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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 5 (Mai 1928)
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Braig, Adolf: Zum Werk von Professor Gustav Kolb: "Bildhaftes Gestalten als Aufgabe der Volkserziehung''
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Holl, Robert: Die Hexe Urhixidur: (ein Fries in Schwarzpapierschnitt mit unterklebten Buntpapieren, 6. Schuljahr), eine Gemeinschaftsarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0150

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Die tzexs Arhixidur

(Ein Fries in Schwarzpapierschnitt mit unterklebten Bnntpapieren, 6. Schnljahr)
Eine Gemeinschaftsarbeit von Robert holl

Aieiile Buben hatten schon oft von der Hexe
gesprochen, wie streulich ihr Eesicht sei, wie ihre
spiiideldürre Eestalt mit den langen Fingern
a» eine Spinne erinnere, wie ihre Fiiße immer
verdeckt seien. Manche behaupteten, sie hätte
Krallen an den Fiisten, ihre Angen fnnkeln
griin, nnd statt der Haare ziingeln Flammen
am Kopf.

Das waren lanter Ersindungen, böse Dich-
tnngen; aber vielleicht sind sie doch wahr, wer
kann es wissen? Und vielleicht ist es auch wahr,
dah sie in einem Häuschen wohnt, das zusam-
mengesetzt ist ans lnuter wnnderbarem Zucker-
werk und aussieht wie ein kleines Schlöszchen.
„llnd so viele Zanbertiere und gespenstische
Mesen hat sie nm sich, hu! Da mus; man auf-
passen, wenii man in dereu Nähe koiiimt! Da
weisj maii nicht, was passiert!" Ein kleiner
Juiige mit runden Äuglein hatte dies gerufen,
»nd sofort erhob sich ein wahrer Sturm der Be-
stätigung. Manche wollten wissen, dast eine
groste schwarze Katze immer bei ihr sei und sie
immer begleite. Ein Uhu komme und ranne
ihr etwas Seltsames ins Ohr. Die schön leuch-
tenden Blumen in ihrem Earten, dem Zauber-
garten, seien verzauberte arme Kinder, die der
Here einmal zu nahe gekommen sind. „Ich
möchte die Hexe machen!" „Und ich den großen
Kater Erellaug!" So suchte jeder Schüler seine
Liebliiigsaufgabe.

Aus schwarzem Papier wurden all die lusti-
gen Einsälle geschnitteiü Unheimlich funkelten
die Augen der Hexe, und um ihre Stirne zün-
gelten Flammen. Jhr Eewand war übersät
mit geheimnisvollen Zeichen, die mit Lewun-
dernswertem Fleiß und Ausdauer ins schwarze
Papier geschnitten wurden. Der unheimliche
llhu hatte die Fliigel gebreitet und schwebte
in der Luft. Es war aber kein gewöhnlicher
ilhu, denn er hatte Fiihler wie ein Schmetter-
ling und Flügel wie eine Fledermaus,' und der
Kater Erellaug mit den scharfen Krallen und
dem furchtbaren Nachen und Schwanz glich eher
dem Höllenhuiid als iinserem Schmeichelkätzchen.
Aus den Vlumen und Bäumen sahen weh-
miitige Eesichter und Fratzen: es sind die Ver-

zauberten, die auf ihre Erlösung warten. Auch
mit dem Häuschen hatte es sein Vesonderes.
Die Dachplatten waren von reichverziertem
Zuckerwerk, und an den Wänden des Häuschens
standen diö Namen der verwandelten Kinder
in geheimnisvollen Schnörkeln und Zeichen.
Damit die Hexe und ihr Kater Erellaug auch
wirklich abschreckende Augen hatten, klebten
wir Buntpapier dahinter. Auch der Rachen des
Katers mit dem feurigen Rot sah jetzt wie ein
Höllenrachen aus, und die geheimnisvollen Zei-
chen im Hexenkleid glichen farbigen Flammen.
Die Farbe übte magische Kraft aus. Was vor-
her noch weiszer Crund war, wurde bald von
den Schülern mit ausdrucksvollen Farben iiber-
klebt.

Nachdem so die Einzelbilder geformt waren,
iam das Zusammeiispiel, der Höhepunkt der Ar-
beit. Aus einem breiten weißen Papierstreifen
durfte der ganze Hexenspuk als Fries aufmar-
schiereu. Das Häuschen mit der Hexe, von der
der Zauber ausging, kommt in die Mitte! Und
neben ihr, links und rechts, wird der Kater
Erellaug und der verräterische Uhu aufgeklebt.
Dann kamen die armen verwandelten Wesen,
die Zauberblumen und Märchenbäume. Und
ihr könnt mir glauben, daß das wieder eine
richtige Eestaltungsarbeit war, an der sich die
Schüler mit Leidenschaft beteiligten. Jmmer so
wurde zusammengestellt, daß ein abwechslungs-
reicher Neigen entstand, und als alles vollendet
war, Lefestigten wir die Arbeit an der Vorder-
wand des Zeichensaals.

Hurra! das war ein Ereignis! Acht Meter
lang und einen Meter hoch war der Fries ge-
worden. Der Stolz der Schüler auf ihre Arbeit
war rieseugrosz. Selbstverständlich, das; sie auch
zu Hause mit Begeisterung davon sprachen.
Und mancher Vater, manche Mutter kamen in
den nächsten Tagen, um das Wunderwerk, das
die kleinen Hände mit so viel Liebe und Aus-
dauer geschaffen, zu sehen. Elaubt ihr nicht,
daß auf diesem Weg Schule und Elternhaus
inniger zusammenwachsen als durch Hausauf-
gaben?
 
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