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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schulze, Otto: Die verschiedenen Gebiete der Keramik an der Hand unserer Abbildungen
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Hofmann, Albert: Böhmisches Kunstglas
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0303
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November-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite s73.

nissen, in Heuerarbeiten erster Glaskünstler die hervorragendste Pflegstätte
dieser Art Deutschlands. Die Gläser der Hütte zeigen uns die Abbil-
dungen Nr. 7^6—763 und 765—788. Ihr Hormenreichthum spiegelt
alte und neue Kunst wieder, echt römisch, maurisch, italisch und
nicht zuletzt echt deutsch, was ss2 verschiedenen Römerformen zeigen.
Die Wiederausfindung des Goldrubinglases — Kunckelglas, Zeit des
großen Kurfürsten um s675 — gehört aber unstreitig zu den größten
Errungenschaften Direktors Rauter und seiner Künstler. Hier handelt
es sich um ein voll in der Masse gefärbtes Goldrubin, dessen Heuer
und Leuchtkraft sich in jeder Verarbeitung erhält, sowohl bei dem ge-
schliffenen dickwandigen Pokal, als bei dem zierlichen dünnwandigen Kelch.

Zn den Abbildungen Nr. 676—680 geben wir noch eine kleine
Auswahl „venezianischer Hantasiegläser" der Gräflich Harrach'schen
Hütte in Neuwelt in Böhmen, welcher auch die auf Seite s7s unter

ohmisches.Mnnstglas.

von Albert Hofmann, Berlin.

H^'n zahlreichen Familien trifft man heute noch auf eine ganze Reihe von
Gläsern, die sich aus altem Besitz von Generation zu Generation vererbt
haben und in der Hand der letzten Generation ein beliebter Zimmer- und Tafel-
schmuck geworden sind. Andererseits werden diese Gläser heute beim Antiquar mit
Eifer gesucht und gut bezahlt, um in den Haushalten, welche sich eines ererbten
Besitzes nicht erfreuen können, in gleicher weise zum Schmuck der Wohnung zu
dienen. Ls sind dies eine Reihe der verschiedenartigsten Glasformen, wie sie die
Museen mit Vorliebe sammeln und die sich die moderne Glasproduktion mit nicht
geringerer Vorliebe zu Nutze macht und in der That da vorzügliches leistet, wo
sie sich an diese guten alten Vorbilder hält. Die Formen sind einmal Becherformen,
seltener rund, meistens s und 8 kantig, pokalformen mit Deckel, ebenfalls polygonal
im (puerschnitt; sodann Formen, welche Muscheln oder ähnliche Gebilde nachahmen
und nach den entsprechenden kostbaren italienischen Stücken ans Kristall gebildet

Kollektion 765—788. Evzrugnilsp dep Rhein. Glashütten-Aktien-Gesellschaft, Köln-Lhrcnfcld.

Nr. 7H3—7^5 abgebildeten drei mit Schmelzfarben dekorirten Vasen
entstammen. Den Beschluß möge hier der herrliche, reiche „Kristall-
Lüster", Abbildung Nr. 78g, von Reinh. Palme Söhne in Haida
in Böhmen machen.

Ueber die technische Seite der Glasfabrikation ließe sich noch viel
sagen, die Materialmischung, Schmelzung und Verarbeitung der ver-
schiedenartigsten Massen ist jedoch zum Theil so verzwickt, daß sie ohne
eingehende Beschreibung dem Laien unverständlich bleiben würde. Es
sei nur erwähnt, daß Böhmen, England und Amerika überwiegend
kali- und bleihaltige Gläser, also mehr Hartglas pvoduzirt, des schweren
Schliffdekors wegen, während die meisten deutschen Hütten das Natron-,
Soda- und leichtere Bleiglas verarbeiten, bedingt durch die vielen Einzel-
prozesse, welche besonders die Knnstgläser durchzumachen haben, für
welche das Weichglas vorzuziehen ist. Immerhin hoffen wir innerhalb
dieses Rahmens den Lesern manche erwünschte Notiz gegeben zu haben,
um auch dieses Keramik-Heft den vorausgegangenen Sonder-Heften
würdig anzureihen.

sind. Alle bestehen aus dem schweren Bleiglas und sind auf das Reichste mit
eingravirten Grnamenten bedeckt, die sich in den verschiedensten Formen bewegen.

Line andere Gruppe, nicht minder beliebt, besteht aus einer gewöhnlichen Glas-
masse und zeigt die oft bizarren Formen von Bären, Katzen, Vögeln, Fischen usw.,
entweder zum Stehen oder zum Liegen eingerichtet, bisweilen auch als vexirgläser
gebildet und als solche selbständige Formen aufweisend. Line dritte Gruppe endlich
besteht ans dicken, schweren Gläsern, bei welchen der versuch gemacht ist, kostbare
Halbedelsteine in Glas nachzuahmen und beim Glase weniger auf die Form des
Gefäßes zu sehen, als auf die Schönheit des farbigen Gefüges und die Kostbarkeit
des nachgeahmten Steines. Alle drei Formen kommen heute noch häufig als
Zimmerschmuck oder als Schmuck der Tafel vor. Die an erster Stelle genannten
Gläser sind die kostbarsten, dann folgen die emaillirten und achatirten und endlich
die Thiere und andere Vorbilder nachahmenden Gebilde aus gewöhnlichem weißem
Glas. In den wenigsten Fällen nun ist es bekannt, daß die meisten dieser Gläser
aus Böhmen, aus dem Lrz- und Ricsengebirge stammen. Ls dürfte daher an
dieser Stelle eine kurze Schilderung des böhmischen Kunstglases gerechtfertigt sein.

Die frühesten Spuren der böhmischen Glasfabrikation gehen bis in das
11. Jahrhundert zurück. Aus den folgenden Jahrhunderten liegen keine Nachrichten
über die böhmische Glasindustrie vor, auch sind Glasgefäße aus der Zeit Karl's IV.
(zzqs—1278) oder aus der vor ihm liegenden Zeit nicht zu meiner Kenntniß
 
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