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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 9 (September 1928)
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Zondler, Otto: Köpfe schnitzen aus Kartoffeln: Unterrichtsbeispiel für die Quarta
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Zondler, Otto: Basteln: Insulanerdorf: Unterrichtsbeispiel als Gemeinschaftsarbeit 12jähriger Buben des Reform-Real-Gymnasiums Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0301

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Oli derarkige Schlilerarbeiken nichk auch psycho-
logisch anSwerkbar sind? 3n der Weise ekwa, dajz sich
Schmsse auf daS Wesen deS Schiilerä zichen lieszen?
Doch inüszke hier mit aller 'Dorsichk und ersk na>ch ein-
gehender Auädrucksforschung gehandÄt werden.

Das wichtWe Ergebnis der Sluude darf wohl >in
einer Skeigermrg der Fornckraft erlrannk werden,
wie sie durch jede derartige luskvolle Bekäkigung der
Formphantasie erreichl wird. Ein Schiiler erzählte,


dasz sein Bater zu Weihnachken immer Köpfe stir
etn Kasperltheater aus solchen Kartoffeln schnihe.
Das ist ein Fingerzeig für spätere Arbeike». Das
an-decsarkige plästische Arbeiten in HolZ -ist vorbe-
reitet und rvird dre Eigenart jeder Werlrzeug- und
Werlrstoffsprache lrlar erkennen lassen.

Nun hat es nichts weiter zu besagen, dasz die
Köpfe schlietzlich in die Abfalllriste -wanoern- weil sie
nach lrurzer Zeit zusammenschrumpfen.

Basteln: Insulanerdorf

llinlerrichksbeispiel alS Gemeinlchnflsarbeit 12jährigcr Vuben des Neforin-Neal-GymnnsiumS Sluttgark).

Bvn Olko Zvndker - Skukkgart.

(Bgl. die Abbildungen der Beilage.)

Aasteln in der ZLichLirstunde? Alit Berwunderung
und Kopfschütteln kut inancher diese Frage. Nämlich
derjenige, der den Sinn des moderrien Zeichenunter-
richkS l,,bildhaftes Geslalten"!) noch nicht ganz erfäßk
hak, der nicht in erster Linie AuSbildung kechnischer
Ferkigkeiken, sondern Enkwicklung der Formphan-
kasie und darüber hinaus Erfassung des ganzen
Menschen anskrebt.

2n Stuttgart ist immer ekwas los, es fehlt daher
für die Skuttgarker Buben nicht an Anregungen. 2n
diesem heiszen Sommer war die Kolonialausstellung.
Da gab eS genug zu sehen, was die slarke Anteil-
nahme unserer llugend erweckle, ihre Borslellungs-
welt mit allerlei fremden Bildecu sttllte und zur Ge-
staltung drängke. Der Borschlag des Lehrers, nun
einmal so ein S ü d s e e i n s u t a n e r d o r f „rich-
tig" zu machen, aufzubauen, fand daher begeisterte
Aufnahme. Eine Borbesprechung war nolwendig:
Wie machen wlr's?

Ein einzelnsr kann daS ganze Dorf nicht machen,
>darum inüssen wir zusammenhe-lfen. Auf dieses Sig-
näl hin entsland eine lebhafte Bewegung: ohne Zu-
tun des Lehrers bildeten sich Gruppen, die je eine
Hütke oder zwei gemeinsam anferkigen wollten.
Freunde und Gesinnungsgenoslen taten sich zusam-
men und bezeichnender-wLise waren es da und dorl
die Tüchligsten, um die sich die stärkften Gruppen
krislallisierken. Dabei kain eS auch vor, daß eiuer
schlieszlich verlassen dastand: keine Gruppe ivollte
ihn haben: „der liann nichks, der verpfuschk's uns
blosz." Das Bewußlsein, als unnühes Glied der Ge-
sellschaft zu gelken, kut weh, der gule ckinge weinte
bittere Tränen und rch mufzte mich für ihn verwen-
den. Nun kat er eifrig mik. Die Gruppen waren ver-
schieden slark: 2—5 Buben. Es war nichk möglich,
alle Einzelheiten zu besprechen: es „psupserte" schon
übernll, es war wohl zu bemerken: die Borstellungen
waren wach und drängten ans Licht. Es war ganz
rechk so: die Fragen werden schon kominen während
der Arbeit und wenn auch etwas verkorkst wird:
„durch Schaden wird -inan kilug".

3n der Stunde vorher war das Thema angekün-
dtgk worden und beralen, was man ftir die Ärbeit
an Werkftoff und Merkzeug brauche. Und nun hak-
ten die Schüler allerlei herbeigeschleppt: Brektchen,
Lättchvn, Scheiterholz, Pappdecliel, Ninde, Neisig,
Aestchen, Zweige, Gras, Stroh, Schilf, Faden,

Schullre, Bäst, Klebstoff, Häminer, Nägel, Laubsäge
und dergl. mehr. Wichkigstes Werkzeug war das
Tascheiimesser, doch gestattete ich mir, gelegenllich
auch WerNzeug -er Schülerwerkstätte (Hämmer,
Beißzangen, Feilen, Fuchsschwänze) zur Berfügung
zu stellen. Die Beschaffung mancher dieser Dinge
begegneke nakurgemäjz in einigen Fällen kleinen
Schwiertgkeiten: in den saubereu Haushaltungen
eintger unserer vornehnien Schlller ist so „Krnst"
nicht leicht aufzukreiben und ein Bater weigerte sich,
sein Getd fllr solche Zwecke auszugeben. Ich schrieb
ihm einen schönen Brlef und das Ergebnis war, dasz
er selbst abends sich hinsehle und mit selnem Sohn
eine „ladellose" gütle bastelle.

Es war eine Lust, zu sehen, mik welchem Eifer ote
Buben arbeiketen. Eine gewisse Unruhe ließ slch da-
bei nicht vermeiden. Ich empsand sie keineäwegs als
störend, im Gegenteil: als Beweis von froher Ar-
beilsskiinmung. Und eS war ja auch so vielerlei zu
besprechen: dte einen arbeilelen zivar frisch darauf
los, aber die ander-n gingen nach! -wohlllberlegkem
Plan vor. Auf dem Papier enkstanden entsprechLiide
Zeichnungen: Grund- und Aufrisse urit Majzbezeich-
nungen: mitkels der Zeichensprache gelang die Ber-
stündigung am schnellsken und besten. Und nun mujzke
jeder dem gemeinfameii Plan sich einordnen, -erhielt
ein Stück Aibeit zugeteilk und war der Gruppenge-
ineinschafl veranlworllich fllr die Güte seiner Ärbeit.
War sie ntchk guk, so gefährdete er damit das Ge-
lingen des Ganzen und somil auch die Leistung
der Andern. Nirgends wird das soziale Berankwork-
lichkeiksgefühl besser eiitwtckelt als bei solchen Ge-
legenheiten. 2n andern Unterrichtsfächern sind jie
selken.

Bei LtnzLlnen hlelt der Eifer nicht bis zum Schlujz
an, weil der Erfolg sich nicht so bald eikstellle. Die
meisten hielten aber stramm durch und ecschieuen
auch freiwilltg an zwei heifzen freien Nachmillagen,
als die Zeit drängte. Mancher aibeikete zu Haus
weüer oder verfertigte elwas ganz dlteues. Ein paac
verkündeten, sie wollke-n miteinander in der Bakanz
ein ganzes Dorf alletn machen.

Wie ganz anders als sonst lernt in solchem Unler-
richk der Lehrer seine Schttler kennen! Da osfen-
baren sich Eigenschäfte-n und Fähigkeiten, die sonst
nie zukage getreten wäre». Da scheiden sich die
„Prakttker" von den Ungeschicklen, Lebhasle von
 
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