Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 2.1895

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8035#0021
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2! -4-

X

Nünchen, ^5 18^5.

Nr. 3.

LerlündigüWvlatt de§ 8ervande§ deütsSek Kunstgeweröe'Zereine.

^ezug der „Zeirschrifc" sammr der „Runftgewei-blichcn Rundschau": Durch den

Vuchbandel, dre ssost oder die Geschäftsstelle M. Schorß verlog, München, Röniginstr. 5>?r.
!Nk. ^6 p. a.; die Mitglieder des Bayer. Runstgewerbe-Vereins Oabresbeitrag Mk.)
erhalten die Zeitschrift lammt Runstgewerbliche Rundschau unentgeltlich. — Die »Zcir-
schrifc" erscheint jährlich in ^2 Monatsheften; Reklamationen von Mitgliedern wegen
ausgebliebener Nunrmern können nur dann auf Berücksichtigung Anspruch machen,

wenn dieselben spS.es.on- »,b.zdk„ Tasc uncl Ecscbcmc., dcc fsiscndc» r.7ummc>-
auf dem vereinssekretariat angemeldet werden.

Hccausucdcr Sayer. «un»g'werbe.verein. lpfandbausstrahe — Rcdclknd» -
p,°s. k Gn,eli,r lkllisenstrasie s8) - DrucbV R„°rr Sc tz,rtk ^ iammkl.che ,„ Manchen
vcrlag, III. Schorh. München. Aoniginstraße s°.

,,,

malß dik WathhaiiHüslk ;ß

^tz'er Anfsdtz in dcr Iailllar-Numinor hat cincil zustiiiiiiicndcii
Widcrhall in der Tagespresse gefundeir, daneben aber auch
— offenbar von betheiligter Soile ausgehend — eine Lnt-
gegnung in einem Bremer Lokalblatte, auf die wir kurz
zurückkommen müssen, da sie für die Art und weise derartiger ver-
theidigungen bezeichnend ist. Anstatt auf den Aern der ganzen Frage
einzugehen, auf das Uebertrumxsenwollen des alten vorbildes, auf die
Absicht, den Ranm aus einer schlicht-bürgcrlichen, alt-geschichtlichen Halle
in cincn prunkenden Fcstsaal voll übcrladenen Schmuckcs zu verwandeln,
aus das Lindringcn des heutigen Ulodcgcistes in den Raum: schlüpft
der Schreiber darüber glatt hinweg und behauptet, daß gerade das ge-
macht wcrden solle, was wir verlangt hätten, nämlich die wandtäfelung
und das Rathsgestühl. Also wozu dcr Lärm? Warum das „Loiguybild"
und seinen Rahmen, warum die abgothancn ersten Lntwürse erwähnen?
„Bild und Rahmen sind einmal da und haben mit dem drohenden
Attentat anf die bfallc nichts zu thun". — „Das ursprüngliche Project
des Uünstlers ist bekanntlich aufgegeben."

Aus dem Umstand, daß der Fußboden bereits erneuert sei, und
daß der jetzt gcplante Lntwurf überhaupt von uns nicht besprochen
sei, folgert der Bremer, wir kcnnten osfenbar den Lntwurf gar nicht,
überhaupt die ganze Sachlage ebensowenigl Das heißt doch, mit merk-
würdiger Brille lesen. Uebrigens ist die Taktik allgemein, dnrch einen
flotten Gegenangrisf eine schwache vertheidlgungsstollung zu verdecken.
Nur darf der Angriff selbst nicht schwach sein.

wir brauchen kaum zu erwähncn, daß wir nicht Dinge zu be-
sprechen pflegen, die uns unbekannt sind. Ls ist der Geist des ganzen
Untcrnehmens, dor sich aus dem vorläufer der Sauptaktion, dem Bilder-
rahmen, und aus dem Lntwurf dcs geplanten werkes erkennbar macht.
gegen den wir uns wenden iiiußten, da er das Alte zerstört. Soll die
Täselnng gemacht werden, so muß sie im Stil der Güldenkammer, abcr
viel einfacher gehalten sein, um die Wirkung des Glanzstückes der
Ifalle nicht zu vernichten, sondcrn zu unterstützen, zn erhöhen. Soll das
Rathsgestühl ausgeführt werden, so muß es unbedingt im engen An
schluß an die Reste nnd Abbildnngen des alten, im gothischen Stil
hergestellt werden. Denn noch heute ist die kfalle ein gothischer Innen-
raum, mit sechs Spitzbogenfenstern voll reichen Utaaßrverks, mit einer
gothischen Ifolzbalkendecke. Der stilistische Ifauptreiz des Raumes be-
ruht gerado darin, daß das Juwel im Renaissaneegeschmack srisch und

keck hineingesetzt wurde. Dicsen lebensvollen Gcgeitzatz hat der Bilder-
rahmen bereits verwischt; das Barockgestühl mit den riesigen Anfbauten
nnd den Rachelöfen in den Lcken wird ihn — und damit den bedeutenden
Lindruck der kfallo — vollends vernichten. Dann wird der Raum eben
ein Renaissanee-Barock-Raum, in dem Fenster und Decke nur noch stären.
vielleicht erlebt es der wagemuthige Aünstler dann noch, daß er dem
Drängen der „bicdern Bürger" nachgibt, auch diese in die rechte Fest-
stimmung zu bringen: sein Ziel würde damit vermuthlich erreicht sein.
Solange cs aber noch nicht hcißt: „Täfelung und Gestühl sind nun
einmal da", versnchen wir zu überzeugen, daß des Rünstlers Ziel ein
falsches ist, dessen Bahn znm kfeil der lfalle verlassen werden muß.

Ifierin werden alle unbcfangenen Sachverständigen übereinstimmen.
Allerdings erwähnt der Bremer Lokalaufsatz drei Sachverständige, die
dem neuesten Lntwurf zugestimmt hätten. Mit den Sachverständigen ist
dies nun ein eigen Ding: Lrstens sind die zwei abgegebenen Gntachten
niemals veröffentlicht worden. wenn wir auch nicht dcn Inhalt keunten,
dürsten wir hioraus schließen, daß sie Rlippen sür die Förderer der Lr-
gänzung der lfalle enthalten, die schlecht zu nmschisfen sind. Dann sind die
beiden Aunsthistoriker von den Sachverständigen, Lssenwoin und Lübke,
gestorben: sie widcrsprechen also nicht mehr. Der Lrstero hat den erstcn
Lntwnrs zu Falle gebracht; der Letztere hat übcr deu zweiten Lntwnrs
(der nur als kleine Skizze vorlag), das Mahnwort mitgesprochen, daß
Täselung und Gestühl im Geiste der kfalle und engon Anschlnß der
Güldenkammer auszusühren sei, und die Lrwartung daran geknüpft,
daß der Aünstler dies innehalten rverde. bfiernach hat sich dieser aber
nrcht gcrichtet, sondern sciner Zeichenkraft ungezügelten Lans gelasse».

Nun, die Sache ist noch immer nicht aus dem Zustand der Zeich-
nungen, Modello und versuche heraus: inan lege jetzt nochmals diese
Lntwürfe vorurtheilsfreien Sachverständigen vor (natürlich darf der
Aünstler nicht selbst, wie er bisher gethan, dic ausschlaggebenden
Namon nennen!), Männern, wie Friedrich Thiersch, kfans Griesebach,
Reber, Gurlitt, Gabriel Seidl, und höre ihre Anschauung übcr die ge-
xlante That. Lautet diese dann anch noch rückhaltlos sür die Umge-
staltung in einen überroichen modernen Festsaal, so wollen wir uns
bescheiden, unsern Irrthum als luiiäator toinporis uotl bekennen nnd
die lvahrheit des Spruches einsehen lernen, „wie rvir's dann zuletzt so
herrlich weit gebracht." So lange dies nicht geschehen ist, halten wir
die That der Bremer sür Barbarei und verbrechen. -I. lll.
 
Annotationen