, sei es ein bereits zurückgelegter oder ein
noch vor uns liegender, zu überschauen, wird immer vergnüglicher bleiben
als das gleiche von einer Talsohle aus zu versuchen. Insoferne hatte es
I^S Karl Lützow, der 1895 in dieser Zeitschrift die ersten fünfundzwanzig
: Jahre unserer Gesellschaft überblickte, leichter als der Schreiber dieser
Zeilen. Es hieße nämlich den Kopf in den Sand stecken, wollte man ver-
kennen, daß sich die Linie, der die Entwicklung der Gesellschaft folgt,
dermalen etwas gesenkt hat. Anderseits hat es aber doch auch wieder sein
Gutes, einen Rechenschaftsbericht über vollendete und geplante Leistungen in schwerer Lage zu
erstatten. Alan ist da eher geneigt und wohl auch eher fähig, Getanes und Erreichtes mit strengerem
Maßstab zu messen, man vermag da Fehlgriffen und Unterlassungen freier ins Auge zu blicken,
innere und äußere Widerstände und Hemmungen unbefangener abzuschätzen.

Vor nunmehr fünfzig Jahren hatte es den Anschein, als wären die edlen Künste des Holz-
schnittes, des Kupferstiches, der Radierung und der Steinzeichnung durch die mächtig auf-
blühende Photographie und die auf ihr beruhenden Reproduktionsverfahren in ihren Wurzeln
bedroht. Es war daher ein glücklicher, siegessicherer Gedanke, diesen gefährdeten Künsten durch
die Gründung einer ihrer Pflege gewidmeten Vereinigung beizuspringen. Den Nährboden, aus dem
heraus das neue Unternehmen erwuchs, gab der sogenannte ältere Wiener Kunstverein ab, der sich
damals bereits unrettbar überlebt hatte. Die Brücke zwischen ihm und der »Gesellschaft für ver-
vielfältigende Kunst« stellten die von 1832 bis 1849 an die Mitglieder des Vereines verteilten
Kunstblätter her, achtzehn reproduzierende Stiche und eine Originallithographie.

In ihrem Gründer Leopold Freiherrn von Wieser besaß die Gesellschaft eine starke, fest um-
grenzte Persönlichkeit, die nicht nur in einem echten, lebendigen Verhältnis zur Kunst stand, sondern
auch Ziele abzustecken und Pläne in Taten umzusetzen wußte. Richard Paulussen, der erste und
langjährige Verwaltungsleiter der Gesellschaft, ergänzte Wieser nach der kaufmännischen und
technischen Richtung hin und hatte mit ihm den freudigen Schaffensdrang und die großzügige,
vornehme Denkweise gemeinsam. Als künstlerische Berater standen Wieser so ausgezeichnete
Männer wie William Unger und Wilhelm Hecht zur Seite, beide erprobte Meister ihres Faches und
im Besitze einer allgemeinen Bildung, wie sie bei Künstlern nicht allzu häufig ist.


 
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