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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Plehn, A. L.: Einfach oder Primitiv?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0141

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Juni-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 103.

Einfach oper primitiv?

Von A. L. Plehn, Berlin.

(Schlau.)

Wir gehen nicht täglich in Gesellschafts-Kleidern einher,
und wir sind leider nicht alle Besitzer solcher Schätze,
wie ich sie vorhin nannte, aber doch sind unsere Augen durch
die Bekanntschaft mit solchem hochentwickelten Schönheits-
Kultus verwöhnt worden und verlangen in der Linienführung
auch des anspruchslosen Materials, wenn ein solches unseren
Lebensverhältnissen entspricht, etwas von Verfeinerung im
Schlichten. Vor allen Dingen aber wollen wir nicht auf
Bequemlichkeit verzichten, da das Leben an die Widerstands-
fähigkeit der Meisten solche Anforderungen stellt, dass sie
alle Ursache haben, ihre Kraft und ihre Nerven zu pflegen.
Selbst in bescheidenen Zeiten wusste man, was es heisse, gut
zu sitzen. Darum haben sich die »Grossvaterstühle« so hart-
näckig in mancher modernen Einrichtung zu behaupten gewusst,
und nun sollten wir uns an steile Holzlehnen gewöhnen, den
Fuss auf harten kalten Stein setzen, den man höchstens mit
einem Strohgeflecht bedecken könnte?

Das Schicksal des englischen Möbels allein spricht deutlich
genug dafür, dass diese Bestrebungen keine Zukunft haben.
Das aus Prinzip rechteckige Kastenmöbel ist unentwickelungs-
fähig. Man kann nur immer dieselben Maasse wiederholen,
und will man ein Stück von dem anderen überhaupt unter-
scheiden, so bleibt schliesslich nur die Arbeit an den Beschlägen
oder die Färbung des Holzes übrig — also wieder das Aeusser-
liche, Zufällige. Darum fanden sich neben den primitiven die
überzierlichen, verzwickten Formen ein, welche bei uns viel-
fach als der »englische Stil« schlechthin bezeichnet werden.
Man verlegte sich auf das Experimentiren, hielt äusserlich
an der Gradlinigkeit fest, machte aber aus dem einheitlichen
Geräth ein System von Kästchen und Fächern, die unregel-
mässig aneinandergefügt wurden, leimte Galerien und Bord-
bretter an unmögliche Stellen und Hess mit einem Wort einen
missverstandenen Japanismus in den Merowingismus hinein-
pfuschen. Damit ist man natürlich erst recht in eine Sack-
gasse gerathen, aus welcher nur eine entschlossene Umkehr
helfen kann, und die ist ja nun eingetreten.

Um zu der Frage zurückzukehren, ob die Bezeichnungen
»einfach« und »primitiv« dasselbe bedeuten müssten, so haben
wir schon die Beweise, dass man schlicht sein kann, ohne
plump und unbequem zu werden. Die Möbel aus hellpolirtem
Fichtenholz, welche Dülfer in dem erwähnten Speise-Zimmer
auf den rothen Ziegelboden gestellt hatte, waren gerade durch
ihre Anspruchslosigkeit einnehmend, die geblauten Eisen-
beschläge wirkten koloristisch reizvoll, ohne durch Derbheit
glauben zu machen, dass sie bestimmt seien, einem kriege-
rischen Angriff Widerstand zu leisten. Freilich kann ich mich
nicht dazu überreden, es praktisch zu finden, wenn das Tafel-
geschirr in einem Dutzend verschiedener Schränkchen und
Fächer vertheilt werden soll, welche innerhalb der Wand-
vertäfelung für das Auge recht angenehm untergebracht war.
Auch manche anderen Künstler, ich nenne nur Gross in
Dresden und besonders Riemerschmid in München, haben
gezeigt, dass sich durch Schrägstellen tragender Glieder, durch
Abwechseln gerader Linien mit mässigen Biegungen, vor
allem aber durch vorsichtiges Abwägen der Holzstärken der
schmale Weg zwischen plumper Nüchternheit und spielender
Zierlichkeit hindurch sehr wohl inne halten lässt. Solche Vor-
bilder, die Gefälligkeit und Schlichtheit vereinen, sind viel
mehr geeignet, zum Verzicht auf scheinbaren Prunk zu über-
reden, als jene über ihr Ziel hinausgreifenden Bestrebungen,
uns auf die Ansprüche der Vergangenheit zurück zu werfen. —

Deutsche Glasmalerei-Ausstellung in Karlsruhe
im Jahre 1901. Unter den verschiedenen Veranstal-
tungen, welche der Badische Kunstgewerbeverein während
seines Bestehens zur Anregung und Förderung des Kunst-
gewerbes und insbesondere der heimischen Zweige desselben
getroffen hat, sind in erster Reihe mehrere Spezial-Ausstel-
lungen zu nennen. Sowohl die Deutsche Kunstschmiede-
Ausstellung 1887, als auch die vier Jahre später abgehaltene
Deutsche Fächer-Ausstellung und auch die in engeren Grenzen
gehaltene Ausstellung für Innen-Dekoration 1894 sind nicht
ohne nachhaltigen Einfluss auf die Entwickelung der betref-
fenden Gebiete geblieben. Nach einer längeren, schon durch
die vielen sonstigen Ausstellungen gebotenen Pause wird
nunmehr der genannte Verein für das kommende Jahr eine
Ausstellung von Glasmalereien veranstalten, die, unter dem
Protektorate Sr. Kgl. Hoheit des Grossherzogs und dem Ehren-
Präsidium Sr. Kgl. Hoheit des Erbgrosslierzogs ohne Zweifel
in gleich erfolgreicher Weise durchgeführt werden wird. Wie
der Vorstand des Vereins, Direktor Götz, bei der General-
versammlung am 21. Januar im Einzelnen ausführte, soll die-
selbe in den Räumen des bis dahin fertiggestellten neuen
Kunstgewerbeschul-Gebäudes in den Monaten Mai bis einschl.
September 1901 stattfinden und ausser modernen Glasgemälden,
Kunstverglasungen, Glasmosaiken und Glasätzungen auch
Kartons und Entwürfe zu Glasfenstern, sowie stilistisch und
technisch interessante Arbeiten aus älteren Kunstperioden und
einschlägige Text- und Illustrationswerke umfassen. Auf
Erzeugnisse aus dem Deutschen Reiche und den deutsch
redenden Theilen Oesterreichs und der Schweiz beschränkt,
will das Unternehmen — das erste seiner Art innerhalb dieses
Gebietes — ein möglichst erschöpfendes Bild von der heutigen
Entwickelung und Leistungsfähigkeit des einst so blühenden,
dann aber lange Zeit völlig vernachlässigten und erst in unseren
Tagen wieder zu neuem Leben erwachten Zweiges kunst-
gewerblicher Thätigkeit geben. Eine übersichtliche Zusammen-
fassung der verschiedenartigen Bestrebungen erscheint um so
wünschenswerther, als bekanntlich die Glasmalereien bei den
allgemeinen Ausstellungen bis jetzt nie recht zur Geltung
kommen konnten. In der Regel war schon ihre Aufstellung
eine mehr oder weniger ungünstige. Für den vorliegenden
Fall dürfte das in Aussicht genommene Ausstellungslokal
besonders geeignet sein, da es ausser den zahlreichen übrigen

Carl Spindler, St. Leonhardt.

Piano. Welt-Ausstellung.
 
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