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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 3
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Schicksale eines Bildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0143
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SCHICKSALE EINES BILDES

WILHELM Rj

Die' unsachliche Art, die den Gelehrten in der
Polemik vielfach auszeichnet, hat einige Fach-
genossenbestimmt, sich nicht mit der Kritik des Inhalts
meiner^Sch'rift über die Museen zu begnügen, sondern1
Angriffe gegen mich zü richten, die ganz und gar nicht mit.
dem Thema'im Zusammenhang stehen, vielmehr allein
den Zweck haben, den Autor zu diskreditieren. Diesem
Beispiele zu folgen, hiesse. derselben Schwäche, einem
Mangel an Selbstbeherrschung, nachgeben. Wenn ich
mich gleichwohl anschicke, auf diese Unterstellungen
einzugehen,. so geschieht es in dem Gedanken, dass
damit ein kleiner Beitrag einmal zu dem umstrittenen
Sittenkodex der Museumsleiter, zum anderen — und
das mag nützlicher sein — zur Kenntnis Rembrandts ge-
bracht werden könnte. -

Die Beschuldigungen richten sich gegen mich wegen
des Kaufes'und Wiederverkaufes; eines Gemäldes von
Rembrandt,. welches bisher noch nicht veröffentlicht
worden ist,^aber urn seiner Schönheit und um seines
geistigen Gehalts willen allgemeiner bekannt zu werden,
verdient. Ich will versuchen über den Fall mit mög-
lichster Offenheit zu berichten auf die Gefahr hin, dem
Leser mit persönlichen Dingen zur Last zu fallen, ohne
deren Kenntnis jedoch eine gerechte Beurteilung nicht
möglich ist.

Ich entdeckte das Bild auf einer Versteigerung in
New York, im März 191 3, auf der es-unter dem Namen
eines Rembrandtschülers, des Karel Fabritius, ging, er-
warb es für weniges Geld und verkaufte es — as I could
not afford to keep it, wie der Amerikaner zu sagen
pflegt — ein Jahr später, nachdem es auch in Europa als
Rembrandt anerkannt ,war, um, eine, befrächtliche
Summe an einen deutschen Kunsthändler. Dass es diese
Summe wohl wert war, mag man aus dem bedeutend
höheren Preis, den der jetzige Besitzer, Herr Dr. Karl
Lanz in Mannheim, 1916 dieser Firma zahlte, entnehmen.

Das Bild hat noch ein besonderes Interesse für
Deutschland; denn es ist, soviel ich weiss, der einzige
Rembrandt, der während des Krieges in festen deutschen
Besitz kam, ersetzt also in gewissem Sinne den Verlust
des Kolmarer Rembrandts, zu dem es eine Art Gegen-
stück bildet. Ausserdem hat sich herausgestellt, dass
es früher schon einmal in Deutschland, und zwar in
Leipzig in einer von Goethe besuchten Sammlung ge-
wesen ist.

Während mir die Entdeckung und der Verkauf des
Rembrandt in Amerika Achtung brachte, da dem
Amerikaner nichts mehr Eindruck macht, als wenn sich
Wissen in bares Geld umsetzt, erfuhr ich bei meiner
Rückkehr nach Deutschland, dass mir hier von mehreren

1

VALENTINER

Seiten Bereicherung durch unrechtmässige Mittel vor-
geworfen wurde, ja, dass freundliche Kollegen, die
sich sonst überhaupt nicht mit Rembrandt befassten,
verbreiteten, ich hätte durch einen falschen Rembrandt
mein unverdientes Glück gemacht. Dies Gerede ist
jetzt, nachdem ich es mit manchem durch meine Schrift
über Museumsreformen verdorben habe, wieder auf-
gelebt. Man wagte zu behaupten: ich hätte als Museums-
leiter in die eigene Tasche gearbeitet und dadurch meiner
„Anstalt" Schaden zugefügt. Denn anders kann die
folgende, auf mich zielende Bemerkung nicht aufgefasst
werden: „Im allgemeinen hat die Kennerschaft von
Museumsleuten ihren Anstalten keinen Schaden zu-
gefügt, es sei denn, dass einer von seiner Kennerschaft
zum Nutzen der eigenen Tasche Gebrauch machte."
(O. v. Falke in „Kunst und Künstler". Heft VIII d. J.)
Dass damit der Verkauf des Rembrandt gemeint ist,
dafür wurde durch mündliche Erläuterung in weiterem
Kreise Sorge getragen. Dabei ist dem Schreiber jener
Zeilen sehr wohl bekannt, dass ich eine der seinen
verwandte Stellung, nur an einem privaten, nicht an
einem staatlichen Institut hatte, dass ich Leiter der
kunstgewerblichen .Sammlungen mit Einschluss der
Renaissancesculpturen in New York war und mit
der ' Gemäldegalerie nichts zu thun hatte. Er weiss
sehr wohl, dass der auch von ihm befolgte Moralkodex
für Leiter von Kunstgewerbemuseen in Deutschland
den Besitz und unter Umständen auch den Verkauf des
einen-oder anderen Gemäldes nicht verbietet. Denn
dieses ungeschriebene Gesetz — das übrigens in aller
Strenge nur in Deutschland gilt aber bei Licht be-
sehen auch hier nur von den wenigsten peinlich befolgt
wird — besagt, dass der Museumsleiter nicht sammeln
darf, was in das Bereich der ihm unterstellten
Sammlungen fällt.

Das ist im Grunde etwas Selbstverständliches. Denn
wer Liebe zu seinem Museum hat, wird ihm auch alles
zukommen lassen, was in seinen Kräften steht. Ob ich
nun für das meinige Sorge getragen oder in die eigene
Tasche gearbeitet habe, das zu beurteilen dürfte allein
Sache derer sein, die die Entwicklung des Metropolitan
Museums an Ort und Stelle mitangesehen haben.
Ich bilde mir ein, dass man dort auch finanziell
ganz gut mit mir gefahren ist und allein meine Ankäufe
von Renaissance-Skulpturen wie von Werken des
Giovanni Pisano, Verrocchio, Donatello, Agostino di
D uccio, Matteo Cividale, Antonio Rosellino, Sansovino
u. a. dem Museum das Vielfältige von dem, was sie
gekostet, eingebracht haben. Man müsste nur die oft
um das Zehnfache höheren Preise, die gleichzeitig

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