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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Schmidkunz, Hans: Zweck u. Kunst im Theaterbau
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D. R.: Beiträge, künstlerische und literarische für die "Innen-Dekoration"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0034

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Seite 20.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

wahn«, ist aber manches Wort zu sprechen und von künst-
lerisch Berufenen (wie z. ß. von C. Sitte in seinem noch lange
nicht ausgeschöpften Buch über den »Städtebau«, Wien, 1889)
auch schon gesprochen worden, wenngleich grossentheils nur
in den Wind. Es handelt sich nun für uns hier darum, dass
eine freie Anlage nicht auch gerade in die Mitte eines Platzes
kommen und besonders bei einer (heute so beliebten) Ueber-
grösse dieses leeren Raumes alle die praktischen und ästhe-
tischen Xachtheile einer solchen Stellung tragen muss. Zum
Freibauen und Freimachen genügt ein »Umgang«, und dieser
lässt sich auch nahe einem Platzrand, nahe den übrigen
Gebäuden schaffen, wie es bei den gothischen Kirchen
unserer alten Städte war; und zum anschaulichen Ueberblick
über ein Gebäude genügen einige ausgiebigen Perspektiven
von einigen Richtungen aus. Eine gut gewählte Aufstellung
(also nicht z. B. auf der inneren, konvexen Seite einer Ring-
strasse wie bei den zwei Hoftheatern in Wien) kann hier
besser wirken als die Aufpflanzung in der Mitte eines
Riesenplatzes, im Kreuzungspunkt aller möglichen Verkehrs-
und Visir-Richtungen.

Der Grundgedanke, den wir im Vorigen gewonnen
hatten, und der dem Kenner längst nicht mehr neu ist, war
die Forderung, »von innen nach aussen« zu bauen. An ihrer
mangelhaften Durchführung leidet unser Bauwesen noch
immer in den verschiedensten Beziehungen. Auch das
Hineinstellen eines Verkehrs- oder Versammlungs-Gebäudes
in die Mitte eines grossen Platzes geht zu sehr von dem
Gedanken an das Aeussere aus. Unsere Wohnhäuser und
Wohnungen ferner leiden unter der gleichen Verkehrtheit.
Erst kommt vermeintlich die Fassade, dann das Treppenhaus,
dann das Empfangszimmer, dann die Verkehrsräume, schliess-
lich Schlafzimmer, Küche u. dgl. Vielmehr sollte es um-
gekehrt sein und zuerst der praktisch und hygienisch wich-
tigste Theil des Hauslebens berücksichtigt werden, dann in
umgekehrter Reihe das Uebrige und zuletzt das Aeussere,
als »Ausdruck« des Inneren, mag auch dabei die Symmetrie
und sonst noch manches leiden. Unsere Landhäuser haben
häufig wenigstens eine Spur von Stil gerade dadurch, dass
man sie, eher als es bei Stadthäusern geschieht, in jener
Weise auf den inneren Gebrauch anlegt. Man bevorzugt
dabei mit Recht die im engeren Sinne sogenannte »offene«
Bauweise, die gegen Nachbargelände einen freien Abstand
lässt, und hat so ringsum den freien Umgang; allein schwer-
lich wird ein Villen-Herr den Platz, der ihm alles in allem
zur Verfügung steht, so benützen, dass er seinen Bau gerade
mitten hinein stellt, statt ihn gegen einen mehr oder minder
festen Rand anzulehnen und dadurch an Freiheit der Be-
wegung des Blickes u. dgl. zu gewinnen.

Wir sehen: praktisch bauen heisst nicht, unschön bauen.
Weit eher dürfte das Unpraktische auch unschön sein. Dies
schon darum, weil praktische Missstände auch die künstlerischen
Genüsse stören könnten. Im Budapester Theater ruht der
Plafond nicht auf der Galerie-Brüstung, sondern auf dem
»Ventilationsring«, der den Zuschauerraum umgibt. So ver-
mittelt eine hygienisch-praktische Vorrichtung zugleich den
freien Ausblick [auf die Bühne, also eine Förderung des
Kunstgenusses. Man frage im Zeitalter der Enqueten doch
einmal bei Schauspielern, Schauleuten und Schaustellern von
Beruf nach, wie sie über so manche moderne Anlage von
Theatern u. s. w. denken. Man hatte es z. B. bei dem Bau
des damaligen »Deutschen Theaters« in München anscheinend
gar nicht gethan, und selbst bei dem Bau des neuen, jetzt
schon wieder alten Burgtheaters in Wien hat man den Rath
eines Praktikers wie Dingelstedt kurzweg überhört. Nun
hatte man die Folgen zu tragen, zunächst durch die Kosten

eines Umbaus, die sammt allem Drum und Dran fast zu einem
eigenen Theaterbau gereicht hätten. Auch die Fragen, die
man beim Aufschlagen der Wohlthätigkeits-Baracke in Paris
anscheinend an Sachverständige nicht gestellt hat, würden die
Oeffentlichkeit interessiren. Allerdings besitzt diese Öffent-
lichkeit manchmal eine Lammes-Geduld.

Und doch sehen wir, wie gerade das, was diesem Begriff
der Oeffentlichkeit« zu Grunde liegt, im Laufe der Zeiten
stylbildend gewirkt hat; und wir sahen, dass dessen Bedeu-
tung darin noch nicht zu Ende ist. Sie kann noch viel
wirken — durch einen fortgesetzten Druck auf die dabei Be-
theiligten und Verantwortlichen. Mag man auch über eine
Demokratisirung des Bauwesens klagen, mag man selbst an
Boykottirungen unzweckmässiger Vergnügungsbauten u. s. w.
denken oder auch nicht: jedenfalls brauchen wir von all dem
hier Gesagten keinen Niedergang der architektonischen Kunst
zu befürchten und brauchen nicht erst darauf zu warten, dass
gesonderte künstlerische Anstrengungen, etwa eine aufgeklebte
Prunkdekoration, die angeblichen hygienischen Nüchternheiten
wettmachen. Mittelalterliche und auch Renaissancebauten
standen vor allem noch unter dem Zwang einerseits despo-
tischer politischer, andrerseits unsicherer socialer Verhältnisse.
Da war freilich die geschlossenste Bauart die beste. Allein
heute brauchen unsere Hof-, Bürger- und anderen Bauten
keine Festungen mehr zu sein, kein Zwing-Paris, kein Zwing-
München, kein Zwing-Berlin. Auch in diesen Dingen wird
einmal die Geschichte der Baukunst von Bastillen und von
ihren Opfern und ihrem Fall zu erzählen haben. Wenn jenes
Wohlthätigkeits-Unheil in Paris eine Art von bautechnischem
Bastillensturm war, so kann vielleicht schon die nächste Nach-
welt das Wort »Wohlthätigkeits-Bazar« in einem nicht blos
wohlthätigen Sinn wiederholen.

BEITRÄGE, künstlerische und literarische für die
»Innen-Dekoration«! Es ist vielfach unbegreiflicher
Weise die Ansicht verbreitet, als ob die Leitung der »Innen-
Dekoration« bestimmte Künstler und kunstgewerbliche An-
stalten bevorzuge und dass Einsendungen von anderer Seite
nicht in gleicher Weise Beachtung fänden. Wir wollen daher
auf das Bestimmteste erklären, dass diese Anschauung,
deren Ursprung uns unerfindlich, vollkommen irrthümlich
ist. Im Gegen theil: wir freuen uns jedes Mal, wenn uns
neues Material zugeht und prüfen ohne jede Voreingenommen-
heit auf das Sorgfältigste. Wir ersuchen also Künstler,
Firmen und Fachleute uns vertrauensvoll Entwürfe,
Studien, Fotografieen, Aufsätze aus dem Gebiete der
neuzeitlichen Innen-Architektur, des Möbelbaues und
Kunstgewerbes einsenden zu wollen! Wir werden es
ferner stets mit Dank begrüssen, wenn wir auf noch un-
bekannte Talente, auf neue oder in der Entstehung
begriffene Erzeugnisse, Wohnungs-Einrichtungen etc.
moderner Richtung und von echt künstlerischem
Karakter aufmerksam gemacht werden. Es bedarf oft nur
einer Postkarte um einem jungen, aufstrebenden Künstler
oder einer Firma, die sich opferfreudig in den Dienst der
neuen Kunstweise gestellt hat, die Vortheile zuzuwenden,
welche naturgemäss mit einer Publikation in unserer weit-
verbreiteten »Innen-Dekoration« verknüpft sind.

Freilich wird die Sichtung, die wir vornehmen, in Zukunft
noch strenger sein, als bisher. Zum Glück sind die Gewerbe-
künste und die Baukunst nunmehr auch in Deutschland und
Oesterreich in so kräftigem Aufblühen begriffen, dass man
die höchsten Maassstäbe anlegen darf und anlegen muss.
Wir wollen nach Möglichkeit nur solche Arbeiten zeigen,
 
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