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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Graevèll, A.: Dekorationen auf der Dresdener Bau-Ausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0234

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Seite 178.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

November-Heft.

Professor Emanuef. Sefdi., München.

Garten am Hause des Künstlers.

PekorationeN auf per Prespener Bau-Ausstellung.

Von A. Grävell.

(Schluss.)

Die Architektur ist nicht nur Wissenschaft, nicht nur
Handwerk oder Industrie, sie ist noch ein Drittes: sie
ist Kunst. »Kunst« ist der Gegensatz zu »Natur«. Wäh-
rend die Natur in ihrer Gesammtheit etwas Vollkommenes
ist, aber in ihren Einzel-Erscheinungen ausarten und zum
Gegentheil der Vollkommenheit herabsinken kann, strebt die
Kunst in jedem einzelnen ihrer Gebilde die Vollkommenheit
an und bleibt doch in ihrer Gesammtheit lückenhaft, also
unvollkommen. Eine Architektur-Ausstellung wird deshalb
das doppelte Ziel haben müssen: einmal die Fortschritte im
Einzelschaffen zum Ausdruck zu bringen, und sodann die
Lücken festzustellen, welche die Baukunst im Ganzen aufweist.
Und da konstatirt denn die Dresdener Bau-Ausstellung aller-
dings eine klaffende Lücke: in der Privat-Architektur.

Ich fasse diesen Begriff nicht so weit wie die Leiter der
Dresdener Bau - Ausstellung, die darunter — und auch das
ist karakteristisch — alles verstehen, was nicht zum »Staats-
bauwesen« gehört. Ob diese Unterscheidung im Wesen der
Architektur begründet ist, darf ich wohl dem Urtheile der
Leser dieser Zeitschrift überlassen, für mich ist es ganz gleich-
gültig, ob ein staatlicher Baurath, ein Kommunal-Baubeamter
oder ein Privat-Baumeister eine Brücke baut, wenn sie nur
fest, zweckmässig und schön ist. Aber ich fasse eine Brücke,
einen Bahnhof, ein Theater u. s. w. immer als einen öffent-
lichen Bau auf, im Gegensatz zu den dem Wohnzwecke
dienenden Häusern, die ich unter den Begriff »Privat-Archi-

tektur« oder auf gut deutsch »Wohnbaukunst« zusammenfasse.
— Von dieser »Wohnbaukunst« ist auf der Dresdener Bau-
Ausstellung verhältnissmässig sehr wenig zu sehen, obgleich
es zweifellos mehr Wohnbauten als öffentliche Bauten gibt.
Vielleicht hat man geglaubt, um deswillen davon Abstand
nehmen zu können, weil die »Privat-Architekten« gewisser-
massen tagtäglich und an allen Orten ausstellen. Das thun
aber die Staats- und Kommunal-Baumeister auch, und deren
Werke werden als »Monumentalbauten« auch täglich gebührend
bewundert von Fremden wie von Einheimischen. Von den
Privathäusern aber nimmt selten Jemand Notiz, und selbst die
wenigen, welche die Fremdenführer und Reisebücher als
»sehenswerth« verzeichnen, werden selten mit Verständniss,
höchstens mit nachbetender Bewunderung betrachtet. So ist
die Privat-Architektur das Aschenbrödel unter den Künsten
geworden, und — von der Gleichgültigkeit der Menge ge-
tragen — ist sie zu jenem schablonenhaften, geistlosen, an
Vorbilder klebenden Schaffen gekommen, von dem die
modernen Strassen unserer modernen Städte Zeugniss ablegen.
Umsomehr wäre Anlass gewesen, die Dresdener Bau-Aus-
stellung zu benützen, um auch diesem Stiefkinde der Musen
Gelegenheit zu geben, seine Kraft und Fähigkeit, Tüchtiges
zu leisten, zu bekunden. Und wenn von dieser Gelegenheit
zu wenig Gebrauch gemacht wurde so hätte die Ausstellungs-
leitung mit Hülfe von Behörden und Privaten Konkurrenzen
veranlassen sollen, um auf diese Weise Zeichnungen und
 
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