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JltüSTRIERTE
ZEITSCHRIFT
FüR-Deu
*—Ii
HEPWVSCECCBCU
C/UP-REDIC,IRT
tu
DAR^TAPT«
XI. Jahrg. 1900.
Darmstadt.
Juli-Heft.
Pie InneN-PekoratioN auf per V/elt-Ausstellung.
Wenn man das ungeheure Gelände des Kolossal-Jahr-
markts an der Seine von der Place de la concorde,
wo das aus maurischen, assyrischen, Barock- und Eiffelthurm-
Elementen sinnlos zusammengesetzte Monumental - Thor in
schreiender Buntheit sich erhebt, bis zum äussersten Winkelchen
des Marsfeldes durchwandert, wo die künstlichen Berge des
Schweizer Dörfchens aufsteigen, so kommt man auf allerlei
nachdenkliche Fragen. Wird das zwanzigste Jahrhundert sich
noch mit diesen Welt-Ausstellungen abplagen? so lautet die
erste. Und die zweite, die viel nachdenklicher ist, fügt hinzu:
Wird, wenn dies wirklich der Fall sein sollte, immer noch
Paris die erwählte Stadt sein? Gewiss, in allem Gesellschaft-
lichen , in allem, was den fröhlichen Glanz, die Grazie und
die äussere Schönheit der Sache anlangt, wird keine Metropole
der Welt die französische Hauptstadt je erreichen. Und auch
für alle die menschliche Thätigkeit, die rein dem Glanz, der
Grazie und der Schönheit des Lebens gewidmet ist, also etwa
für die Kunst der Maler, der Bildhauer und — der Damen-
schneider, wird Paris für alle Zeiten der geborene Mittel- und
Sammelpunkt sein. Aber ob es auch in der Zukunft noch
der Mittelpunkt für alle die Arbeit sein wird, die nach der
Seite des Technischen, Industriellen liegt, die immer souveräner
die Welt beherrscht? Es hilft nichts mehr: Paris, die einzige,
herrliche, unvergleichliche Stadt, ist schliesslich doch ein
gewaltiges Reservoir der ganzen Kultur der Vergangenheit.
Die moderne Kultur, die aus dem Geiste des 19. Jahrhunderts
geboren ward, ist in den nordischen, germanischen Ländern zu
Hause und erscheint hier doch immer als ein Eindringling, der
einsam und ohne Zusammenhang in einer fremden Welt steht.
Das neue Kunstgewerbe ist das echteste Kind und der
prägnanteste Ausdruck dieser modernen Kultur. Es ist kein
Wunder, dass es in Frankreich nicht recht vorwärts kommt.
Die grossen französischen Ingenieure — nicht alle — stehen
auf der Höhe der europäischen Leistung. Aber die Kunst-
gewerbler haben nicht die Fähigkeit, ihnen zu folgen, sich
mit ihrem neuen Geiste zu durchtränken. Die Ingenieure
haben prächtige Hallen und Kuppeln entworfen. Aber an
ihren schönen Werken klettern Tausende von rückständigen
»Schmuckkünstlern herum, um sie von aussen und innen so
lange mit werthlosem Plunder zu überkleben, bis von ihrer
eigenartigen Schönheit nichts mehr übrig bleibt. Richard
Muther hat in dem Aufsatz, den die Juni - Nummer dieser
Zeitschrift zum Abdruck brachte, darauf hingewiesen, wie
dies Zerstörungswerk auf der Aussenseite betrieben worden
ist. Es steht im Innern nicht um ein Jota besser! Das
schlimmste und schlagendste Beispiel bildet der riesige Fest-
saal auf dem Marsfelde. Man hat ihn gewonnen, indem man
die Maschinenhalle in drei Theile zerschnitt, rechts und links
die Nahrungs-, Genussmittel und landwirthschaftlichen Produkte
unterbrachte und die Mitte zu einer ungeheuren Salle des fetes
umgestaltete. Die konstruktive Arbeit ist prächtig. Alles
ist in grossen Linien gehalten, in angemessenen, harmonisch
wirkenden Verhältnissen. Aber die dekorative Ausstattung ist
so unerhört miserabel, dass man schaudernd die Flucht ergreift.
So liegen die Dinge in den französischen Abtheilungen
selbst da, wo wenigstens die Ingenieure versucht haben, den
erstarrten Formeln der Tradition zu entkommen. Man kann
sich denken, wie es da aussieht, wo nicht einmal dies der
Fall ist. Die andern Völker aber haben nur wenig dazu
gethan, die herrschende Geschmacklosigkeit zu unterbrechen.
Die in der modernen Innen-Dekoration führenden Nationen,
die Engländer, Amerikaner und Belgier, haben sich sehr
zurückgehalten, als hätten sie es gar nicht mehr nöthig, ihre
Meisterschaft zu beweisen. Am glänzendsten hat ohne Frage
1900. VII. 1.
JltüSTRIERTE
ZEITSCHRIFT
FüR-Deu
*—Ii
HEPWVSCECCBCU
C/UP-REDIC,IRT
tu
DAR^TAPT«
XI. Jahrg. 1900.
Darmstadt.
Juli-Heft.
Pie InneN-PekoratioN auf per V/elt-Ausstellung.
Wenn man das ungeheure Gelände des Kolossal-Jahr-
markts an der Seine von der Place de la concorde,
wo das aus maurischen, assyrischen, Barock- und Eiffelthurm-
Elementen sinnlos zusammengesetzte Monumental - Thor in
schreiender Buntheit sich erhebt, bis zum äussersten Winkelchen
des Marsfeldes durchwandert, wo die künstlichen Berge des
Schweizer Dörfchens aufsteigen, so kommt man auf allerlei
nachdenkliche Fragen. Wird das zwanzigste Jahrhundert sich
noch mit diesen Welt-Ausstellungen abplagen? so lautet die
erste. Und die zweite, die viel nachdenklicher ist, fügt hinzu:
Wird, wenn dies wirklich der Fall sein sollte, immer noch
Paris die erwählte Stadt sein? Gewiss, in allem Gesellschaft-
lichen , in allem, was den fröhlichen Glanz, die Grazie und
die äussere Schönheit der Sache anlangt, wird keine Metropole
der Welt die französische Hauptstadt je erreichen. Und auch
für alle die menschliche Thätigkeit, die rein dem Glanz, der
Grazie und der Schönheit des Lebens gewidmet ist, also etwa
für die Kunst der Maler, der Bildhauer und — der Damen-
schneider, wird Paris für alle Zeiten der geborene Mittel- und
Sammelpunkt sein. Aber ob es auch in der Zukunft noch
der Mittelpunkt für alle die Arbeit sein wird, die nach der
Seite des Technischen, Industriellen liegt, die immer souveräner
die Welt beherrscht? Es hilft nichts mehr: Paris, die einzige,
herrliche, unvergleichliche Stadt, ist schliesslich doch ein
gewaltiges Reservoir der ganzen Kultur der Vergangenheit.
Die moderne Kultur, die aus dem Geiste des 19. Jahrhunderts
geboren ward, ist in den nordischen, germanischen Ländern zu
Hause und erscheint hier doch immer als ein Eindringling, der
einsam und ohne Zusammenhang in einer fremden Welt steht.
Das neue Kunstgewerbe ist das echteste Kind und der
prägnanteste Ausdruck dieser modernen Kultur. Es ist kein
Wunder, dass es in Frankreich nicht recht vorwärts kommt.
Die grossen französischen Ingenieure — nicht alle — stehen
auf der Höhe der europäischen Leistung. Aber die Kunst-
gewerbler haben nicht die Fähigkeit, ihnen zu folgen, sich
mit ihrem neuen Geiste zu durchtränken. Die Ingenieure
haben prächtige Hallen und Kuppeln entworfen. Aber an
ihren schönen Werken klettern Tausende von rückständigen
»Schmuckkünstlern herum, um sie von aussen und innen so
lange mit werthlosem Plunder zu überkleben, bis von ihrer
eigenartigen Schönheit nichts mehr übrig bleibt. Richard
Muther hat in dem Aufsatz, den die Juni - Nummer dieser
Zeitschrift zum Abdruck brachte, darauf hingewiesen, wie
dies Zerstörungswerk auf der Aussenseite betrieben worden
ist. Es steht im Innern nicht um ein Jota besser! Das
schlimmste und schlagendste Beispiel bildet der riesige Fest-
saal auf dem Marsfelde. Man hat ihn gewonnen, indem man
die Maschinenhalle in drei Theile zerschnitt, rechts und links
die Nahrungs-, Genussmittel und landwirthschaftlichen Produkte
unterbrachte und die Mitte zu einer ungeheuren Salle des fetes
umgestaltete. Die konstruktive Arbeit ist prächtig. Alles
ist in grossen Linien gehalten, in angemessenen, harmonisch
wirkenden Verhältnissen. Aber die dekorative Ausstattung ist
so unerhört miserabel, dass man schaudernd die Flucht ergreift.
So liegen die Dinge in den französischen Abtheilungen
selbst da, wo wenigstens die Ingenieure versucht haben, den
erstarrten Formeln der Tradition zu entkommen. Man kann
sich denken, wie es da aussieht, wo nicht einmal dies der
Fall ist. Die andern Völker aber haben nur wenig dazu
gethan, die herrschende Geschmacklosigkeit zu unterbrechen.
Die in der modernen Innen-Dekoration führenden Nationen,
die Engländer, Amerikaner und Belgier, haben sich sehr
zurückgehalten, als hätten sie es gar nicht mehr nöthig, ihre
Meisterschaft zu beweisen. Am glänzendsten hat ohne Frage
1900. VII. 1.