Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

DOI Artikel:
Schulze-Köln, Otto: Patriz Huber und die moderne Wohnungs-Einrichtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0061
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mr iuugj^oratiou

Jlt^TRIElRTE

ZEITSCHRIFT '
FüR-Deu
qEVVtfrrtU-lUWERÜJ

MGU'STOLz

Y^\\\ C/UP-ReDlC,IRT

ALEX^UPER-KOCH
DAR^TAPT«

XI. Jahrg. 1900.

Darmstadt.

März-Heft.

PATRI2 HUBER UNP PIE MOPERNE WOHNUNGS-EINRICHTUNG.

Von OTTO SCHULZE—Köln.

Es wird heute so mancherlei geredet und geschrieben über
die Kräfte, die die moderne Bewegung in der Kunst
im Handwerk einleiteten und mit ihrer ganzen Persön-
lichkeit dafür eintraten. Von welcher Seite man ihnen auch
beizukommen versuchen mag — fest steht, dass es keine Mittel-
kräfte, dass es ganze Kerle, echte Künstler-Naturen waren. —
Dass es sich hierbei vielfach um sogenannte Ueberläufer
gehandelt haben soll, also um Kräfte, die gleichsam von der
hohen Kunst wegen mangelhafter Leistungen beanstandet
wurden, sich aber noch für gut genug hielten, dem Kunst-
gewerbe zu dienen, will ich nicht ganz von der Hand weisen,
nur bin ich der Meinung, dass diese Umsattelung nicht durch
den schlechteren, sondern durch den besseren Theil des
persönlichen Ichs dieser »Verkannten« gefördert wurde.

Wesshalb sollen akademisch geschulte Kräfte nicht das
Recht haben, anderen Neigungen zu folgen als denen, die
für ihre erste Berufswahl bestimmend waren, nachdem sie
zu der guten Einsicht gelangten, dass die Nutzbarmachung
des Angeborenen oder Angenommenen bei ihnen auf wesent-
lich anderem Gebiete liege als auf dem des akademischen
Malers, Bildhauers oder Architekten; trifft doch die umgekehrte
Wandlung ebenso häufig ein. Ich kann nicht einsehen, dass
ein schlechter Bildermaler kein vorzüglicher Dekorationsmaler,
ein verpfuschter Denkmal-Plastiker nicht ein ganz tüchtiger
Stukkateur oder Bronze-Techniker, ein mittelmässiger Hoch-
bauer nicht ein ganz hervorragender Innen-Architekt werden
könne, immer vorausgesetzt, dass eine wirklich überwiegende
Befähigung für den jüngeren Thätigkeitstrieb obwaltet gegen-
über dem aufzugebenden. Und wo dieser Umwandlungs-
Prozess ein durch und durch gesunder ist, d. h. eine ganze
Persönlichkeit daraus hervorgeht, kann der Kunst im Hand-

1900. in. 1.

werk, oder der dekorativen Kunst, wie es heute allgemein
heisst, durch Aufnahme solcher, auch moralisch starker Talente,
nur eine Befruchtung und Verjüngung erwachsen.

Damit soll nun nicht gesagt sein, dass ein jedes dekorative
Talent einen solchen Werdegang durchmachen muss, auch
nicht, dass alle namhafteren Bahnbrecher und Führer in der
modernen Bewegung sich so rückgewandelt haben — obgleich
ich sehr viele gutklingende Namen anführen könnte, bei denen
das zutrifft, und wahrlich nicht zum Schaden des modernen
Stils oder gar ihrer selbst — behaupten möchte ich aber
• doch, dass wir das, was wir heute erreicht, mehr jener besseren
persönlichen Selbstwerthung der sich in die bisherige Kunst-
Produktion schlecht eingliedernden Elemente zu danken haben
als angeblich jener höheren Kunstlaune, die berufen zu sein
glaubte, so nebenbei einen Topf drehen und bemalen, oder
gar eine Fassade und Möbel entwerfen, einen Teppich weben
oder eine Medaille modelliren zu können. Oft war das
weniger als Halbheit, denn die meisten Schöpfungen dieser
gönnerhaften »Sonebenbei - Laune« haben der ernst zu
nehmenden neuen Bewegung der Kunst im Handwerk nur
geschadet. Der Beweis dafür ist jederzeit zu erbringen.
Aber darum bleibt der sogenannten hohen Kunst nicht minder
das ungeschmälerte Verdienst, mittelbar die Ursache zu jener
Umwandlung der uns heute erfreuenden Werthe gewesen
zu sein. — Zwischen den Zeilen mag vielleicht zu lesen sein,
dass die bedeutendsten Männer und die leuchtenden Talente
nicht immer durch eine 8 bis 12 Semester dauernde pflicht-
treue akademische Drillung gezüchtet worden sind; die
weitaus meisten dieser haben sich gegen solche Zucht auf-
gelehnt, sind über die Stränge geschlagen. Sie danken der
Schule oft nicht das Können, sondern die Erkenntniss ihrer
 
Annotationen