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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 11
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Fechter, Paul: August Seidel
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Elias, Julius: Die große Berliner Kunstausstellung 1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0577
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den zahlreichen Blättern, die er für Pflsters „Mona-
censia" lieferte und in denen er die heute grösstenteils
verschwundenen alten Winkel und Wirtschaften Mün-
chens schmucklos und gegenständlich und doch mit
einer feinen Liebe festhielt. Die Neue Pinakothek be-
sitzt auch ein Ölgemälde dieser Art, die alte Ross-
schwemme, die nur leider derart neben einem Fenster
hängt, dass man überhaupt keinen Eindruck zu emp-
fangen vermag. Ein paar Proben von den Aqua-
rellen und Zeichnungen, die Seidel für Prlster fertigte,

haben Otto Aufleger und Karl Trautmann in ihr „Alt-
München in Bild und Wort" aufgenommen: die ehe-
malige Gastwirtschaft zum Ketterl an der Rossstrasse,
den Wollgarten an der Baumstrasse und einige andere.
Die Originale befinden sich danach im Besitze der Witwe
Philipp Pfisters; schon aus den Reproduktionen aber er-
sieht man dieBeziehungen,dieSeidelmit dem am meisten
Mü'nchnerischen seiner Zeitgenossen verbinden: mit Karl
Spitzweg, zu dem auch von seinen malerischen Quali-
täten aus manche Verbindungslinie hinüberführt.

AUGUST SEIDEL, AUFZIEHENDES GEWITTER

DIE GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG ioio

VON

JULIUS ELIAS

aum je war der Kreis der Glaspalast-
Unternehmung so eng gezogen wie
heuer. Otto Heinrich Engel machte
vor zwei Jahren wenigstens den herz-
haften Anlauf zu einer Verschmelzung
deutscher und internationaler Interessen; diesmal aber
ist das Berliner Handwerk zu einer kompakten Mehrheit
zusammengeschrumpft, die nicht eine Kunstausstellung
bieten, sondern eigentlich nur eine Standesvertretung
zum Zwecke sozialer Fürsorge sein will. Nie ist die
Brot- und Magenfrage so epigrammatisch in den Vorder-
grund gerückt worden. Kallmorgen hat in seiner Er-
öffnungsrede mit naiver Offenherzigkeit, die zahlungs-

fähigen ßilderkäufer beschworen, ihr schönes Geld nicht
für „fremde Kunsterzeugnisse" zu vergeuden, sondern
die überschüssigen Kapitalien lieber im Glaspalast anzu-
legen. Kallmorgen hat nicht wie ein Künstler geredet;
wie der Verwalter eines Spitals oder einerKrankenkasse
hat er gesprochen, und mit seinen Worten hat er seiner
selbst gespottet. Aber es war auch sonst eineEntgleisung:
denn ich kenne wirklich keine Ausstellung, die so gute
Geschäfte macht, Jahr aus, Jahr ein, wie die „Grosse".
Darum hat sich denn die Leitung auch nicht weiter
den Kopf zerbrochen; eine Idee, die zusammenfasst
(IQO° gaD es doch noch den Willen zu einer deut-
schen Porträtausstellung), hatte sie nicht und suchte

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