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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 2
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Scheffler, Karl: Der Deutsche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0064
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DER DEUTSCHE

VON

KARL SCHEFFLER

ieser Krieg stellt die Deut-
) sehen vor eine der wichtig-
sten Entscheidungen, die sie
im Verlaufe ihres geschicht-
lichen Lebens haben treffen
müssen. Wir rechnen mit
einem Sieg am Ende aller
w^w>- |tn_j Kämpfe, mit einem grösse-
ren, noch mächtigeren Deutschland, das, im Ver-
ein mit anderen germanischen Völkern, ein grosses
mitteleuropäisches Reich zu bilden vermag, das auf
hundert Jahre hinaus wenigstens unserm Kontinent
das politische Schicksal zu bestimmen imstande
ist und das dadurch schon zu einer führenden
Weltmacht wird. In diesem neuen Deutschland
aber wird nur ein neuer Typus des Deutschen
wohnen können, es kann nur regiert werden vom
„Deutschen der Zukunft".

Die deutsche Nation ist die einzige, in der
immer wieder gefragt wird: was ist deutsch? Mehr
als alle andern Völker sind wir im Unklaren
über uns selbst. Wir sind es, weil wir, inmitten

Europas lebend, mit unsern Grenzen im Norden,
Süden, Westen und Osten rassenfremde Völker
berührend, von altersher den verschiedenartigsten
Einflüssen von allen Seiten ausgesetzt und durch
immer neue Blutmischungen an einer konsequenten
Entwicklung gehindert, in unserm Wesen zusammen-
gesetzter sind als irgend ein anderes Volk. Diese
Zusammengesetztheit des deutschen Charakters ist
gegenüber den andern Völkern unser Vorteil und
unser Nachteil. Durch sie erscheint das Wesen des
Deutschen einerseits unendlich und andererseits
mehr oder weniger abhängig. Es erscheint dadurch
in einer höheren Weise problematisch. Deutschland
hat in der neueren Zeit die grössten Dichter, Mu-
siker und Philosophen hervorgebracht; sie sind aber
nicht international volkstümlich geworden, wie es
kleinere französische oder englische Talente doch
oft werden konnten. Keine Nation hat so selbst-
los, um der Sache willen, fremde Kunst, Wissen-
schaft und alles sonstwie Bedeutende willkommen
geheissenwie die deutsche; beliebt ist der Deutsche
dadurch aber nicht geworden. Im Gegenteil, er

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