Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

DOI Artikel:
Schulze-Köln, Otto: Patriz Huber und die moderne Wohnungs-Einrichtung
DOI Artikel:
Graevèll, A.: Unsere Möbel, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0068

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 46.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

März-Heft.

sieht in der gesammten Ausgestal-
tung eines Raumes, vom Fuss-
boden bis zur Decke, sein eigent-
liches Arbeitsfeld. Das einzelne
Möbel macht ihm weniger Freude,
wenn er es für sich entwirft, also
von vornherein nicht in einen be-
p) stimmten Rahmen eingliedern kann.

Mag der strenger denkende Fach-
mann hier und da bei Einzelheiten,
die oft blos der schönen Linie wegen geschaffen wurden,
völlig berechtigte Bedenken hegen, so wird dasselbe Urtheil
doch nicht umhin können, der grossen stilistischen Einheit,
die in allen Huber'schen Entwürfen — wenn auch unter
Anlehnung — vorherrscht, mit ganz besonderer Anerkennung
Erwähnung zu thun. Wir müssen
hierbei bedenken, dass wir es an
keiner Stelle mit der Ueberliefe-
rung historischer Stilformen zu
thun haben, denen Schuldrill
Berechtigung auf Neuwerthung
verliehen hat, sondern im Kerne
mit einer Formen weit, die dem
neuesten künstlerischen Schaffen
noch keine feststehenden Normen
geliefert hat. Von einer bestimm-
ten Schule für Innen-Ausbau

kann man noch nicht gut sprechen, — wenn überhaupt bei
den vielen Individualitäten eine solche zu erwarten steht —
noch immer überrascht uns jeder Tag mit Neuheiten, die eine
weitere kühne Steigerung des Gestrigen bedeuten. Für die
technische Ausführung alles dessen was auf dem Papier
oder auf dem Modellirbrett in geistvoller frischer Entwurfs-
Arbeit entsteht, würde allerdings ein langsameres Produziren
der letzteren wünschenswerth scheinen, um die Stilistik der
modernen kunstgewerblichen Gegenstände zu jener Reife zu
bringen, deren Obwalten in der Blüthezeit der Gotik und der
Renaissanse uns trotz aller Kulturwandlungen zu stetem Rück-
blicken, zu stetem bei ihr in die Schule gehen zwingen wird.
Geist und Materie sind jetzt noch lange nicht von jener
innigen Verschmelzung geläutert, die die gegenseitige Dienst-
leistung in gleichem Umfange als Lebensbedingung fordert.
Bei allem geistigen Schönthun wird zurzeit viel zu wenig
praktisch gedacht. Allegorie und Symbol, von der hohen
Kunst mehr oder weniger aufgegeben, werden jetzt schon in
Linien gelegt, die früher nur Linien waren, denen aber dadurch
eine viel höhere Bedeutung, ein höherer Selbstzweck gegeben
wird, dass sie durch Uebersetzung in irgend ein Material —
selbst gegen ihre Natur — etwas vorstellen sollen, was sie oft
ihrem innersten Wesen nach nicht sein können, nämlich Körper.

An der Ausführbarkeit der Huber'schen Entwürfe, nach-
dem sie durch die Nothwendigkeit der Werkstattzeichnung
gemassregelt wurden, zweifele ich keine Minute; ich habe ein
volles Vertrauen zu Huber durch seinen Werdegang, der ihm
auf die Dauer bis zu völliger künstlerischer Reife die nöthigen
Fesseln anlegen und ihn so vor zu gewagten Sprüngen be-
wahren wird. Bestärkt werde ich darin nach Einsichtnahme
der Entwürfe und Detailzeichnungen zu einem kleinen Saal
mit eingebauten Seitenkojen für das Schloss Heiligenberg,
bei Jugenheim an der Bergstrasse, des Prinzen Ludwig von
Battenberg, wozu ihm dieser erste grössere Auftrag nach
seiner Berufung in die hiesige Künstlerkolonie geworden ist.
Die Entwürfe und Vorarbeiten haben die vollste Befriedigung
des hohen Auftraggebers gefunden. Die Ausführung wird
später Zeugniss ablegen müssen, ob Patriz Huber in allem

den Erwartungen entsprechen wird, die die Fachkreise hegen
und die namentlich für die Berufung in die »Künstler-Kolonie«
nach Darmstadt an allerhöchster Stelle massgebend waren.
Ich glaube fest, dass Huber dereinst zu unseren besten Innen-
Architekten zählen wird.

Unsere Möbel

Von A. GRÄVEIX, Gommern b. Mügeln. (Fortsetzung a. d. Januar-Heft.)

Wir dürfen drei Momente als richtunggebend für die
neudeutsche Kunst der Innen-Dekoration bezeichnen;
nämlich 1. das Freihalten von allen antiquirten und fremd-
ländischen Motiven; 2. das Verwenden thunlichst nur inlän-
discher Arbeit und Materialien und 3. das Beschränken künst-
lerischer Formen auf die Gegenstände, deren Benutzung einer
künstlerischen Gestaltung nicht widerstrebt. Durch das letztere
Moment wird sich die neue Richtung am vortheilhaftesten
von ihren Vorgängern unterscheiden, die selbst die profansten
Gegenstände in das Bereich der künstlerischen Konzeption
zogen. Das wird einerseits eine wesentliche Vereinfachung
der Formen alltäg-
licher Gebrauchsge-
genstände zur Folge
haben, die die Freude
am Gebrauch erhöhen
hilft; und es wird
andererseits abhalten,
Dinge ins Bereich der
Kunst zu ziehen, die
keinempraktischenBe-
dürfnisse entsprechen.

Wenn die alten
Ritter in den Gelag-
stuben ihrer Burgen
die zinnernen Krüge
und Teller, die sie be-
nutzten, auf Bordbret-
tern zur Hand stellten,
so lässt sich das ver-
stehen, wenn aber in
einer modernen Woh-

nungs - Einrichtung
solche Paneelbretter
mit allerhand Tand
besetzt werden, der nie

in Verwendung kommt, so merkt man die dekorative Absicht
und wird verstimmt. Ein Zimmer soll an Möbeln und Geräthen
nur das enthalten, was — dem Benutzungszwecke des Zim-
mers entsprechend — darin gebraucht wird. In mancher
Hinsicht sind wir diesbezüglich bereits reformirend vor-
gegangen. Wir dulden in Wohnzimmern nicht mehr Auf-
bewahrungs-Möbel irgend welcher Art; wir weisen, wo es
der Platz zulässt — und er sollte das eigentlich überall —
auch aus unseren Schlafzimmern Kleider- und Wäsche-Schränke
fort in besondere Garderobe - Räume; wir kennen keine
prunkenden Geschirr- und Silber-Schränke mehr, weil wir es
nicht zum guten Ton gehörig betrachten, solche Sachen anders
als beim Gebrauch zur Ansicht auszulegen. In diesem Sinne
müssen wir fortfahren, Stück für Stück unseres Hausrathes
zu prüfen, ob es seinem Zwecke nach in das betreffende
Zimmer gehört, ob es daselbst praktisch gebraucht wird oder
ob es nur einem prahlenden Dekorationszwecke dient. Und
nach der Art seines praktischen Gebrauchs, nach dem Be-
nutzungszwecke des Zimmers und nach dessen architektonischer

Patriz huber.

Skizzen zu Küchen-Möbeln.
 
Annotationen