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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 2
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Winter, Franz: Von vergleichender Kunstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0057
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VON VERGLEICHENDER KUNSTGESCHICHTE

VON

FRANZ WINTER

Wie unser Wirtschaftsleben, dem die Absperrung
von der Zufuhr der Rohstoffe angedroht wird,
so ist auch unser wissenschaftliches Leben in allen
Zweigen der Forschung mit dem Arbeitsmaterial vom
Ausland nicht unabhängig. Den Gefahren, die ihm
hieraus erwachsen, durch bindende beim Friedensschluss
zu treffende Abmachungen zu begegnen, wird, so ver-
trauen wir, unserer Regierung ebenso ein Gegenstand
der Fürsorge sein, wie die Sicherung der freien Be-
thätigung auf allen übrigen Gebieten der Arbeit. Wie
sehr würden die Geschichtswissenschaften leiden, wenn
ihnen die Sammlungen und Bibliotheken Englands und
Frankreichs künftighin nicht mehr in dem Masse, wie
früher, offen ständen, was würde es bedeuten, wenn
ihnen die reichen Quellen des alten Kulturbodens
Italiens auch nur für kürzere Zeit verschlossen blieben!
Für keinen Zweig der Geschichtswissenschaft ist die
Sicherung und volle Erhaltung der Arbeitsmöglichkeit
auf italischem Boden von grösserer Bedeutung als für
die Archäologie und überhaupt die Kunstgeschichte.
Deren Wurzeln liegen in diesem Boden, auf dem sie
einst durch Winckelmann begründet worden ist, auf
dem Goethe die antike Welt sich offenbarte.

Rom nimmt freilich heute nicht mehr die Stellung
ein, die es als Kern und Mittelpunkt des Studiums der
Antike in jenen Zeiten inne hatte. Die griechische
Kunst ist uns aus Originalschöpfungen in reinerer und
echterer Überlieferung bekannt geworden, als sie uns
in den römischen Statuensammlungen entgegentritt
und in den hundert Jahren, seitdem zum ersten Male
in den Parthenonskulpturen diese unverfälschte Über-
lieferung sich erschloss, hat der griechische Boden
aus den Schätzen, die er in sich bewahrt, so reichlich
gespendet, dass wir heute nicht nur den Verlauf der
griechischen Kunst lückenlos durch alle ihre Epochen
hin in zusammenhängender Folge übersehen, sondern
dass in dem heute der Forschung vorliegenden Denk-
mälerbestande jede Epoche in grossen und bedeuten-
den Originalwerken vertreten ist, die für das Können
und Wollen des Schaffens ihrer Zeit die feste und
sichere Norm geben. Immer mehr hat die Archäologie
ihren Kurs ostwärts genommen und mit der ins Grosse
gesteigerten Ausgrabungsthätigkeit, in die sie seit den
Jahren nach 1870 eingetreten ist, ihre Aufgaben und
ihr Arbeitsgebiet vornehmlich in Griechenland und
Kleinasien gefunden. Aber für ihr Hauptziel, den Auf*

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