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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 8 (August 1928)
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Keller, Hans: Eine Auseinandersetzung mit der Anthroposophie!
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0244

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Gme Ausemandersetzung mit der Anthroposophiel

Von Hans Keller- Tllbingen.

2in Mitlelpunkt dec nnthroposophischen Gedanken-
welt slehk der M e n s ch. Sie wendet sich ln ersker
Linie an den innerlich zerrissenen modernen Men-
schen, suchk ihm zu helfen, sich aus seiner intellektua-
listischen Notlage zu befreien, um durch Harmonisie-
rung seines Wesens wieder zu aesunden. —

Ein auf Grund „geisteswissenschafklicher" Forschung
gewonnenes „Neues Wissen von der Menschennakur
will sie bringen. Dieses soll dein Menschen helfen, üas
Ziel der WUhren, inneren Freiheit, deä vollen Men-
schenkmns, zu erallbeiten.

Diese allgeineine Grundhallung läsjk die Ankhro-
posophie erscheinen als einen Arm des groszen
Strvins, der die Gegenwart durchströint, uin dem
festgekretenen Boden wieder neues Machstum zu enk-
locken. ctch verskehe unker dlesein Strom de,r Teil der
heukigen Menschen, der sich inik dein Gedanken geisti-
ger Erneuerung in positiver Weise befaszt.

Die Aebel der materialistischen und intellekkualisti-
schen Gesinnung jucht die Anthroposophie zu über-
winden auf elnein ihc besonderen Weg. Das,
was sie von anderen „icrational" gerichketen Vewe-
MNgen der Gegenwart untepscheidet, ist die Be-
haiijptung: zum Zrrationaleii!, „in die iibersinnliche"
Mell, gibt es einen W eg, klnr und s >) steinakis ch.
Dieser Weg läjzk sich an Exaktheik der strengen Denk-
und Focschungsweise der modernen Nakurwissen-
schafk nn die Seike skellen. Ia, eS ist sogyr so, dasz
die dlnchroposophie geradezu ausbaut auf der exakten
Schulung, idle der Bersland deS invdernen Men-
schen, an der scharsen Denkweise seiner Missenschaft
durchgeinacht hak. Gleichzeikig aber möchle sie zeigen,
dah und wie man dieje Borstellungsark weiter aus-
ausbilkden, dadurch die Grenze des sinnllchi Faszbaren,
an die der Berskandesmensch sköszt, iiberschreiten —
und zwar in wissenschasllich berechtlgker Melte —
und so eine übersinnliche Welk belrelen lrönne!

Auf diese Weise — dns ist die Ueberzeugung des
Anlhrvpvsophen, kann mnn llberhaupt erst zu einer
„w irkli ch e n M enschenerke n ntni s" kom-
men. Denn dei» stntellektualislen z. B. bleibt ja das
eigenllich lreibende Wnchskumprlnzip im Lebendi-
gen verborgen. Er sieht ja nur das, was vor den
äuszeren Sinnen liegk, waS r ä u m l i ch zu erblicken
isl, und sucht diesen Talbestand zu erklären mit sei-
nein logischen Berstand. Dem gegeniiber will der
anlhroposophische Weg eine Erkenntnisart erringen,
die das „Zeikliche" des Lebensverlauss unmittelbar
ergreisen kann, indem sie Einsichten in die entwick-
lungsmäszig stattfindenden Wandlungen, in die „Me-
tamorphosen" des Wachstums ermöglicht.

Nur eine svlche Erkennknis wäre imstande, die
heulige Missenschafk weiterzustihren >bzw. >die Grund^
lage abzugeben slir eine neue, dem heuligen Men-
schen gemäsze E r z i e h u n g s k u n st. — Fast alle
inodernen Neformversuche krnnken, nach Auffassung
des Anlhroposophen, nn dem lebenszerskörenden
Widerspruch des inodernen Lebens, der bestehk in
dem inkellekkualislischen Denken und drm „Rousseau-
ischen" Ftihlen. än R. Sleiners Lehrerkurs heiszt es:
„Einerseiks will man daS Kind so erziehen, wie man
es durch seinen hnkellektualismus ftir richtig hält:
stir das Borstellen" möchle man ihm „Logik", für

seinen Willen das „Nützliche" beibringen. — Ande-
rerseiks sucht man aus seinem Gefühl heraus dem
Kind eine naturgemätze Erziehung zu geben!"

Der cintellektmensch ist aber — so folgert man —
gar nicht imstande, dleses „nakurgemäsz" durchzufüh-
ren, das voraussetzt die Einsicht in das Leben alS
„Totalität". Denn Ihm ist nur das zugänglich, waS
im wachen Bor.stellungsleben sich ereignet. Die Welt,
die „zwischen Einschlafen und Aufwachen" liegt, das
gesamke ilnterbewußksein aber mutz „in exakter
Weise" mit in Betracht gezogen werden, wenn man
den jungen Menschen wirklich nalurgemätz ftihren
will.

Ehe man zu diesen Einsichten kommk, bedarf es
einer intensiven geistigen Schulung. N. Steiner gibt
dafür eine ganz bestimmte Methode an, die es je-
dem Menschen — nicht nur dem besonderS Vegnade-
ten — ermöglichen soll, bis zu einem gewissen Wrad
in sich Intuitive Fähigkeiten zu enlwickeln.
Ausgangspunkt fllr diesen geistigen Weg bildA im-
mer die im gewöhnlichen Leven angewendete Er-
kenntnisart, die Goethe die „g e g e n st ä n d l i ch e"
nannke. Farben, Töne, Würmeverhältnisse, die auf-
genommen werden, weben sich zusammen zu einer
Ärt Sinnesteppich. Nun stötzt man an die G r e n z e!
Die Aeberwindung dieser Grenze, das Lindringen ins
„Wesenhafte", das dem Sinnlichen zugrunde liegt,
geschieht miktels syskematischen Aebens innerer Fähig-
keiken: durch Konzentration und Nledita-
l i o n. Unler Medilalivn isl »ichl elwa ein blotzes
Träumen zu verstehen, sondern, slatk des blassen, ab-
strakten Denkens, ein sinnendes Eintauchen, ein
lebendiges, bildhastes Denke»! N. Sleiner schreibl:
Durch solches Ueben, das darin bestehk, datz man aus
bewutzke Weise Bilder der geiskigen Welt schastl und
wiederum mit seinem Willen auslöschl, vollzlehl sich
mik der Seele ekwas ähnliches, wie wenn man einen
Muskel durch Beugen und Strecken erskarkt."

Äus diese Weise soll der Geist allmählich die Krafl
erlangen, die Gesetzmätzigkeit im zeitlichen Be r-
lauf des Levens, also die Inneren MachS-
t u m s w a n d l u n g e n zu sehen. So erlange man
auch jene Einblicke in die Enkwicklung des Kindes z.
B., die einen erst befähigen sollen, die richtige, wahr-
haft naturgemätze Erziehungsinelhvde zu sin-
den.

Welcher Art sind nun die so gefundenen Einsichlen:

Als die grundlegende Erkennlnis der ganzen An-
throposophie ist aufzufassen: Der Gedanke von der
D r e i g l i e d e r u n g des M e n s ch e n. 3m Men-
schen findet stakk ein Zusaminenwirkeii dreier Organ-
syskeme:

1. Der S i n n e s - N e r v e ii o r g a n i s a l i v n.

2. D e r O r g a n i s a t i o ii von A t m u » g und

B l u t li r e i s l a u f.

3. D e r G l i e d m a tz e n - S l o f s w e ch s e l - O r -

g a n i s a t i o n.

An die erskere ist gebunden das B o r sk e l! u » g S-
leben des Menschen. An die miktlere das Ge -
slihlsleben. An die letzle das W i l l e n s l e b e n.
(Beispiele: Datz starke G e d a n k e n-, bzw. Bor-
 
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