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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 8 (August 1928)
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Keller, Hans: Eine Auseinandersetzung mit der Anthroposophie!
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0246

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^207

AuÄ) während der lpnteren Schulzeil mird auf
eine eigenkliche Weckung von bildhaften Vocstellun-
gen rein k li n st l e r i f ch e r Ark nicht eingegan-
gen. Melmehr wird eine unmittelbare Darstel-
lung metapbvsischer Erlebnisse angestrebt. Die Folge
davon sind hünstlerisch lebensunsähige Gebilde, denen
die eigentlich sinnliche Wärme mangelt. Erst durch
diese aber, nämlich durch eine ebenbürkige Sinnen-
kraft, wird die höchste Nee überhaupt zur „Kunst".
— Kunst fließt immer aus einem Ausgleich, aus einer
Synlhese zwischen Geist und Sinnlichkeitl
Nur der Geist, mit den Sinnen durchblutet, ist im-
stande, dem Ewigen Gestalt zu geben, nur die
vom Geiste geadelten Sinne sind imstande, aus dem
Stoff die Form als Gefäsz des Ewigen zu
schaffen. Ebensowenig wie auf bloszer Sinnlichkeit
futzend, drm Mrgänglichen, K u n st zu denken ist,
ebensowenig erskeht sie aus dem b l o sz 3 deenhas -
t e n heraus!

Dem ankhroposophischen Malunterricht liegt eine
besondere Anschauung über die Farbe zugrunde. Er
möchte über die im „Subjektiven" steckenbleibende
Farbanschauung ider Gegenwark -hiircrussühren zu
einer Verliefung in das „objeklive" Wesen der Farbe
hinein. Er baut auf den Anregungen GoetheS, auf
der „sinnlich-sittlichen" Wirkung der Farbe auf, in-
dem er dns Kind anleitek, aus der „objektiven Me-
senheit" der einzelnen Farbe heraus zu malen. So
welt ist alleS gut! Schaut man aber näher hin, so
kann man nichk umhin, von einer geradezu dvgma -
tischen Verfestigung des Farbempfindens zu spre-
chen. Da kann es vorkommen z. B., dasz eine Farbe,
die im geislig-sinnlichen Zusammenhang eineS Bildes
schön, krastvoll, organisch begründet ist, das; eine
solche Farbe dennoch nbgelehnl wird, blvsz aus dem
Grunde, weil sie der vorgefaizlen Welensbestimmung
nichk entspricht! Ein Nok z. Ä. „d a r p' nicht begrenzt
oder irgendwie von dunkleren Farben eingesakt wer-
den, sonst ist es „eingeengt"! Es musz „lodern"
dürfen!

Es hnngl damit zusammen, dns; dem Mesen einer
Farbe »ur ganz beskimmte Formen „liegen" sollen.
Dem „Rok^ "wieder andere als z. B. dem „Blau„
usw.l ckn Lehrplan der Waldorsschule heiszt es: „Das
Kind enlwickelk seinen Fnrbensinn, indem es die
reine Fnrbe in ihrer Kvnsonanz und Dissonanz ma-
lend erlebk, und die F o r m a l s W e r k ö e r Far -
ben anscha u t!" Gewis; steckk in solcher Anschau-
ung fasl überall eine Mahrheit als Kern, aber sie
gehl nn Ihrer Slempelung zur „Negel" zugrunde.

üch knnn mir auch ein „eingeschlossenes" ^lvt, slil-
len Schei», verhaltene Glul, unlerirdisches Schwelen
ujw. vorskellen, auch ein rokleuchtendes Dach oder
Kleid usw. ohne Berstoß geen das objLklive
Wesen dieier Farbel!

Atan sieht, wie eine solche Negel den Schafsenden
einengen, die Freiheit der bildhaslen Möglichkeilen
beschränken würde! Ilnd tatsächlich kan» man sich
dem Eindruck nichk erwehren, wen» man Arbeiten
siehk, daß es sicb hier um einen neuartigen
„Schemakismus" handelt!

Der Anlhroposoph seinerseiks siehk in dem Weg des
„bildhaflen Gestaltens" der höheren Schule die Ge-
fahr des Ausmündens inS rein Dekorative!
üch hatle Gelegenheit, zu beobachken, dasz verschie-
dene gute Arbeiken, die von der künstlerischen Seike
her bekrachket, voller Lebenswahrheit waren, abge-
lehnt wurden von anthroposophischer Seike mit der

Begründung, die Arbeiken seien zwar hochbegabt,
aber der Weg falsck insofern, als er ins „dekora-
kive" abführe. Es handelt sich da z. B. um die künst-
lerisch fein-empfundene, kindliche Gestaltung eines
„Wunderbaums", dessen Stamm quer-gestreifte Glie-
derung aufweist. Diese Quergliederung als dem We-
sen des Baumes zuwider, dessen Machstumssäfte ja
in der Längsrichtung emporströmen, wurde bean-
skandet, als reindekorative Berflachung!

Diese kleine Beobachtung zeigte mir so viel, daß
die Einskellung des Ankhroposophen im Grunde doch
a u s; e r k ü nst l e r i s ch ist. Er erkennt dem Maler
nicht die Souveränitäk der freien künstlerischen Bild-
gestaltung zu, bindet ihn an n a t u r w i s s e n s ch a f t-
liche Gesetzel

ES klingt vielleicht ekwas naä) grojzen Morken,
wenn man diesen Satz von der „Souveränitä k"
mlt dem Schaffen des Kindes In Zusammenhang
bringkl Aber, wenn auch von einem bewußken Kunst-
wollen keine Nede sein kann, so wirkt doch die un-
bewuszt dcvs Klnb leitende Gestaltungskrast d>er Ra-
kur ebenso unabhängig nach rein kllnstlerisch-rhykh-
mischen Gesetzen. Das, was als Einzelheit nalurwid-
rig sein mag, ist lm Zusammenhang des Blldganzen
höchsk sinnvoll und organisch!

3ch möchke jetzt noch das Gebiet des Merk-
unterrichks und des sogenannten Kunskunterrichts
streifen, unter dem eine beskimmte Art von Kunstbe-
trachkung zu verstehen ist.

Der Werkunterricht (wöchenkiich 2 Skunden) ist fllr
Knaben und Mädchen obligakorisch bis zum Abitur.
Der Eintritk erfolgt mit der sechsten Klasse, d. h. dem
zwölften Lebensjahr. Es heijzt hier: „die praktische
Arbeil beginnt mit Kenntnisnahme der gebräuch-
lichslen Schreinerwerkzeuge und deren Anwendung
bei der einfachsten, grundlegenden Bearbeitung deä
Holzes." Ziel ist: Die BereiuigungvonZweckmäszig-
keit und Schönheit! — „Noch im Laufe des ersten
Merkstattjahres beginnen die Kinder bewegliches
Spielzeug zu machen. Der pädagogische Wert dieser
Aebungen wird in der vollko m m enen Dur ch-
dringungvon technischen und k ü n st l e r i-
s ch e n Motiven gesehen." ES soll damit dem Be-
dllrfnis des heukigen vugendlichen nach Technik und
Mechanik entgegengekommen werden.

„AUt der neunlen Klasse, die dem Puberlätsaller
entspricht, setzt der Epochenunterrichk in der Werkskakl
ein. Zweimal im Iahre wird eine dreiwöchentliche
ArbeitSzeit mik zwe! Slunden läglich durchgeführt."
Es beginnt jetzk das plastische Geslallen (Ton, Holz,
Slein), dem jetzl ein Drang im jungen Menschen enl-
gegenkommt. Äie Leislungen der Schüler dienen vor
allem auch als Erkenntnisguelle füc den Lehrer und
Arzt in psychologlscher Hinsichk.

Er liest daraus wie aus einem Spiegel, wie eS in
jedem Einzelnen schasfk, wie die Kräfke frei oder ge-
hemmt in ihm wirken; seelische, körperiiche Uiisklni-
migkeiten offenbaren sich darin.

Ich will mlch hier nichl weikec nufhalken. Ich kann
mir diese Ark der psychologischen Forschung unler
Ilmständen schon fruchlbar denlieii, nur musz man slch
klar sein, dah die F e h l e r q u e l l e n dabei sehr
zahlreich sind!

Der Kunstunterricht beginnt in der neunken
Klasse (15. Lebensjahr). Um die Ark der Skoffbe-
handlung kennen zu lecnen, dazu diene folgendes Bei-
spiel aus dem Lehrplan:
 
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