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Sie dachte, daß die Sonne er bald trocknen
würde. Allein ein Regen kam. Cordula wartete
zwei Tage und legte schließlich das Kleid noch
ganz feucht wieder an.

Ein andermal trat sie in eine einsame Hütte,
um dort um Brot zu bitten, und fand drinnen
eine alte Frau krank im Bebt liegen, die niemand
zur Pflege hatte. Cordula unterbrach ihre Reise
und verließ jene nicht, bis sie genesen war. Das
arme Mädchen hatte dabei ein umso größeres
Berdienst, als sie die Flucht der Stunden und
der Gedanke marterte, daß sich das Heer der
Jungfrauen inzwischen immer weiter entferne.
Durch diese gute That verlor sie wieder eine Woche.

Eines Abends erreichte sie endlich die Stadt
Basel. Ohne den smaragdenen Fluß zu betrachten
oder die violetten Schatten, mit denen sich die
Kirchthürme und Giebel von dem goldenen Himmel
abhoben, forschte sie nach dem Durchmarsch der
Jungfrauen und erfuhr, daß sie mit großer Pracht
in allen Kirchen empfangen worden und vor drei
Tagen weiter gezogen seien.

Sie hatten Geld; sie waren gut genährt; sie
hatten elfhundert Wägelchen gemiethct; und später
übersetzten sie die Alpen auf elftausend Maulthieren.

Cordula hatte nur ihre Beine und nahm zu
Fuß wieder ihren endlosen Weg auf. Sie ging
und ging, olme der Steine und Dornen, des
Staubes, Regens und Windes zu achten, ihren
Sinn fest auf das Ziel ihrer Reise gerichtet. Und
Tage folgten auf Tage, und nach langem Marsche
sah sie eines schönen Abends Rom am Horizonte
anftaucheu.

... Man sagte ihr, die Jungfrauen hätten
einen Monat in Rom mit heiligen Festlichkeiten
zugebracht, der Papst hätte sie gefeiert und gestern
seien sie weitergezogen, sodaß sie eine Tagreise
entfernt sein müßten.

Cordula machte sich wieder auf den Weg, ge-
leitet von dem Lilienduft, den das jungfräuliche
Heer hinter sich zurückließ.

„Run hatten zwei böse Menschen, Anführer der
römischen Truppen, Maximus.und Africanus mit
Namen, die große Menge Jungfrauen in Rom ge-
sehen und daß viele Männer und Frauen zu ihnen
gingen und sie um Rath fragten. Da fürchteten
sie, daß die christliche Religion dadurch einen be-
deutenden Zuwachs gewinne, und sie schickten zu
ihrem Verwandten Julius, dem Fürsten der Goten
und Hunnen, damit er mit seinen Soldaten gegen
sie ziehe und sie töte, wenn sie in Köln ankämen."*)

Tiarum sah Cordula, als sie (ein paar Stunden
zu spät) sich der- Stadt näherte, die elftausend
Jungfrauen in weißen Kleidern mit der Prinzessin
Ursula und den zehn Hofdamen auf einer großen
Wiese stehen, während die Goten und Hunnen
regelmäßig ihre Pfeile auf sie abschossen. Die klei-
nen Märtyrinnen mit den gewölbten Stirnen hielten
sich ganz gerade, jede erwartete ihren Pfeil mit
einer Gebärde, als wolle sie sanft eine große Fliege
verscheuchen, wie man es auf den Bildern sehen
kann, die Memling auf den Religuicnschein der
heiligen Ursula gemalt hat- Hübsch ehrbar sielen
sie mit den Ellbogen am Leib in ganzen Reihen
nieder und stießen dabei nur einen artigen kleinen
Schrei aus.

Und bald war der ganze Boden mit weißen
Kleidern bedeckt, dazwischen hie und da ein Blut-
fleck; und die Wiese glich einem seltsamen Schnee-
feld, darein strichweise leuchtender Mohn gesät war.

Cordula hätte sich gern zu ihren Gefährtinnen
gesellt. Aber nach der langen Reise war ihr Kleid

*) Aus dem „Goldenen Legendenbnch".

in so erbärmlichem Zustand, daß sie sich schämte
und fand, sie sei für den Martertod nicht würdig
genug angezogen.

Und vielleicht hatte sie auch Angst.

Sie floh in einen Wald und schlief ein. Da
erschien ihr ein Engel im Traum und sprach zu ihr:

„Du kränkst mich sehr, liebe Cordula. Der
Herr hat elftausend Engel ausgesandt, um die
heiligen Seelen Ursulas, ihrer zehn Hofdamen
und der elftausend Jungfrauen aufzunehmen, wenn
sie dem Kerker ihrer Leiber entfliehen. Ich hätte
deine Seele emportragen sollen. Willst du nun,
daß ich mit leeren Händen zum Paradies zurück-
kehre und die andern Engel mich verspotten?"

Am nächsten Tag trat Cordula allein vor die
Barbaren, die sie verächtlich erstachen. Und ihr
einsames Martyrium war gewiß schmerzhafter und
verdienstlicher, als das der Jungfrauen, die alle
zusammen gestorben waren.

Trotzdem vergaß man sie in der Liste der
Blutzeuginnen und bei dem jährlichen Fest, da?
ihnen zu Ehren eingesetzt wurde.

Aber da erschien sie einem heiligen Abte, der
dm elftausend Jungfrauen seine besondere Ver-
ehrung geweiht hatte (ohne irgend einer den Vor-
zug zu geben), erzählte ihm ihre Geschichte und
sprach schüchtern den Wunsch aus, man möge ihr
Fest einen Tag nach dem ihrer Genossinnen feiern.

So geschah es; und sie bekam ihre Messe für
sich allein.

Das hatte sie sich sicherlich wohl verdient, diese
unschuldige Patronin der Pechvögel und Nach-
zügler, aller jener, „die den Anschluß versäumen".

(Deutsch von Melanie Blauste!n.)

Epigramme

von Ravl Ettlingen

Die neue Operette
Wie blöd, wie abgeschmackt, wie ordinär!

Die Dudele! wird niemals populär!

„Halt ein! Zn schlecht um populär zu werden?
So etwas Schlechtes gibt es nicht auf Erden!"

Immer derselbe

Ein Pfarrer ward in Räubers Hand gegeben:

„Ich lasse nichts Dir, als Dein nacktes Leben!"

Der tugendsambe Pfaff ward blaß und roth:

„Das nackte Leben?—Schlag mich lieber tot!"

Zweierlei

Das Glück der Ehe ist zumeist
Bei Licht beseh'n recht fadenscheinig.

Denn Mann und Weib, wie's Sprichwort heißt,
Sind eines zwar, doch selten einig.

Ein Märchen

Mein Enkel um ein neues Märchen quälte,

Denn all' die alte» waren ihm schon kund.

Ich, schnell gefaßt, besann mich und erzählte:

,Es war einmal ein Mensch, der war gesund ..‘

Der Autor spricht:

Daß man mein Buch nicht las,

Das ist mir ganz egal.

Mich ärgert einzig das:

Man kauft es nicht einmal.

Entschluß

Alljährlich kriegt ein .Kind Frau Margareth.

Das scheint das arme Weibchen sehr zu grämen,
Sprach sie doch jüngst: „Wenn das so weiter geht,
Muß ich mir einen andern Hausfreund nehmen."

Der ungeketene (Baff

Juftue Die; München)

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