Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 2.1895

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8035#0045
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-z--

X

MÜNchen^ den (5. Iuni (895.

Nr. 6.

LkrkündigiWklatt l>e§ Zerkandes deütsDek Kunstgewerke-Zereine.

Bezug der „Zeitscbrift" sammc der „Runftgewcrblichen Rundschau": Durch den
Buchbandel, die s)ost oder die Geschäftsstelle M. Schorß verlcig, Mnnchen, Röniginstr. 55,
Mk. (6 x>. a.: die Mitglieder des Bayer. Runstgewerbe-Vereins (Iahresbeitrag Mk.)
erbalten die Zeitschrift sammt Runstgewerbliche Rundschau unentgeltlich. — Die ,Zcit-
schrift" erscheint jahrlich in ^2 Monatsbeften; Reklamationen von Mitgliedern wegen
ausgebliebener Nummern können nur dann auf Berücksichtigung Anspruch machen,

wenn dieselben spätestens vierzehn Tage nach Erschcinen der folgcnden r^ummer
auf dem vereinssekretariat angemeldet werden.

«^erauSgeder: Bayer. Runstgewerbe-Verein, (s)fandhausstraße 7). — Redaktion:
prof. L. Gmelin, (Luisenstraße ^8). — Druck: Rnorr L hirtb; sämmtliche in München.
Verlag: M. ^chorß, München, Röniginstraße 55.

i-..-si..-I!I.!!IiI^il-I!-.. ! .I»l»IIIIIII»I»IIII»I.,W,N,II!I,III,,III,,U,III»I,W,IWW.... i.-!.!-!!'',:»'> !'!!>!!!!i!'l>I>l°!'I!>>I>i'i>>lil>l>lI>>lIll>>:!>llII»>I>I!>l>>>W

Uttcl;„r KcöW i»cs

vorschlägen zur Lsebung des Aunstgewerbes ist kein Mangel;
im wesentlichen bewegen sich dieselben in zwei Richtungen.
Die eine sucht dem Runsthandwerker die Mittel an die
ksand zu geben, durch welche er seinen Lrzeugnissen ein
kiinstlerisches Gepräge geben kann; die andere verfolgt mehr die matcrielle
Seite des Aunstgewerbes, indem sie das Publiknm für kunstgewerbliche
Dinge zu interessiren und ihm somit Gönner und Aäufer zu gewinnen
sucht. Denn das beste Aunstgewerbe ist nicht lebensfähig, wenn ihm
die Abnehmcr für seino Produkte fehlen.

Beide Richtungen sind vollkommen berechtigt. Liegt es nun auch
im wesen unserer Zeitschrift, daß darin vorwiegend die erstere Richtung
zum Ausdruck gelangt, so möchten wir heuto einmal dio letzteren zu worte
kommen lassen. wir wollen uns dabei die Frage vorlegen, warum nach
der vorherrschcnden Anschanung das verständniß für kunstgewerbliche
Dinge nicht die weite Ausdehnung besitzt, die man erwarten dürfte —
und zugleich prüfen, in welcher weise dieser Mangel zu beseitigen wäre.

Ls kann kein Iweifel sein, daß die werthschätzung, Achtung und
Zuneigung, die man einem Ding entgogenbringt, im innigen Zusammen-
hang stcht mit dem Ocrständniß, welchcs man für dasselbo hegt; das
H verständniß für die in eincm kunstgewerblichen Gegenstand vorliegende
künstlerische und materielle Leistung wird naturgemäß um so größer
sein, je mehr der Bcschauer sich mit den geistigen nnd sachlichen Vor-
gängen bei Lrzeugung des Gegonstandes vertraut gemacht hat. wenn
boi cinem Bau, wie das deutsche Reichstagshaus, nur der Architekt
vollkommen die ganze Summe geistiger Arbeit würdigen und sie zur
Grundlage der Benrtheilung des Bauwerks machen kann, so wird auch
im Aunstgewerbe nur der spezielle Fachmann in der Lage sein, die
Leistungen des Aunsthandwerkers voll zn würdigen. Der Grad des
verständnisses, dio Urtheilsfähigkeit seitens des Laien, also des in Be-
tracht kommenden Aäufers wird darum auch um so bedeutender sein,
se mehr derselbe sich in die Lntstehungsgeschichte cines kunstgcwerblichen
Gegonstandes hincindenkcn kann.

Damit sieht es nun heutzutage recht dürftig aus. Ls istja natürlich
ein Ding der Unmöglichkeit, alle Arten gewerblicher Thätigkeit dem
Laien so nahe zn bringen, daß er sich einigermaaßen ein Bild dcs
allmähligen Werdens machen kann; aber es wäre schon viel gewonnen,
wenn man bei don oberen ;oooo — und noch weiter herab — durch
genauere Bekanntschaft mit einom Zweig solcher praktischen Thätig-
keit überhaupt mehr Respekt vor der ksände Arbeit hervorrufen könnte.
Nebcnbei würde überdieß die Beurtheilung der sozialen Frage an
Sicherheit gcwinnen.

wer sich, wenn anch nur als Dilettant, mit irgend einer Sache
ernstlich beschäftigt, gewinnt Znteresse und verständniß dafür; der Bei-
spiele dafür gibt es genug. Unsere Frauen, die von Jugend auf
gewöhnt sind, ^andarbeiten zu fertigen, werden nicht leicht Fehlgrisfe
thun, wenn es sich um die Beurtheilung des werthes einer fremden
Arbeit ähnlicher Art, ciner Stickerei, einer lfäkelarbeit rc. handelt.
Und was ist's denn, was die Loncertsäle füllt und ungezählte Summen
für musikalische Genüsse flüßig macht? Nichts Anders als die That-
sache, daß durch die oft als Alavierpest oder sonstwie verschrieene dilet-
tantische Ausübung der Nusik in Tausenden das verständniß für die
Ulnsik und für die Leistungen des Musikkünstlers geweckt und wach
erhaltcn wird; würdcn nicht von Unzähligen auch kunstgcwerbliche
Arbeiten höher geschätzt und leichter gekauft werden, wenn das Jn-
teresse dafür durch eigene Thätigkeit auf ähnlichen Gebieten gesteigert
würde? Ls ist zweifellos von großer erzieherischer Bedeutung, daß
bei manchen regierenden Fürstenhäusern der Grundsatz besteht, dic
Prinzen in ihrer Iugend eingehend in irgend einem lfandwerke unter-
richten zu lassen; welcherlei Gedanken für die Einführung derartigen
Unterrichts ausschlaggebend waren, bcrührt nns hier nicht; es genügt,
festzustcllen, daß durch solche Schulung dem Nerständniß für die Arbeit
der bfand nach Aräften Vorschub geleistet wird.

Leider wird in dieser Richtung in der Lrzichung der Anaben
aus den wohlhabenderen Areisen fast Nichts gethan; und doch ist das
Aunstgewerbe gerade darauf angewiesen, von den wohlhabenderen
verstanden und begehrt zu werden. Die in den letzten Jahren in
Deutschland etwas lebhafter gewordene Bewegung, für Linführung
eines Arbeitsunterrichts in den Anabenschulen kann darum auch für
das Blühen des Aunstgewerbcs von weittragender Bedeutung werden.
von den jdädagogen wird es als Thatsache anerkannt, daß das Aind
am liebsten mit demjenigen Spielzeug hantirt, das es sich selbst zurecht
gomacht hat; der Trieb, selbst etwas nach den Lingebungen der eigenen
Phantasie zu machen, ist— wie der des Nachbildens, Zeichnens rc.—
im Aind ungeinein lebendig. Auch während der ersten Schuljahre,
solange der Anabe noch Zeit zu solcher Selbstbeschäftigung hat, bleibt
dieser Schaffenstrieb gesund; er verkümmert erst, wenn die Ueberlast der
Aopfarbcit ihm zu andrer, xraktischer Thätigkeit Lnst und Liebe und vor
allem die Zeit wegnimmt. Man muß nur einmal beobachten, mit
welchem Lseißhunger ein Anabe beim Lintritt der Schulferien darauf aus-
geht, mit Mcsser und Säge, kjammer und Nägeln sich ein Aästchen, ein
Geräthe oder sonst was zu zimmern; freilich fallen solche versuche
wegen Ungewohnheit dieser Thätigkeit oft genug recht unbeholfen aus.



(8^5. Runstgewerbliche Rundschau Nr. 6.
 
Annotationen