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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Haberditzl, Franz Martin: Studien über Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0275
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STUDIEN ÜBER RUBENS.

Von

F. M. Haberditzl.

I. Einige frühe Werke des Rubens.



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as Rubens im Atelier seines Lehrers van Veen gemalt hat, ist vorläufig kaum ver-
mutungsweise feststellbar;1 die Frage ist für das Stadium der künstlerischen Ab-
hängigkeit des Schülers vom Lehrer besonders kompliziert. Die Werke aber, die
dem Künstler für die Zeit vor seiner Italienreise ohne Rücksicht auf das Oeuvre
des van Veen und dessen stilistische Merkmale oder für die ersten Jahre seines
italienischen Aufenthalts ohne klaren künstlerischen Zusammenhang mit den we-
nigen durch schriftliche Nachrichten gesicherten Werken dieser Periode zugeteilt

wurden, figurieren ohne jede Berechtigung, aus mancherlei ganz äußerlichen Gründen, die einer ernst-
haften Kritik nicht standhalten können,2 im Oeuvre des werdenden Künstlers.

Die frühesten, auch durch schriftliche Quellen bezeugten Werke, die wir von Rubens kennen, sind
jene drei Gemälde, die er Ende 1601 bis zum Frühjahr 1602 in Rom im Auftrage des Erzherzogs
Albrecht, Statthalters der Niederlande, für die Kirche S. Croce in Gerusalemme gemalt hatte. Von die-
sen Bildern (1. Die heilige Helena mit dem Kreuz Christi, 2. Dornenkrönung, 3. Kreuzaufrichtung), die
sich heute in der Hospitalskirche zu Grasse in Südfrankreich befinden, kann eine stilkritische Unter-
suchung ausgehen.

In einer kurzen Notiz3 hatte ich bereits Gelegenheit, auf ein in der Literatur irrtümlich dem van
Dyck zugeschriebenes Gemälde, eine «Grablegung Christi» in der Borghesegalerie zu Rom (Taf. XXIV),
hinzuweisen, das, zweifellos ein Werk von Rubens, in seinen stilistischen Merkmalen die allernächste
Verwandtschaft mit der Gruppe der drei genannten Gemälde aufweist. Wenn wir versuchen dies im
einzelnen festzustellen, fällt zunächst auf, daß die heilige Helena auf der Mitteltafel in Grasse (Fig. 1)
der jungfräulichen Mutter auf dem Gemälde der Grablegung in allen Zügen des Gesichtes gleicht; die
Kopfstellung ist die gleiche, der Augenaufschlag derselbe. Und dieser Kopf erscheint besonders charak-
teristisch für die frühen italienischen Werke des Rubens. Einzelheiten der Zeichnung im Gesichte,
dann der Habitus des Körpers, auch die zarten, feinen, etwas gespitzten Finger, schließlich die klein-
lichen, brüchigen Falten der Gewandung — eine künstlerische Formensprache, die wir auf den beiden
Vergleichsfiguren wiederfinden, — kennzeichnen den Schüler van Veens. Für den seelischen Ausdruck
im Antlitz Helenas wie der Jungfrau Maria, den pathetischen Aufblick, der beide Gestalten in gleicher
Weise charakterisiert, dürfte Rubens kaum ein Erinnerungsbild aus dem Atelier seines Lehrers und der
heimischen Kunst zu Gebote gestanden sein.

Es wurde mehrfach die Vermutung ausgesprochen, Rubens habe für die heilige Helena Raffaels
berühmtes Gemälde der heiligen Cäcilie in Bologna zum Vorbild genommen.4 Der Hinweis ist viel-

1 Vgl. meine Ausführungen in der Abhandlung «Die Lehrer des Rubens»: Jahrbuch der Kunstsammlungen des Ah.
Kaiserhauses, Bd. XXVII, S. 161 ff.

2 Vgl. die grundlegenden diesbezüglichen Ausführungen in G. Glücks Besprechung des Bandes Rubens der Klassiker
der Kunst: Kunstgeschichtliche Anzeigen 1905, S. 51 ff.

3 Besprechung des Bandes van Dyck der Klassiker der Kunst: Kunstgeschichtliche Anzeigen 1909, S. 58 ff.

4 Daß Rubens die Ausdrucksmittel seiner künstlerischen Sprache bei Raffael suchte, ist bekannt. Auf dem Helena-
bilde finden sich auch außer der Heiligenfigur mehrfach derartige Anklänge. Die beiden gewundenen Säulen im Hinter-

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