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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 12
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Hamann, Richard: Köpfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0481
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SENLIS, KATHEDRALE, WESTPORTAL

KOPFE

VON

RICHARD HAMANN

I

evolutionen pflegen mit Köpfen nicht eben
glimpflich zu verfahren. Zum Schluß müssen
auch ihre eigenen Köpfe daran glauben. In der
großen französischen Revolution sind auch die
Köpfe der Statuen davon betroffen worden. Könige
und Heilige haben aus „Vernunftsgründen" ihr
Haupt lassen müssen. Die Portale der französischen
Kathedralen sind heute vielfach nur Trümmer ein-
stiger Schönheit. Aus edlem Faltenwurf und be-
seeltem Schwung ahnt man, wieviel einer Kunst
genommen wurde, der der Geist noch mehr be-
deutete als der Körper. Deshalb ist jeder Kopf, der
aus diesen unblutigen Metzeleien sich erhalten hat,
eine Kostbarkeit — und nicht nur für den Ge-
lehrten. Man tut recht, sie als etwas ganz Beson-
deres in ein Glasgehäuse zu setzen und sie wie
ein Kleinod zu bewahren.

Einige solcher Köpfe sind erst neuerlich ins

Louvre gelangt. Einer ist nach Deutschland ver-
schlagen. Manche lagern seit langem in fran-
zösischen Provinzmuseen und harren der Aufer-
stehung nur durch die Veröffentlichung. Auch
Amerika greift nach diesen Schätzen. Wir sind in
der Lage, nicht nur Hauptstücke vorzuführen,
sondern Reihen solcher Köpfe, die innerlich zu-
sammengehören, Entfaltungen eines Keimes, der
das Gesetz seiner Bildung in sich trägt und das
Geheimnis seiner Seele durch die Zeiten hindurch
bewahrt, der reift, aber sich nicht wandelt.

Im Musee Rolin in Autun ist ein Kopf, soweit
ich sehe, noch nicht veröffentlicht, ein Kopf von ma-
gisch bannendem Ausdruck, dem man sich nicht
entziehen kann (S.456). Es sind die großen Augen,
die alles beherrschen. Die Pupillen, jetzt tiefe, kreis-
runde Löcher, einst mit schwarzer Masse gefüllt,
erinnern an den starr erhabenen Blick byzantini-
scher Heiliger. Dies ist das Archaische des Kopfes.

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