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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 12
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Wallerstein, Victor: Der Bildhauer Philipp Harth
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0492
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PHILIPP HARTH, HYÄNE. HOLZ. 1926. LEBENSGROSS

DER BILDHAUER PHILIPP HARTH

VON

VICTOR WALLERSTEIN

Philipp Harth ist wohl einer der ersten, dem der Begriff
der reinen Plastik spontan zum Erlebnis wurde. Er formu-
liert ihn, indem er sagt: „Die plastische Begabung ist die
Fähigkeit, die Welt räumlich und körperlich zu erfassen, das
heißt: sich Raum und Körper kubisch vorstellen zu können.
Plastisch ist eine Formgebung, wenn sie in Höhen-, Breiten-
und Tiefenausdehnung, also in den drei Dimensionen ein-
deutig für das Auge zu erfassen ist." Ihm ist es gelungen,
das erlebte Naturobjekt mit Ausschaltung jedes malerischen
Elementes als ein absolut Dreidimensionales neu erstehen
zu lassen. Seine Formgestaltungen stehen absolut im Raum
und sind sowohl in ihrer Gesamterscheinung wie im Detail
in Höhen-, Breiten- und Tiefenausdehnung klar für das Auge
zu erfassen. Bei der Realisierung seiner Visionen wählt
Harth zuerst als Material das Holz. Frei herausschlagend,
ohne vorheriges Gipsmodell, entwickelt er unmittelbar seine
Formgebungen; selbst die großen Arbeiten sind so ent-
standen. Ohne Tradition, fand er für sein Handwerk Schule
und Regel. Seine „Familie beim Abendessen", seine viel-
rigurige „Krippe" und seine „Pietä" zeigen seinen Arbeits-

plan bereits ganz klar. Jede entstehende Form ist erlebt
und mit Leben gefüllt. Ohne Pathos, beinahe ohne Senti-
ment, nur voll bis zum Rand von der Bestimmung als drei-
dimensionales Raumgebilde. Jedes nächste Gebilde hat hier
seinen Ursprung und seine Bedingtheit, dadurch auch seine
Zugehörigkeit zu der Formgemeinschaft, die es schaffen hilft.
So kommt es, daß uns hier jede Form groß, selbstgesetzlich
und notwendig erscheint, daß sie reich und mannigfach das
Spiel unserer Kräfte bewegt. Und doch möchte man dieses
Ergebnis nur als eine Seite seines plastischen Schaffens an-
sehen. Die andere ist die Liebe, mit der Harth aus seinem
Material gestaltet und dieses zur Geltung kommen läßt. Er
gibt dem Holz alles an verführerischer Glätte, wie ge-
schnittener Zackigkeit und verleiht der Bronze den matten
Schimmer, die gewagte Rundung und die tönende Härte.

Nach seinen frühen figuralen Arbeiten hat sich Harth ganz
der Gestaltung der Tiere zugewandt, und jede seiner Arbei-
ten ist nicht nur eine Bestätigung seiner eigenen Formsprache,
sondern gleichzeitig ein Abbild von dem Wesen und der
Gattung des Dargestellten. Er hat die Merkmale des Indi-

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