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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 6
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Scheffler, Karl: Heroische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0215
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Heroische Kunst

Heroische Kunst! Das ist der Ruf der Zeit.

Er ist nicht neu; wir haben den Ruf während unserer Lebensdauer schon
vernommen. Niemals freilich klang die Forderung so entschieden wie
heute.

Der Kritik fällt die Aufgabe zu, geduldig jede neue Zeitforderung an
den bleibenden Gestaltungskräften der Kunst zu messen und, wenn nötig,
zu korrigieren. Während eines Menschenalters haben wir es in diesen
Blättern getan; jetzt, zum Abschluß, sei es noch einmal getan: es gilt
das Wesen des Heroischen in der Kunst zu untersuchen.
Liegt das Heroische der Kunst im Stoff, im Gegenstand, im dargestellten
Vorgang? Es liegt nur bedingt darin, nur insofern, als heroisch gestimmte
Künstler gern zu den höchsten Gegenständen der Menschheit greifen, um
ihren Werken auch von seiten der Idee eine erhöhte Bedeutung zu geben.
Dieselben Stoffe können aber auch ohne heroische Gesinnung gestaltet
werden; sonst wäre jeder Gekreuzigte ein heroisches Kunstwerk. Michel-
angelos Genie konnte nicht anders als heroisch empfinden. Darum war
ihm die erhabene Dramatik der Schöpfungsgeschichte, agiert von Gott-
vater selbst, von Propheten, Sibyllen und alttestamentarischen Monumental-
gestalten angemessen. Die Schöpfungsgeschichte ist aber auch als Idylle
gemalt worden: der Stoff fordert nicht unbedingt eine heroische Auf-
fassung. Ebenso verhält es sich mit den mythologischen Sujets von Rubens,
der ein heiter heroisierendes Temperament war, mit den geschichtlichen
Bildmotiven Rethels, der die Romantik seiner Zeit heroisch gesteigert hat,
und auch mit den „heroischen Landschaften" eines Claude Lorrain oder
Josef Anton Koch. Blickt man endlich auf Rembrandt, so findet man
Heroisches nicht nur in seinen Legendenbildern, sondern auch in seinen
Landschaften, ja in den „Geschlachteten Ochsen" und in Zeichnungen,
worauf Gegenständliches kaum noch erkennbar ist.

Also ist nicht der Stoff, nicht der Gegenstand entscheidend, sondern die Art
der Behandlung, das heißt: die Form.

Analysiert man diese Form, so zeigt sich, daß sie nicht nur verdichtet
und stark übertragen ist — das gilt schließlich für alle Gattungen von
Kunstformen —, sondern daß sie auch szenisch erhöht, daß sie gewisser-
maßen aufgetürmt ist. Es braucht nicht durchaus eine verschönte, eine
idealisierte Form zu sein; denn das Heroische kann auch grotesk, mit
Zügen des Häßlichen auftreten. Es kann sowohl griechisch wie gotisch
sein, ägyptisch starr, aber auch barock flüssig. Bedingung ist, daß die Form
zudringlich aktiv ist, daß sie Tapferkeit ausdrückt. Eine so geartete Form

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