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1906

JUGEND

Nr. 15

toi) gemalte Winternacht mit einem Schlitten, vor
dem drei Pferde in den tollstell Verkürzungen der
Momentphotographie dahin sprengten, ihre zwölf
Beine in beängstigendem Wirrwarr durcheinander
werfend. Im Hintergründe raste ein Rudel Wölfe
nach! Hansel deutete auf die Schwarte und sagte:

„Da hängt die Magdalena! Gelt, da schaust
Du? Sie thut jetzt Buße in Schnee und Eis!"
Und als ich recht verständnißlos dreinsah, fügte
er bei:

„Weißt Du, der Hansel Birkhofer ist drunten,
der Barrowsky ist oben drauf: Malt sich wunder-
schön auf abgeschliffene Bilderl" Er machte den
schnarrenden Ton des Polen nach.

„Du hast —"

„Ich Hab', als es gar nicht mehr anders ging,
dem Pollacken die Leinwand mit allem Alidern,
was im Atelier war, verkauft und die Kunst an
den Nagel gehängt. Und der Barrowsky hat das
Bild wirklich auf die abgeschlisfene Magdalena
hinaufgemalt. Da hinten läuft, immer noch sicht-
bar für mich — die Contour der unglückseligen
Hüftpartie durch den Himmel. Weißt Du — ich
war dem Kerl Geld schuldig — darum Hab' ich
mich auch müssen von ihm so kninieren lassen."

„Und Du bist nicht mehr — bei der Kunst?"

„Seit anderthalb Jahren nicht mehr. Oder
doch nur mehr bei der „angewandten": ich ar-
beite als Zeichner in der Fabrik des Herrn, der
mich ausbilden ließ. Mußt mich nicht verachten
darum — ich Hab' Frau und Kind und wir
kommen gut aus. Ich Hab' — Du hast sie ja
erkanntI — die Leni geheirathet, die ich gern ge-
habt habe — na und in den Glaspalast bin ich
jetzt auch gekommen — was will ich mehr'?" —

Er sah mich mit heißen feuchten Augen an
und als er so etwas wie tiefes Mitleid auf den
Zügen des alten Kameraden las, sagte er leise:

„Was willst Du — es kann nicht Jeder Alles
aus erster Hand haben!"

Strandgut

Es gibt nichts Jrrenderes als die so-
genannte Wirklichkeit; das ist freilich das
Einzige, was mit ihr versöhnen könnte.

Nicht zu Hanse zu sein, ist die Liebens-
würdigkeit der unliebenswürdigen Menschen.

Das sind die Pole der Menschheit, so-
weit sie edel ist: denen nichts Wirkliches
werthlos ist — und denen nichts Werthloses
wirklich ist.

Es ist unvornehm, immer Recht behalten
zu wollen. Es zeigt, daß das Gefühl des
eigenen Werthes, der eignen „Berechtigtheit"
nicht stark genug ist, um eine Erschütterung
oder einen Abzug zu vertragen.

Die Liebe ist nicht nur immer aus dem
Wege vom Nicht-Haben zum Haben, wie Plato
meinte, sondern auch vom Haben zum Nicht-
Haben. Das ist zugleich ihr Reiz und ihre
Gefahr.

Wenn /man älter wird, verlangt man
nicht mehr, mit seinen Freunden die Er-
lebnisse. sondern die Resultate der Erlebnisse
zu theilen.

Wundervoll ist die Nüchternheit des
Trunknen; entsetzlich die Trunkenheit des
Nüchternen

Der Mensch ist das hungrige Wesen
schlechthin. Nur das Thier ist satt, wenn
es gegessen hat.

G. S.

Der unzufriedene
Münchner Hofthearer-Abonnent

v. Speidel: „Nehmen Sie mirs nicht übel,
aber Sie scheinen wirklich wenig für die Kunst
übrig zu haben> wer es ernst damit meint und
unfern Knote hören will, der scheut auch eine
Reise nach Amerika nicht!"

Zukunftsbild aus einer ungarischen
Raserne

Oberst: wer spricht denn hier in der Raserne
deutsch?

Korporal: Melde gehorsamst der Papagei vom
Herrn Feldwebel... !

Oberst: Sofort Rragen umdrehen. —

Gedanken des Mfterhafen

Meine Häsin hat beute ein rotes Ei ge-
legt und ich bin brau» — das beunruhigt mich
außerordentlich.

*

Modernes Spielzeug zimmert Ihr!

Mich faßt ein Grausen, ein gelindes:

Die Kunst des Ei er finde ns ist mir :

Die liebste „Knnst im Leben des Kindes."

¥

Bis man bei so einer protestantischen Pa-
ftorsfamilie für alle Kinder Eier gelegt hat —!
Nun ja, dafür braucht man ja bei den katho-
lischen Pfarrern fast gar keine zu legen!

Helios

Der Mucker

„(Es gibt unter den wil-
den Mütter, die ihren
Säugling auf dem Rücken
tragen und ihm die Brust
über die Schulter reichen."

„Das gefällt mir; es
ist ja auch für die Mutter
sehr §enam, wenn das
Rleinesie dabei an-
schaut."

Aadres keschicbtcden

Das Bataillon hat mise-
rabel exerziert — direkt
zum Erbarmen. Der Herr
Oberstleutnant sprengt
wüthend vor die Front
und schreit: „Ihr wollt
Aarler sein? Ihr wollt
ein Bataillon sein, das bei
Aspern gesiegt hat? Und
^ soll euch kommandie-
ren? Euch kann nur ein
-chwein kommandieren.
- Herr Major, über-
nehmen Sie das Kom-
mando!"

Rud. v. Hlf am MciltM

Rudolf Bacher (Wien)

üue der Akemfkadt

Frau Lehrer Waich ler
weiß sich stets sehr ge-
bildet und fein auszu-
drücken. Bei dem Lonfir-
mationskaffee ihrer Toch-
ter Lilly erläutert sie dem
Besuch die verschiedenen
Geschenke: „Bon Onkel
Robert hat Lilly dies
„ Vergißmeinnicht, " von
Tante Mimi die „palm-
blätter" bekommen. Die
anderen lieben Verwand-
ten haben ihr diese pracht-
vollen Blumen verehrt,
und Tante Iulie hat ihr
diesen niedlichen — mit
Lrlaubniß zu sagen —
Kaktus geschenkt."

Zur

gefälligen Beachtung

Rebenstehende Zeichnung
stammt aus dem Buche Lud.
Hevesi's: „Rud. v. Alt",
Verlag von Carl Kone-
gen in Men.

ZOc)
Register
Redaktioneller Beitrag: Redaktionelle Notiz
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Kleinstadt
Helios: Gedanken eines Osterhasen
[nicht signierter Beitrag]: Zukunftsbild aus einer ungarischen Kaserne
[nicht signierter Beitrag]: Der Mucker
[nicht signierter Beitrag]: Der unzufriedene Münchner Hoftheater-Abonnent
Rudolf Bacher: Rudolf von Alt am Maltisch
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
G. S.: Strandgut
 
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