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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 8
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Amerikanische Privatsammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0360
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AMERIKANISCHE PRIVATSAMMLUNGEN

VON

WILHELM R. VALENTIN ER

Nach den häufigen Berichten über den Verkauf
von Meisterwerken nach Amerika könnte
man versucht sein, anzunehmen, daß die Zahl der
großen Sammler in den Vereinigten Staaten un-
begrenzt sei. Tatsächlich ist es nur ein kleiner
Kreis, der sich um diese Meisterwerke streitet und
ihren Verkaufswert in die Millionen hinaufsteigert.
In den Zeitungen lasen wir vor dem Krieg immer
die gleichen Namen: Pierpont Morgan, Altman,
Frick, Widener, Johnson, Mrs. Gardner, Namen, die
nach New York, Philadelphia und Boston führen, also
nach den Städten, die die nächste Verbindung mit
Europa haben, wozu noch Montreal mit dem in-
zwischen verstorbenen Sir William van Hörne, dem
Erbauer der Canadian Pacific, kam. Hin und wieder
hört man jetzt noch den einen oder anderen Namen
eines Sammlers aus dem Mittelwesten, aus Chicago,
Cincinnati, Detroit, Toledo oder gar aus San Fran-
cisco nennen. In New York laufen jedoch alle

Fäden des Kunsthandels und Sammlerwesens zu-
sammen. Philadelphia sucht vergeblich zu konkur-
rieren. Boston hat mehr Geschmack, aber weniger
Geld. Bei den übrigen Städten kommt kaum eine
bedeutende Kunstsammlung auf den einzelnen Staat.

Diese großen Sammler machen einen Teil der
Aristokratie des Reichtums aus, die eine beherr-
schende Stellung in den Vereinigten Staaten ein-
nimmt und eine Art Nebenregierung der offi-
ziell anerkannten in Washington bildet. . Sie setzt
sich aus Vertretern des Kapitalismus, alten oder
eben gewordenen, und aus Vertretern alter Familien
zusammen und sucht die Regierung in Washington
unter ihrem Einfluß zu halten. Gesellschaftlich
spielen diese Kreise infolge ihres Reichtums eine
größere Rolle als die Staatsmänner in Washington,
die bis zum Präsidenten hinauf von ihnen nur mit
einem mitleidigen Lächeln angesehen werden. Das
sind Gegensätze, wie sie sich zwischen der Regierung

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