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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 8 (August 1928)
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Keller, Hans: Eine Auseinandersetzung mit der Anthroposophie!
DOI Artikel:
Boger, Emma: Wie dient der Zeichenlehrer der Mädchenbildung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0247
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Z08


»S«NiI


„Die Eiilwicklunn des Malerlsch-Plaslischen vom
Allerkum dis zur neueren Zelt wird an einzelnen
iirossen Werlien slidlicher und nordischer Kiinskler jze-
zeigk." — Doch beschrünlil sich der Unlerrl6)t im
weiiere» nicht auf die bildende Kunst allein, sondern
es werden auch in Sprache und Musik die versä)ie-
denen Geiskesrichlunjien und Enlwicklungen behan-
delk

chn Unterschied zum „bildhaften Gestalten", das die
Kunstbetrachkung nur im engsten Anschluß ans eigene
Gestallen pflegen möchle, damit ja nicht an den spe-
zifisch k ü n st l e r i s ch e n Fragen vorbeigereoet
werde, wirü hier an der Wnldorfschule der Kunst-
unkerricht alS besondereS Fach für sich und, soweik ich
sehe, ohne Bezug aufs eigene Gestalken der Schüler
gehand'habk. — Eliwas ähnliches wie das, was ich
schon oben erwähnte, kriffl auch hier wieder zu: Es
wird nicht versucht, nuf Grund eigener bescheidener
Gestaltungsversuche das Ainge» der grohen Mei-
ster um ihre Form zu verstehen, glso von der Seite
des selbst-schaffenden bzw. nachschaffenden Geistes
aus, sondern von der Seike des Erke n n e n - wol-
lenden nus wird ein Sklick geisiiger Welkenkwick-
lung gezeigt.

Dns ist ein grundsählicher Unterschied: der eine
Unkerricht appelliect an die Keime der künstle-
r i s ch - p r o d u k k i v e n Kräfke, der andere an
die mehr p h i l o s o p h i s ch - g e r i ch k e k e n Er-
k e n n t n i s k r ä f t e.

Ein weilerer entscheidender Punkt, worin der Weg
des „bildhaften Gestallens" und der anlhroposophische
Meg nuSeinandergehen, isk die Skellung zur Dämonen-
welli — Die anlhroposophische Denkweise ist so: das
Kind, das geslalket, verbindet sich geistig und seelisch
ganz eng mil dem Wesen dessen, was es gestalket.
Sle siehi daher in der Äejahung deS Dämonischen Im
Unlerrichk elwaS äuherst Gefährliches, ja Unheilvol-
les slir das Kind. Wenn ein Kind so etwas dann und
wann ganz von selbsl hervorbringt, aus inneren
Grlinden, so isl eS ekwas dlnderes. Menn diese Welt
aber im Unlerrlchl „gepslegl" wird, so bedeulet das
eine grosze Gefahr slir die Lnlwicklung des Kindes!

Ganz anders die Auffassungsweise im „bildhaflen
Gestalten": Dämonen künstlerisch zu gestalten, bedeu-
tet eine Befreiung von diesen selbsl im Kinde
schon vorhandenen Gegenmächken! Durch das kllnst-
lerische Herausskellen öieser Dinge wird ihnen der
„Stachel" genvMmen! —

Dlese so stark entgegengesehken Anschauungswei-
sen sind zu erklären aus den verschiedenen welkan-
schaulichen Wurzeln, die den beiden Vewegungen zu-
grunde liegen.

Der Anthroposoph sieht in dem „dunklen Pol" des
Lebens lediglich die W i d e r s a ch e r m a ch l, die
der Mensch von sich zu halken hat nach Mögllchkeik.
Er liebt die dunkeln Farben nicht: am liebsten malt
er in den Farben des „Morgenroks". Eine unge-
trübte, raffaelische Harmonie, in die kein Hauch von
Nacht und Erdendunkel dringt, schwebl ihm vor.
Befreiung und Loslösung von der Materie des Lelb-
lichen suchk er, um in immer höheren Sphären wan-
dein zu können! Harmonie, Auhe, Ausgleich, V o l l-
endung, diesem Lebensideal, das vielleichk dem
Menschen der südlich-romanischen Nasse gemäs, ist,
steht gegenllber das tldeal des nordisch-germanischen
Menschen mit seiner Unruhe und Ilnrast, das sich er-
gibk aus der Bejahung der polarsn Gegensäsze:
dem das Leben rastloses Kämpfen brdruket, das den
Nhythmus von Licht u n d Finskernis bejaht und slalt
der Bollendung, die Unendlichkeit suchl!

Die anthroposophische Bewegung gibt vor, die ein-
zige Möglichkeit zu seln für den Gegenwartsmen-
schen, wieder zu einer Kultur zu kommen! „S i e
ist die Zukunft". — Als ob die Mahrheil jemalS
an eikec einzigen Stelie aufgehäusl lägeü! Auszer-
de-m bin ich lcherzeughdaiz alle Kullur lediglich aus den
L)uellen der Heimakerde, aus dem Boden des „Bolk-
haften" „ersteht"!! Es Ist ein Drrkum, zur „tzu-
manität" kommen zu wollen, ohne den Meg durchs
Bolkskum zu gehen! Dlesen lZrrtum begeht dle An-
throposophie, indem sie uns eln >s>liidliches Lebensideal
verkllndet, Fin Ideal, das dem deulschen> Menschen
auif dte Dauer eben doch wesenäfre>md bleibt.

Wie dient dev Zeichenlehrer der Mädchenbildung?

Bon Emma Boaer.

Wohl jeder richiige Lehrer wünschl sich als schön-
slen Ersolg seiner Arbeit, dasz seine Schliier einmal
rechle Menschen werden. ^iber er weisz wohl, dasz er
das nicht ailein ferlig bringen kann: andere Men-
schen und die ganzen Berhältnisse, unker denen der
junge Rlensch auswächsk, tragen meiskenS viel mehr
zu selner Bildung bei, ais es dem Lehrer möglich isl:
und auszerdem ist die Macht der äutzeren Einwir-
kung ja liberhaupk beschränkt. Man könnke den Leh-
rer etwa mit einem Gärlner vergleichen. Der kann
wohl manches dazu kun, datz seine Pflanzen gedei-
hen, aber wenn er nuch alle gleich liebevoll pflegi,
werden doch nichk aile gieich skark wachsen, denn
nicht !n jedem Samen steckt dasselbe Matz von
Kraft. Dieser Kraft kann er zur vollen Entfalkung
helfen, aber er kann ihr nichkS hinzufllgen, und er
kann sie auch nlcht in ihrer Art verändern, also ekwa
auS Nelkensamen Nosen ziehen. Wenn er bei sei-
ner Arbeil Erfolg hat, bekomml er viellelchk lauter

schöne Blumen, aber jede ist aus ihre eigene Arl
schön. 2hm selbst ist vlelleicht die Schönheil, wle sie
sich in Geslalt einer Nose zeigt, am liebslen, aber
deshalb weitz er doch, datz er diese Ark von Schönheil
von einer andern Pflanze nicht erwartcn darf und
datz, wenn er sie auf die gleiche Weise wie eine
Nose pflegen wiirde, sie deshalb nicht die
Schönheit der Nose annähme, sondern nur an
eigener Schönheit verlöre. Deshalb gibl er je-
der Pflanze ihre nakürlichen Lebensbedingungen:
dann kann er hoffen, datz die Schönheit in all selnen
Pflanzen Leben gewinnl, aber immer wieder in an-
derer Geslalt. Aehnlich isl eS beim Lehrer. Wenn er
es versteht, das Wesen der Kinder zu ösfnen, !o datz
er wirklich Einflutz auf sie hat, kann er dazu helfen,
datz sie reä)ke Menschen werden. Aber er darf nichk
veclangen, datz sie das 2deal, das ihm vorswwebk,
gerade auf die Ärt verkörpern, die ihm am nächslen
liegt. Ls isk gerade seine Ausgabe, jedem zu seiner
 
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