Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Die Trarbachschen Weinstuben in Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0101
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNCN'DEKORATfON

rtEINSTOLZ

XVI. 3HHRGHI1S.

Dcirmlfcidt 1905.

Die Trarbachschen Weinstuben in Berlin.

Dass es mit Berlin als Kunststadt noch immer
nur langsam vorangeht, hat seine guten
Gründe. In den leitenden Kreisen ist man
211 autoritativ gesonnen, um nicht die Seitensprünge
des Genies gegen wohlbewährte und durch Gebrauch
Und Abnutzung geheiligte Anschauungen als irri-
tierende Auflehnungen zu empfinden, und so wurde
denn mit grösstem Gepränge gerade in diesen
Tagen das massigste und höchste Denkmal einer
k°rnpilatorischen Kunst der Öffentlichkeit über-
geben, einer Massentürmung und Formen-Nach-
ahmung, die wirkliche Kunst niemals war, ist und
sein wird, es sei denn, dass einst der Mosaikarbeiter
dem Erfinder des Mosaikkartons gleichgeachtet wird.
^° gipfelt denn die offizielle Berliner Kunst in der
grossen prunkvollen Maschine des Neuen Domes, dem
^ammutwerke seelenloser Zweck- und Stilmaskerade.
^*e Millionäre aber, die zweite für wirksame Kunst-
0rderung in Betracht kommende Schicht, haben hier-
°rts fast durchweg noch immer ein zu mühevolles
Leben, um sich den Erlösungen der Kunst hingeben
*u können; wenn der eine, schier nur noch an den
^edici zu messende Wertheim Nachfolge finden
^°Ute, so geschieht es mehr aus Konkurrenz- als aus
Unstbedürfnis, dessen darf man ziemlich sicher sein.

Da kann denn die Kunst kaum noch Ausdruck
°chster Ideen sein; wozu kein Boden vorhanden,

das wächst auch nicht. Ungewollt aber gibt die
Kunst denn doch auch in Berlin das Bild der Zeit
wieder, die von Gott Merkur in Handel und Verkehr
nicht nur beherrscht, nein, schier besessen erscheint.
Sein edelstes Wahrzeichen ist der schon berührte
Warenhauspalast Wertheim, und was sonst Be-
merkenswertes entsteht — abgesehen von der einen
seltsamen und gleichenlosen Wunderblume des
Neubaues für das Landgericht II mit dem kühnsten
Treppenraume der Welt — das ist Kaufmanns-
und Kneipenkunst. Gut; nach dem Charakter
unserer Zeit hat auch die ihre Berechtigung, wenn
sie nur wirklich sich bis zu eigentlicher Kunst klärt
und nicht gleich zu dem stillosesten Bacchanal des
Berliner Protzentums und der Reklamesucht, jenem
mosaikstrotzenden romanisierenden Prunkraum, in
dem Lehmanns und Püsickes ihre »Jauerschen« ver-
tilgen , dem Bierhaus Alt-Baiern, auswächst. Das
ist einfach Prostitution und eine der deutlichsten
Verfallserscheinungen unserer Zeit. Aber wie sehr
auch das Marktschreiertum überhand nimmt und
in immer abscheulicheren Formen die Strassen mit
Beschlag belegt: einige Wenige bleiben doch noch
alten Geschäftsgrundsätzen treu und legen mehr
Gewicht auf den Beifall der Urteilsfähigen und
Vornehmen, trotz deren Minderzahl, als auf die
Verblüffung der breiten Masse. Auch sie ver-

1905. IV. I.
 
Annotationen