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Deutsches Archäologisches Institut / Römisch-Germanische Kommission [Hrsg.]
Korrespondenzblatt der Römisch-Germanischen Kommission des Archaeologischen Instituts — 1.1917

DOI Heft:
Heft 5 (September/Oktober 1917)
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Koepp, Friedrich: Stimmungswerte und Museumsrechte
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https://doi.org/10.11588/diglit.24883#0147
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KAISERLICHES ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT
RÖMISCH-GERMANISCHE KOMMISSION

KORRESPONDENZBLATT

HERAUSGEGEBENVON F.KOEPP, E.KRÜGER, K.SCHUMACHER

KOMMISSIONSVERLAG JOS. BAER & Co., FRANKFURT AM MAIN

Jahr I September/Oktober 1917 Heft 5

ABHANDLUNGEN.

Stimmungswerte und Museumsrechte.

Niemand wird bestreiten, daß jedem Denkmal vergangener Zeit durch
die Loslösung von seinem ursprünglichen Platz, durch die Versetzung aus
der Umgebung, für die es bestimmt war, in die Schutzhaft eines Museums
eine Art Unrecht widerfährt, daß es dadurch eine gewisse Entwertung erleidet.
Wieviel stärker wirkten stets auf jedes empfängliche Gemüt die wenigen
Grabdenkmäler, die vor dem athenischen Dipylon an ihrer alten Stelle standen,
von dem Blau des attischen Himmels überwölbt, als die endlosen Reihen
der Grabsteine des Nationalmuseums! Und doch mußten wir den Eindruck
gerade bei den schönsten mit dem häßlichen Anblick der bei solcher Auf-
stellung kaum vermeidlichen Schutzvorrichtungen, bei dem Grabmal des
Dexileos, zu meiner Zeit wenigstens, einer Art „Fliegenschrank“, erkaufen —
davon zu schweigen, daß nachher Alfred Brückner kam und uns belehrte,
daß der Eindruck, dem wir uns andachtsvoll hingegeben hatten, keineswegs
der Eindruck war, den Platon oder Demosthenes vor denselben Denkmälern
einst empfangen, von diesem vielmehr kaum weniger verschieden als der Ein-
druck der Denkmälerreihen des Museums.

Aber wie wenige Denkmäler des Altertums gibt es, die wir heute noch
an ihrem ursprünglichen Platz sehen können, wie wenige, deren einstige
Aufstellung und Umgebung wir kennen!

Doch auch mit dem Ort, den ihm eine spätere Zeit angewiesen hat,
kann ein Denkmal verwachsen; auch die Verbindung mit einer nicht ursprüng-
lichen Umgebung kann uns als ein noli me tangere erscheinen, die Los-
lösung aus einer solchen zweiten Heimat ein Unrecht, eine Entwertung dünken,
eine Entwertung, dann nicht des Denkmals selbst, aber doch der Stimmung,
zu der es sich mit seiner Umgebung verbunden hat, oder auch eines Kunst-
werks, dem es eingefügt ward. Wer möchte die Fronten römischer Villen
ihres Reliefschmucks berauben, um ein Dutzend Sarkophage mehr in den
Sammlungen aneinanderreihen zu können! Je höher das Denkmal steht, dem
man die Trümmer vergangener Herrlichkeit gewalttätig und doch auch pietät-
voll eingegliedert hat, um so weniger wird man an solche Beraubung denken
wollen.

Aber nur ein noch lebendiger „Stimmungswert“ wird uns diese Scheu
einflößen, darf die Bedenken aufwiegen, die sonst etwa die Unzugänglichkeit
des älteren Denkmals, die größere Gefahr seiner Schädigung oder völligen
Zerstörung erregen müssen. Wenn das ältere Denkmal an Wert das spätere,
dem es eingefügt wurde, weit übertrifft, oder wenn Zeit und Verhältnisse
den „Stimmungswert“, zu dem sie sich verbunden hatten, ohnehin beein-

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