Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

DOI Artikel:
Schulze-Köln, Otto: Patriz Huber und die moderne Wohnungs-Einrichtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0062

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 42.

Jllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

März-Heft.

Patriz Huber. Vorplatz-Studie.

Persönlichkeit. Das sind Gähr - Prozesse, Uebergangs-
Stadien und Uebergangs - Zeiten. Dem einen bringen sie
Erlösung, neues Leben, dem anderen Knechtschaft und
Tagelöhnerei. Unendlich viele gehen daran zugrunde und
schieben den Zusammenbruch dann bequemerweise auf die
Schule, vergessend, dass eben keine Schule, auch die beste
nicht, im Sinne des Wortes Einzel-, sondern nur Massen-
Individuen zu züchten vermag. Die braven Durchschnitts-
Menschen haben dagegen fast durchweg eine gute Schule mit
— Erfolg besucht; sie können das durch Zeugnisse belegen. —

Nun soll man aber im grossen ganzen nicht fortgesetzt
der Schule zur Last legen, sie wisse das echte Talent nicht
persönlich genug zu behandeln; — Sache des Schülers ist
es, eine Persönlichkeit zu werden, wenn er nicht der Schablone
verfallen will. Und wie wenig Dank ernten hiermit die
Lehrer, die einem echten Talente zum Bewusstsein bringen,
dass es eben ein solches ist. Was die jungen Leute geworden
sind, das ist alles eigenes Verdienst — der Autodidakt spukt
unheimlich in der modernen Bewegung. Und doch braucht
gerade sie, mit ihren oben gekennzeichneten Führern und
Bahnbrechern eine Gefolgschaft von jungen Kräften, die zu
ihrem Können nicht auf jenen Umwegen gelangt sind, bei
denen man Schiffbruch gelitten haben muss, um den ganzen
Ernst der Kunst und die erquickende Heiterkeit des Lebens
kennen zu lernen. Was sollen wir mit allen Ueber-Talenten
beginnen, wenn sich zu ihnen nicht jene Kräfte gesellen, die
deren Ideen, denn um solche handelt es sich lediglich in der
modernen dekorativen Kunst, — das technische Können
haben zwei Jahrzehnte hinreichend vorbereitet, auch im Bereiche J
der Darstellung — ins Praktische übersetzen und verkörpern.
Und hier setzt nun jene Gruppe von jüngeren Künstlern ein,
ihrer Art Kräfte ersten Ranges: Gewerbe-Künstler möchte ich
sie nennen, der man, ungeschadet ihrer persönlichen Eigenliebe,
nachsagen darf, dass sie, was unserm Kunstgewerbe-Leben
ganz ungemein noth thut, eine ganz ausgezeichnete und
umfassende Ausbildung auf Kunstgewerbe-Schulen erhalten
haben. Betheiligt daran sind alle Kunstgewerbe-Schulen,
die eine mehr, die andere weniger.

Eine auf gute Erfolge hoffen lassende Kraft ihres Gebietes
und ihrer Art in dieser Gruppe ist unbestritten der noch sehr
junge Innen-Architekt Patriz Huber, der zur Zeit der Künstler-
Kolonie in Darmstadt angehört, und hier infolge der als
hohe Würdigung und Auszeichnung geltenden Berufung ein
erspriessliches Arbeitsfeld gefunden hat. Gerade bei Huber
fühlt man heraus, dass er eine gute Schule durchgemacht

hat und er ist ehrlich genug, das nicht nur nicht zu leugnen,
sondern es anzuerkennen und denen Dank zu wissen, denen
er Schüler sein durfte. Dankbarkeit in dieser Form ist heut-
zutage etwas sehr seltenes. Findet man doch unter zehn
jüngeren Kräften, deren eigentliches Können sich persönlich-
charakteristisch noch gar nicht geklärt haben kann, kaum eine,
die ehrlich eingesteht, dass sie dem oder jenem Bahnbrecher
folge oder sich von ihm inspiriren lasse, trotzdem man über
die Motive stolpern kann, die sie stehlen, zum mindesten
entlehnen. Solche Mätzchen — sie sind oft schon mehr
unlauterer Wettbewerb — finden dem Publikum gegenüber
oft keine Sühne, dem Fachmanne und Eingeweihten kommen
sie jedoch nicht ungestraft unter die Augen. — Eine durchaus
offene Natur steckt nun in Patriz Huber, ihn durchzittert
noch Begeisterung für seine Vorbilder, er leidet noch nicht
unter dem Drucke der Selbstüberhebung, des nichts mehr
»Lernen-können«. Rührend ist seine Verehrung für seinen
Vater. Anton Huber, Hauptlehrer der Kunstgewerbe - Schule
in Mainz, den bekannten »Renaissance-Huber«, so tauften
ihn seine Fachgenossen infolge seiner zahlreichen Vorlagen-
Werke im Renaissance - Stil für Möbel- und Bauschreiner,
bei dem wir es thatsächlich mit einem Autodidakten besten
Schlages zu thun haben. »Die grundlegende Schulung habe
ich durch meinen Vater genossen; bei ihm bin ich gross
gewachsen in seiner Kunst, dem Holze die ihm besondere
und künstlerischste Verarbeitung und Nutzanwendung abzu-
gewinnen. Bei ihm habe ich die denkbar praktischste und
anregendste Anleitung genossen. Auf der Kunstgewerbe-
Schule in Mainz habe ich bei Direktor Kübel und dem
Hauptlehrer Pleyer eine ausgezeichnete Weiterbildung und
Abrundung meines Könnens erhalten in architektonischer
Formenlehre und ornamentalen Kompositionen, während ich
bei Professor L. von Langenmantel an der Kunstgewerbe-
Schule in München mich im figürlichen Zeichnen weiter-
bildete.« Das sind mit wenigen Worten die Hauptsachen
aus Huber's Leben, dem ergänzend hinzuzufügen ist, dass er
am ig. März 1878 in Stuttgart auf die Welt kam.

Selbstverständlich bleibt nun aber auch, dass der junge
Gewerbe-Künstler das, mit dem er uns entgegentritt, nicht
als lediglich der Schule entwachsen betrachtet. So etwas
wird bekanntlich in keiner Schule gezeitigt. Huber hat sich bei
Zeiten befleissigt, seine Auffassungsgabe nicht an historischen
Resten, an »altdeutschen« Einrichtungen und dergleichen zu



PATRIZ Huber. Büffet-Wand eines Speise-Zimmers.
 
Annotationen