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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 3
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Jedlicka, Gotthard: Eine Erinnerung an Pascin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0121
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EINE ERINNERUNG AN PASCIN

VON

GOTTHARD JEDLICKA

Ich war ein paar Jahre nach dem Krieg zu ihm
gekommen, nachdem ich lange vorher Zeich-
nungen von ihm gesehen hatte. Alle Menschen,
mit denen ich gesprochen hatte, waren von ihm
begeistert und nannten sich seine Freunde. Ge-
rade darum vermutete ich, daß er im letzten Grunde
einsam sei. Man hatte mir gesagt, daß er die Gou-
lue gut kenne und ich durch ihn ihre Adresse er-
fahren würde. Ich war zufrieden, das eine mit
dem andern verbinden zu können und entnahm
der Angabe zugleich, wie sehr er mit einem Mont-
martre verbunden war, das bereits Legende zu
werden begann. Am sichersten würde ich ihn um
die Mittagsstunde in seinem Atelier finden, da er
dann aufgestanden und noch nicht weggegangen
sei, hatte mir die Frau eines Bildhauers gesagt.
Er hatte mir in seinem hochgelegenen Atelier am
Boulevard de Clichy, an dessen Türe eine flüch-
tige Schrift seinen Namen zeigte, gegen Mittag
im Pyjama verschlafen und vorsichtig aufgemacht
und mich nach meiner kurzen und verlegenen Er-
klärung gebeten, eine Weile zu bleiben. Seine

erste Frage war gewesen, ob wir uns deutsch oder
französisch unterhalten sollten, da ihm beide Spra-
chen gleich angenehm seien. Sein Anblick hatte
mich damals etwas erstaunt. Ich hatte in der Zeit-
schrift, in der diese Zeilen erscheinen, eine Reihe
von Jahren vorher das Bildnis Pascins von Weis-
gerber gesehen, das heute im Museum von Elber-
feld hängt und auf dem er aussieht, als seien in
seiner Erscheinung fremdländischer Prinz und mon-
däner Tänzer gleichmäßig gemischt. Ich fand den
Mann, den ich vor mir sah, naiverweise dem Bild-
nis gegenüber gealtert. An seine Werkstatt, die
mir groß und leer und immer nur zwischen zwei
Reisen bewohnt schien, erinnere ich mich nicht
mehr genau, aber deutlich an die Bewegung, mit
der er in ausgetretenen Pantoffeln an den hohen
Tisch ging, auf dem Entwürfe, Zeichnungen, aqua-
rellierte Blätter unordentlich lagen, und an die Ge-
bärde voll präziser Flüchtigkeit, mit der er sie vor
meinen Augen zusammenschob. Er wußte sofort,
daß meine Frage mit einer Arbeit über Lautrec
zusammenhing, nachdem er sich vorher erkundigt

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