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CARL STUARTS

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einer auffallend tiefen erwiderte. Die Stühle waren unter dem Baldachin
aufgestellt, die Unterhaltung, in französischer Sprache, währte eine halbe
Stunde. Die Fürstin, der er sich gegenübersah, war die Tochter Heinrichs
von Navarra, die ältere Schwester seiner späteren Gemahlin. »Ich habe
wenig Freud' auf Spaniens Thron,« hätte sie mit Shakespeare's Elisabeth
Grey sagen können. Und noch weniger Freiheit; ihre Kerkermeisterin
(camerera mayor) war die intriguante verwachsene Gräfin Olivares. Sie
war, wie sich leider zu spät zeigte, fähiger zum Regieren als ihr Gemahl,
der Held zahlreicher galanter Abenteuer; aber schon als Französin wurde
sie von jedem Einfluß ferngehalten.

Der Prinz ward nun in die ihm bestimmte Wohnung des Palastes
geführt, dieselbe welche der kürzlich verstorbene Minister Züniga inne
gehabt hatte, wo ihn die Brüder des Königs, Don Carlos und Don Fernando,
der vierzehnjährige Cardinal-Erzbischof von Toledo, empfingen. Dieser
hat sich ihm dann sehr angeschlossen. Die Wohnung lag im untern Stock
mit Fenstern nach Süden, hinter dem »Garten der Königin«. Hier fand
er ein reiches Geschenk Ihrer Majestät: köstliche, wohlriechende Truhen,
Handschuhe, einen Schlafrock, feines Leinenzeug.

Zum Begleiter und Führer (mayordomo mayor) war ihm der Graf
Monterey bestimmt, der Schwager des Olivares, ein seltsam kleines, stolzes
Männchen, später berühmt durch die Kunst- und anderen Schätze, die er
aus seinem Vicekönigtum Neapel nach Spanien entführte.

Und nun begann eine Reihe von Festlichkeiten im Park und auf der
Pla\a mayor am 21. August, wie sie Madrid in so kurzer Zeit noch
nicht gesehen hatte. Dabei erschien die Infantin begleitet von dem jungen
Cardinal Ferdinand, in weiß, der Farbe des Prinzen. Drei Nächte durch
war die Stadt erleuchtet, Feuerwerke prasselten auf allen Plätzen. Die
Gefängnisse wurden geöffnet, alle Gnadensachen förmlich in Carls Hand
gelegt, die Luxusgesetze gegen die verbrämten Kleider und Spitzenkragen
suspendirt. Alle Gesandten machten ihre Besuche, mit Ausnahme des
Nuntius, der erst den Dispens abwarten mußte. Sie redeten ihn jeder in
seiner Sprache an, italienisch, französisch, der kaiserliche sprach lateinisch;
der Prinz ließ durch den Dolmetscher spanisch antworten. Sogar die
Prälaten mußten heran, der Patriarch beider Indien an der Spitze; am
längsten sträubte sich der Großinquisitor Pacheco, aber auch er kam1).

Ein wunderliches, gestaltenbuntes Mittelalter zog an dem Engländer
vorüber in diesen ritterlichen und höfischen, kirchlichen und volkstüm-
lichen, meist höchst fremdartigen Festen, deren ganzes Arsenal jetzt auf-
geboten wurde. Täglich tausend Escudos soll der Gast dem Hof gekostet
haben. Comödien, Caroussels, Turniere in der Osternacht, sechzig mas-
kirte Cavaliere mit Windlichtern; Jagden im Pardo, am 8. April des
Königs Geburtsfest in Aranjuez, wo der florentiner Ingenieur Julio Cesare

') Franc. Nerli's Depesche an den Herzog von Mantua vom 7. April. Gonzaga-Archiv.
 
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