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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Architektur auf der Welt-Ausstellung
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Höpfner, Hugo: Etwas über die Wohnlichkeit, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0140

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Seite 102.

Juni-Heft.

Carl Spindler, St Leonhardt. Noten-Schrank.

dass Muther, da er seine Besichtigung später vornahm, bereits
einige Räume sehen konnte, die während des Aufenthaltes
unseres Spezial-Berichterstatters noch nicht geöffnet waren.
Auch aus diesem Grunde glaubten wir einen Auszug aus
Muther's Kritik wiedergeben zu sollen. In den nächsten
Heften werden viele der angeführten Arbeiten in Abbildungen
vorgeführt und von unseren Mitarbeitern eingehender gewür-
digt werden. Bis jetzt ist der Eindruck vorwiegend, dass
gerade die moderne deutsche Gewerbe-Kunst einen durch-
schlagenden Erfolg auf der Welt-Ausstellung erringen wird;
und wenn diese Welt-Ausstellung auch noch so grosse Schatten-
seiten hat — dieses Ergebniss würde uns mit Vielem aussöhnen.

ETWAS ÜBER PIE WOHNLICHKEIT.

ii.

Wohnlich im wirklichen Sinne des Wortes können nur
die Bewohner selbst ihre Wohnung machen. Die
von geschmackvollen Dekorateuren hergerichteten Zimmer
können an und für sich gemüthlich aussehen, aber in Bezug
auf ihre Bewohner werden sie es selten sein, da den Zimmern
erst durch Bewohnen die Individualität der Bewohner auf-
geprägt werden muss. Es erklärt sich hieraus auch leicht,
dass Wohnungs - Einrichtungen aus früheren Jahrhunderten
uns einen sympathischeren Eindruck machen, uns verständ-
licher, interessanter und wohnlicher erscheinen, je weniger
die Gewohnheiten, Ansichten, Lebensauffassungen ihrer Be-
wohner mit unserem Leben kontrastiren. Die Wohnräume
der Griechen, von Zimmer im Sinne unserer Zeit kann man
wohl kaum sprechen, können unsere Bewunderung erregen,
können uns traumhaft schon anmuthen, sie können unsere
Phantasie anregen, uns mit Begeisterung für die klassische
Schönheit des götterfrohen Zeitalters erfüllen, aber das Gefühl
der wohnlichen Gemüthlichkeit werden sie nie in uns erwecken,
selbst wenn wir uns einen immerblauen Himmel über uns
denken. Aehnlich geht es uns mit den farbenprächtigen
orientalischen Einrichtungen, bei denen hauptsächlich der
glitzernde Prunk uns zu keinem ruhigen Geniessen kommen
lässt, so wunderbar schön er dem geblendeten Auge für
kurze Zeit erscheint, so sehr er die Sinne berauscht.

Ganz anders heimeln uns die traulichen Stuben des Mittel-
alters an. Zwar wirken sie oft bedrückend auf uns mit ihrer
kleinbürgerlichen Einrichtung, die uns den engen Gesichts-
kreis ihrer Bewohner wiederspiegelt, aber es ist immerhin
ein Etwas, was uns verständlich ist, eine Gemüthlichkeit für
einen stürmischen Winter-Abend, oder für ein Dämmer-
stündchen , wo wir gerne einmal das Grossstadtgeräusch der
modernen Stadt vergessen möchten. Aber auch die mittel-
alterliche Gemüthlichkeit liegt uns zu fern, nur ab und zu

i passt sie zu einer momentanen weltflüchtigen Stimmung, dann
brauchen wir doch wieder die uns gewohnte Umgebung, die

| zu dem pulsirenden Leben unserer Zeit und zu uns selbst
passt und die sich jeder aus sich für sich schaffen muss um
die Gemüthlichkeit zu finden, die er haben will, Und um
dies zu erreichen, braucht man keine grossen Mittel oder
besondere Veranlagung, keine künstlerischen Möbel oder
dekorative Gegenstände, wie Vasen, Felle, Teller und die
berüchtigten Makartbouquets. Was ist mit diesem Makart-

| bouquet, diesem zweifelhaften Dekorationsmittel schon gesün-
digt worden! Das farbenherrliche Interieur, das dieser
Künstlerfürst in seinen hoch künstlerisch dekorativ gestalteten
Räumen liebte, war für ihn passend und mit künstlerischer
Verve durchgeführt, entzückend. Das Makartbouquet aus
diesen Arrangements von der Menge entlehnt, in jeder Preis-
lage in den Handel gebracht, durfte nirgends fehlen, vom
Patrizierhaus zog es bis in die Portierswohnung, wo es noch
jetzt als grellbunter Staubfänger ein trauriges Dasein fristet.
Es war eben ein entlehntes, kein individuelles Dekorations-
mittel und musste deshalb verschwinden, von einsichtigen
Menschen verworfen, als nicht hereinpassend in ihr Heim.
Gerade darin liegt der Schwerpunkt, hineinpassen muss alles
in die Wohnung in Bezug auf die Bewohner, die Einrichtung
muss mit ihnen harmoniren. Eine einfache Bauernstube mit
tannenen Möbeln und weissgescheuertem Fussboden kann

| sehr wohnlich sein, und wird durch angebrachte Zier- und
Gebrauchs - Gegenstände, die den Lebensgewohnheiten der
Bewohner entspringen, nur noch gemüthlicher.

Diese Beobachtung macht der Künstler überall auf dem
Lande, wo er die Bewohner sieht, umgeben von den Geräth-
schaften, die ihnen den Lebensunterhalt verschaffen, und
Hunderte von Darstellungen aus allen Zeiten zeugen von
dem Interesse, das die Maler dafür empfunden.haben. Jeder
Mensch mit klarem Auge und offenem Sinn wird sich an
diesen reizenden Interieurs erfreuen, wo alles wie zusammen
gestimmt ist. Denn was macht wohl anders den Reiz aus,
den ein schwarzwälder Haus mit seinen rothwestigen Bewoh-
nern auf uns ausübt, doch hauptsächlich die Harmonie von
Menschen, Wohnung und Umgebung. Das heimelt an, man
empfindet, dass sich die Leute in ihrer Umgebung, die so

I ganz zu ihnen passt, wohl fühlen.

Es gibt eine Masse Menschen, die gar nicht das Bedürf-
niss nach einem gemüthlichen Heim haben, aber es gibt auch
viele, die empfinden, dass trotz der schönen Möbel, der Ord-
nung, der Reinlichkeit, etwas fehlt, und diese mögen sich
prüfen, ob da nicht der übertriebene Ordnungssinn daran mit
Schuld hat, der verhindert, dass das Individuelle in Gebrauchs-
und Zier-Gegenständen zu Geltung kommt. Deshalb braucht
man nicht unordentlich zu sein. Nur nicht gleich alles weg-
räumen, was in i o Minuten wieder gebraucht wird, und nicht
gleich jede Spur verwischen, die den Gebrauch eines Gegen-
standes zeigt, nicht gleich den Stuhl wieder an die Wand
rücken, die Notenbücher aufstabeln, und gewöhnt euch an
den Gedanken: man darf sehen, man soll sehen, dass Menschen
in dem Zimmer hausen, keine Geister, und es wird schon all-

| mählich gemüthlicher bei euch werden! Hugo höpfner, Strasburg i.e.
 
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